BL-Journal: Blockbuster Hartberg

11. February 2021 in ADMIRAL Bundesliga

Als Produzent von „Was wir wollten" grätschte er zuletzt in die „Netflix"-Stammformation. Den wie am Schnürl gezogenen Wechselpass von der Film- in die Kick-Branche schlägt der erklärte TSV-Fan Alexander Glehr am liebsten in der Profertil Arena in seiner Heimatstadt Hartberg. In der dort filmreif inszenierten Evolution seines Lieblingsteams vom Landesliga- zum Bundesliga-Klub erkennt Star-Produzent Alexander Glehr schier Blockbuster-Potenzial.

TEXT: MICHAEL FALLY, FOTO: FILM AG

Reden wir es nicht schön: Ein bisserl knistert’s in der Familie Glehr. In die sonst so launigen, immer wieder von herzhaftem Lachen durchzogenen Schilderungen von Filmproduzent Alexander mischen sich vereinzelt liebevoll-neckische Bemerkungen in Richtung dreier anderer Familienmitglieder. „Ein wenig bin ich schon neidisch auf meinen Vater, meine Schwester und meinen Bruder. Die drei dürfen auch in der Krise ins Hartberg-Stadion, während ich zum Zuschauen via TV verdammt bin“, schmunzelt Alexander im Gespräch mit dem Bundesliga-Journal. Die physische Stadionpräsenz von Schwester Reingard, Bruder Mathias und Vater Reinhold hat freilich triftige Gründe: Die drei fungieren als Mannschaftsärzte des TSV Hartberg: Reingard sitzt während des Spiels auf der Betreuerbank und ist gemeinsam mit Vater Reinhold auch für die Corona-Testungen zuständig, Bruder Mathias kümmert sich um orthopädische und sportmedizinische Begutachtungen und Behandlungen. Alexanders Liebe zu seinem Herzensklub geriert folgerichtig als familiär vorbelastet, historisch gewachsen, alternativlos.

BUNDES- STATT LANDESLIGA

„Ich war schon zu Landesliga-Zeiten auf dem Platz und habe mir Spiele angeschaut. Legendär waren auch die Zweitliga-Spiele gegen die Vienna auf der Hohen Warte, weil dort viele aus dem Filmbereich zugegen waren“, erklärt Alexander Glehr.

„Seit wir in der Bundesliga spielen, versuche ich so oft wie möglich im Stadion zu sein. Dass der Verein in der obersten Spielklasse aktiv ist, ist für den ganzen Ort eine Besonderheit und verleiht ihm neue Energie. Zudem ist Hartberg ja ein sympathischer Verein geblieben.“ Schmunzelnder Nachsatz: „Manche GAK-Fans werden das vermutlich anders sehen. Aber ich verspüre in Hartberg eine unaggressive Freude am Fußball.“

VIEL INTELLEKT

Berührungsängste mit dem Genre Fußball kennt der Intellektuelle Glehr nicht. „Fußball hat für mich viel mit Intellektualität zu tun. Wie gerade Hartberg-Trainer Markus Schopp es schafft, mit viel Hirn und geradezu Genie die Mannschaft zu formen, ist schon beeindruckend. Fußball von Intellektualität zu trennen, halte ich also für falsch.“ Und überhaupt: „Rein das Rudimentäre, für eine Mannschaft zu sein, befriedigt meine Grundbedürfnisse als Fußball-Fan schon.“

Glehr anerkennt Fußball auch als Kunst. „Vor allem für mich, der nicht mit dem Gen für Ballsport gesegnet ist, ist Fußball tatsächlich Kunst. Aber im Prinzip ist Fußball Unterhaltung. Und die wird die Menschheit, das gilt natürlich auch für den Film, immer brauchen.“ Glehr kann aus ästhetischem Blickwinkel heraus sogar den verpönten „Schwalben“ im Fußball etwas abgewinnen: „Ich anerkenne dabei die schauspielerische Leistung der Fußballer sehr wohl. Zu guter Unterhaltung gehört natürlich auch, ab und zu in die Übertreibung zu gehen. Es geht nicht immer nur mit Dramen, manchmal braucht es auch die Komödien.“

GENRE-MIX

Dramen, Komödien, Krimi, Unterhaltung - mit all dem konnte der TSV Hartberg in jüngerer Vergangenheit locker glänzen. „Die vorige Saison war schlicht ein Wunder“, ist Glehr immer noch begeistert Es sei „großartig, was Präsidentin Brigitte Annerl und Obmann Erich Korherr leisten. Beeindruckend, wie Korherr immer wieder schlagkräftige Mannschaften zusammenstellt. Er überrascht mich immer wieder. Und Präsidentin Annerl ist in die Materie Fußball voll eingetaucht, ist stets mit Begeisterung dabei und in der Mannschaft voll anerkannt und beliebt.“

WENIGER ÜBERRASCHUNGEN

Und auch die Leistung der Hartberger in der Hinrunde der laufenden Saison vermochte seine Erwartungen durchaus zu erfüllen. Dankeines 1:0-Heimsieges gegen Altach in der letzten Runde vor Weihnachten überwinterte die Schopp-Truppe mit 14 Punkten. Der ominöse Strich ist in Griffweite. „Ich glaube, dass die Mannschaft in dieser Saison sogar den noch besseren Fußball gespielt hat als in der Vorsaison.“ Allerdings: „Mit zunehmendem Erfolg wird der Überraschungsgehalt geringer. Die gegnerischen Teams stellen sich besser auf uns ein. Heißt: Wir spielen den besseren Fußball, die Gegner sind aber weniger überrascht davon.“

SOZIALER ORT

Glehr ist leidenschaftlicher Fan. Wie viele Szenen rausgeschnitten werden müssten, wäre während eines Spiels eine Kamera ausschließlich auf ihn und seine Emotionen gerichtet? „Viele“, lacht Glehr. Allerdings gehe er auch zu Sozialisierungszwecken ins Fußball-Stadion, und zwar nicht nur in Hartberg. „Ich gehe auch ins Stadion, um mir wichtige Menschen zu treffen“, sagt der 40-Jährige. „Das Stadion in Hartberg ist ein wichtiger sozialer Ort. Ich bin aber immer wieder auch bei Auswärtsspielen gegen die Admira oder in Wien dabei. Viele aus meinem Bekanntenkreis sind in Wien - und meistens Fans der jeweils gegnerischen Mannschaft. So läuft man sich auf interessante Weise über den Weg.“ Und kann sich den Blockbuster Hartberg aus nächster Nähe reinziehen.

 

Dieser Text ist in der Frühjahrs-Ausgabe 20/21 des Bundesliga-Journals erschienen. Die aktuelle Ausgabe mit sämtlichen Geschichten, Interviews und den Stories zu allen Bundesliga-Klubs erhalten Sie im Zeitschriftenhandel oder bequem und preiswert im Abo: https://www.bundesliga.at/de/medien/bundesliga-journal/journal-abo/

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