Anfang der 90er-Jahre schrieb die Admira spannende Europapokal-Geschichten. Star-Klubs wie Juventus wurden dabei mächtig geärgert. Am Ende war oft Pech im Spiel.
TEXT: THOMAS MAURER, FOTOS: GEPA PICTURES
Das Europacup-Jahrzehnt begann für die Südstädter im März 1990 in Anderlecht. Im Viertelfinale des Cupsieger-Bewerbs unterlag die Admira im Constant Vanden StockStadion mit 0:2. Ein 1:1 im Rückspiel reichte nicht für den Aufstieg, nachdem man im Vorjahrbereits AEL Limassol und Ferencvaros aus dem Bewerb geworfen hatte.
KEIN GLÜCK IN BOLOGNA
Schon im Herbst 1990 ging es international weiter. Der dänische Vertreter Vejle BK wurde in der 1. Runde des UEFA-Cups mit 4:0 (Gesamtscore) geschlagen. Und auch in Runde zwei konnte man sich gegen den FC Luzern mit einem 1:0 in der Schweiz und einem 1:1 zuhause durchsetzen. Im Achtelfinale empfing die Mannschaft von Thomas Parits am 28. November den FC Bologna. Unter anderem in der Startelf: der spätere Mediendirektor und Marketingleiter des ÖFB, Wolfgang Gramann, Ernst Ogris, Olaf Marschall oder auch Wolfgang Knaller. Der Keeper der Admira erinnert sich: „Wir waren eine gute Truppe, über zehn Jahre lang hat der harte Kern zusammengespielt. Wir waren immer der Underdog, haben uns vor den großen Klubs aber nie gefürchtet.“
Mit einem 3:0-Sieg im Rücken ging es zwei Wochen später nach Italien. Und schon nach sechs Minuten lag die Admira zurück. Nach zwei weiteren Gegentoren folgte die Verlängerung. Der damals 19jährige Dietmar Kühbauer kam kurz davor von der Admira-Bank ins Spiel. Tore aus dem Spiel folgten keine mehr, es kam zum Elfmeterschießen, in dem erst der 16. Penalty entschied. Knaller hatte zuvor zwei Elfmeter parieren können, doch Marko Elsner, Josef Degeorgi und schließlich Alois Dötzl vergaben. Die Admira war aus dem UEFA-Cup ausgeschieden. „Wenn du von den ersten fünf Elfmetern zwei hältst, musst du eigentlich weiterkommen“, erzählt Knaller. „Ich hätte der große Held sein können, stattdessen sind wir alle mit hängenden Köpfen heimgefahren.“
ENDSTATION ANTWERPEN
Zwei Jahre später folgte der nächste Anlauf auf internationalem Parkett. Im Cup der Cupsieger warf die Admira zum Auftakt Cardiff City aus dem Bewerb. Auswärts gab es ein 1:1, beim 2:0-Heimsieg trafen Olaf Marschall und Johannes Abfalterer, der auch auswärts gescort hatte. Am 21. Oktober 1992 traf die Admira schließlich im Achtelfinal-Hinspiel zuhause auf Royal Antwerpen. Wie schon bei den Spielen gegen Cardiff stand Franz Gruber für den verletzten Wolfgang Knaller im Tor, der erst im Rückspiel in Antwerpen wieder dabei war. Die Admira führte mit 1:0 und 2:1 - um am Ende dennoch vor eigenem Publikum mit 2:4 zu verlieren.
Das Rückspiel am 4. November schien schnell gelaufen zu sein. Zur Pause lagen Knaller und Co. mit 0:2 zurück, waren nach dem Ausschluss von Torjäger Olaf Marschall zudem nur mehr zu zehnt. Doch vier Tore in Halbzeit zwei schufen die Ausgangssituation für ein Wunder in Antwerpen. „Dann wuchsen die grauen Mäuse über sich hinaus und wurden in der Hölle von Deuren zu Löwen, welche die Belgier das Fürchten lehrten. Die 6.000 Zuschauer trauten ihren Augen nicht, als die dezimierten Gäste bei ihren gefährlichen Kontern Tor um Tor aufholten, und bedachten ihre Equipe, die sich offenbar bereits zu sicher gefühlt hatte, mit Pfiffen und Buhrufen“, schrieb die APA. Einzig, es reichte nicht, denn Antwerpens Czerniatynski traf in der Verlängerung zum 3:4 und die Admira war erneut knapp ausgeschieden, denn in der 121. Minute vergaben die Gäste noch eine Riesenchance. „Im Elfmeterschießen wären wir aufgestiegen“, ist sich Knaller heute sicher.
