Bei Sturm Champions-League-gestählt. Bei Rapid Meistermacher. Bei Wacker Innsbruck Kapitän. Nun schickt sich Bundesliga-Haudegen Ferdinand Feldhofer an, als Trainer des WAC das nächste Erfolgskapitel seiner Karriere zu schreiben. Wir gingen mit dem 40-Jährigen auf eine emotionale Zeitreise.
TEXT: MARKUS GEISLER, FOTOS: CHRISTIAN WALGRAM / GEPA PICTURES
Wenn Ferdinand Feldhofer im Fotoalbum seiner Karriere blättert, ist es wie bei einer emotionalen Achterbahnfahrt. Manchmal zieht es ihm die Gänsehaut auf, dann steht ihm das Wasser in den Augen, mal entfährt ihm ein tiefer Seufzer. So ist das eben, wenn man eine Karriere mit vielen Höhen, aber auch manchen Tiefen erlebt hat. Und die noch lange nicht zu Ende ist, denn mit dem RZ Pellets WAC, den er vergangenen Winter als Trainer übernahm und erneut auf Platz drei der Tipico Bundesliga führte, hat er in Zukunft einiges vor. Mit dem Bundesliga-Journal lässt er seine Karriere-Stationen noch einmal Revue passieren.
KAPITEL 1: FERDL GOES EUROPE, I (STURM GRAZ, BIS JÄNNER 2002)
So stellt man sich sein Startelf-Debüt wahrlich nicht vor. Beim Blick auf den Spielbericht des Champions-League-Krachers Sturm gegen Olympique Marseille im September 1999 fuhr Feldhofer die Enttäuschung in die Glieder. „Ich habe auf die Ersatzspieler geschaut. Shit, dachte ich, ich hab es nicht mal in den Kader geschafft.“ Weit gefehlt. Denn Trainer-Guru Ivica Osim beorderte ihn ausgerechnet auf der größten europäischen Bühne erstmals in die Startelfformation. „Hannes Reinmayr meinte kurz danach zu mir: Ferdl, du spielst! Ich sagte nur: Pflanz wen anderen.“ Doch die Mittelfeld-Legende hatte Recht. Drei Tage zuvor war Feldhofer gegen Wacker Innsbruck eingewechselt worden, Osim gab ihm einen väterlichen Rat mit auf dem Weg: „Wenn du Scheiße baust, spielst du nie wieder!“ Heute weiß Feldhofer: „Er wollte mich damit testen, ob ich für das Spiel gegen Marseille bereit bin.“ So wuchs der Vorauer in die damalige Europa-Wunder-Mannschaft und wurde als strategisch kluger wie beinharter Innenverteidiger zum Stammspieler. Nur das Ende seiner ersten Sturm-Ära verlief alles andere als bilderbuchmäßig. „Hannes Kartnig (Anm.: damals allmächtiger Präsident) wollte, dass ich meinen Vertrag verlängere, ich wollte abwarten, wie meine Perspektive beim Klub wirklich ist. Es hieß: Unterschreib oder du spielst ab sofort bei den Amateuren.“ Feldhofer ließ sich nicht unter Druck setzen und gab Rekordmeister Rapid sein Ja-Wort. Woran auch eine Offerte des holländischen Klubs SC Heerenveen nichts ändern konnte. „Ich stand Rapid im Wort, das zählt.“
KAPITEL 2: HÜTTELDORFER MEISTERMACHER (RAPID, 2002 BIS 2005)
Bereuen musste er diesen Schritt, den der damalige Trainer Lothar Matthäus himself mit einem Telefonat einleitete, nie, selbst dann nicht, als ihn eine schwere Beinverletzung für ein halbes Jahr außer Gefecht setzte. Denn es kommt selten vor, dass ein Abschnitt dermaßen gekrönt wird wie in diesem Fall. „Schuld“ daran trägt der 15. Mai 2005, ein Datum, das sich tief in die Seelen aller Beteiligten gebrannt hat. „Wahrscheinlich das emotionalste Erlebnis meiner Karriere, auf das ich heute noch regelmäßig angesprochen werde“, sagt Feldhofer. Auf dem Foto aus der Südstadt ist zu erkennen, dass die reguläre Spielzeit bereits abgelaufen ist. Flanke Ivanschitz, Feldhofer erwischt den Ball halb mit dem Kopf, halb mit der Schulter. 1:0, der Meistertitel ist unter Dach und Fach. „Ein Wahnsinns-Moment!“ Zu dem er allerdings bereits wusste, dass der Verein in Zukunft ohne ihn plant. Als die Verantwortlichen ob des Husarenstreichs einen Rückzieher machen und ihn plötzlich zum Bleiben überreden wollten, war es zu spät. „Ich hatte bereits bei Wacker Innsbruck zugesagt.“ Und wir wissen ja: Ein Mann, ein Wort!