Was erst danach herauskam: Die Tore in Antwerpen waren um vier bzw. sechs Zentimeter zu niedrig. Die Admira protestierte - vergebens. Ein Protest hätte vor dem Spiel eingebracht werden müssen. Das Kapitel Europacup war für dieses Jahr endgültig abgeschlossen. Stattdessen stürmte Antwerpen ins Finale und unterlag erst dort dem AC Parma mit 1:3. Knaller relativiert den „Skandal“ um die Tore aber etwas: „Man merkt das schon, aber als Spieler hat uns das nicht wirklich berührt. Das ist wie das Wetter, man muss damit zurechtkommen.“
ACHTELFINALE GEGEN JUVENTUS
Der UEFA-Cup-Auftritt 1994 ist schnell erzählt. Unter Coach Didi Constantini und mit Ivica Vastic im Angriff und dem erst 18-jährigen Jürgen Panis in der Startelf gab es in Runde eins zwei Pleiten gegen Dnipropetrovsk - 0:1 zuhause und 2:3 auswärts. Besser lief es dagegen im Herbst 1995. Mit Christian Mayrleb im Sturm und Herbert Gager in der Abwehr besiegte die Admira Gornik Zabrze zuhause mit 5:2 - Gager traf doppelt. Auswärts reichte ein 1:1 zum Weiterkommen gegen die Polen, bei denen ein gewisser Jerzy Brzeczek zweimal durchspielte.
In der zweiten Runde traf die Admira auf Cannes mit dem jungen Spielmacher Johan Micoud, der einige Jahre später in Bremen zur Legende werden sollte. Ein Gager-Treffer reichte zu einem 1:1. In Frankreich gelang der Constantini-Elf ein Blitzstart - nach 24 Minuten führte die Admira mit 3:0 und zog letztlich mit einem 4:2-Auswärtssieg in die dritte Runde ein. Dort wartete Juventus Turin.
Gegen die Startruppe aus Italien, die im Jahr zuvor Zweiter geworden war, sah es anfangs düster aus. Zur Pause lag die Admira zuhause mit 0:3 zurück. Antonio Conte und zweimal Roberto Baggio hatten vor etwa 8.000 Zuschauern für die Alte Dame getroffen. Ein Tor von Michael Binder stellte den 1:3-Endstand her. „Wenn man heute die Namen liest, denkt man sich schon ’Wahnsinn, gegen wen wir da gespielt haben’. Aber wir waren nicht chancenlos. Das 1:0 war für mich ein klares Tormannfoul und wir hatten mit einem Stangenschuss Pech“, erinnert sich Knaller zurück.
Kurios war das Rückspiel in Turin: „Es war so neblig, dass ich das andere Tor nicht gesehen habe. Ich frage mich, warum das Spiel überhaupt angepfiffen wurde.“ Ciro Ferrara erzielte bereits in Minute 17 die Führung für Juventus, bei denen der erst 20-jährige Alessandro Del Piero in der Startelf stand. Gerd Wimmers zwischenzeitlicher Ausgleich - von dem Knaller durch den Nebel nur vom Hörensagen erfuhr - reichte nicht zum Remis, denn Gianluca Vialli traf kurz vor Spielende per abgefälschtem Freistoß zum 2:1-Sieg der Italiener vor nicht einmal 6.000 Zuschauern im Stadio delle Alpi.
Juventus Turin kämpfte sich bis ins Finale, verlor dort gegen Parma, holte aber immerhin das Double aus Liga-Titel und Pokalsieg. „Diese internationalen Spiele zeigen, wie weit du von der Weltspitze entfernt bist. Und in unserem Fall war das gar nicht so weit. Wir Österreicher unterschätzen uns oft“, so Knaller.
Dieser Artikel ist in der 90er-Jahre-Spezialausgabe des Bundesliga-Journals erschienen – erhältlich ab sofort im Zeitschriftenhandel und im Abo unter bundesliga.at/journal-abo