KAPITEL 3: KAPITÄN IM ABSTIEGSCHAOS (INNSBRUCK, 2005 BIS 2008)
Bis zu seinem Wechsel nach Tirol war Feldhofer gewohnt, um Titel zu spielen, nach den Sternen zu greifen. Und plötzlich fand er sich mitten im Abstiegskampf wieder. „Ali Hörtnagl hat mich von dem Wechsel überzeugt. Aber als die Saison anfing, war er auf einmal weg (Anm.: ging später ironischerweise zu Rapid). Ich kann nur eines sagen: Abstiegskampf wünsche ich meinem ärgsten Widersacher nicht.“ Brutaler Druck, schlaflose Nächte, Kampf um Existenzen – eine harte Zeit, die Feldhofer, den der spätere Trainer Frantisek Straka erstmals in seiner Laufbahn zum Kapitän machte, trotzdem weiter gebracht hat. „Natürlich würde ich das Drehbuch anders schreiben, wenn ich könnte. Aber in solch einer Phase lernst du mehr, als wenn es wie am Schnürchen läuft.“ Vor allem die Saison 2007/08 war eine zum Vergessen. Die anvisierte Rückkehr zu Sturm scheiterte an der Ablösesumme, Feldhofer verletzte sich gegen Altach schwer und verpasste die Heim-EURO (s. nächstes Kapitel). Und am Ende stand der bittere Abstieg. Seuchenjahr Hilfsausdruck.
KAPITEL 4: DER EURO-DÄMPFER (ÖFB-TEAM, 2002 BIS 2007)
Unter Teamchef Pepi Hickersberger, der Feldhofers Qualitäten von Rapid schätzte, wurde er mehr und mehr zur unumstrittenen Größe im ÖFB-Team – bis ihn besagte Verletzung gegen Altach aus der Bahn und vor allem vom EURO-Zug warf. „Das war richtig hart“, erinnert er sich. „Ich habe 1996 mit der U16 eine Heim-Euro gespielt und wollte das unbedingt mit dem A-Team 2008 nochmal erleben. Daran hatte ich zu knabbern.“ Überhaupt ist er mit seiner Karriere als Nationalspieler nicht ganz zufrieden. „13 Einsätze sind zu wenig, da hätte mehr herausspringen können. Ich wurde gefühlt 40-mal einberufen, zum ersten Mal von Otto Baric bei dem berühmten Israel-Spiel.“ Beim Blick auf das Foto, das ihn bei seinem einzigen Länderspiel-Tor gegen Trinidad & Tobago zeigt, hellt sich die Miene dagegen ganz schnell wieder auf. „Mein einziger Treffer außerhalb des Strafraums überhaupt, der Ball wurde bestimmt vier Mal abgefälscht. Trotzdem ein unumstrittenes Highlight, auf das ich stolz bin.“
KAPITEL 5: DIE RÜCKKEHR ZUR JUGENDLIEBE (STURM GRAZ, 2008 BIS 2013)
Nach dem bitteren Abstieg mit Wacker war der Weg frei für die ersehnte Rückkehr – und Feldhofer musste nicht zweimal überlegen, als sich Sturm Graz bei ihm meldete. „Ich war zu dem Zeitpunkt schon dreifacher Vater, wollte meiner Familie das unstete Leben ersparen. Das hat perfekt gepasst.“ Menschlich, vor allem aber sportlich. Unter Franco Foda, dessen Entwicklung er erste Reihe fußfrei beobachten konnte („Er hat sich mit seiner akribischen Arbeit den Teamchef-Posten verdient“), wurde er nochmal Meister und Cupsieger, und das in einer Zeit, in der Red Bull Salzburg die Liga dominierte. „Gerade weil der Titel so überraschend kam, war er für uns extrem emotional.“ Als Peter Hyballa ihn aufs Abstellgleis verfrachtete, reifte die Entscheidung, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen – was er 2013 auch endgültig tat. „Ohne Wehmut, ohne Groll. Mir war klar: Wenn es bei Sturm zu Ende ist, gehe ich als Spieler nirgendwo mehr hin.“
KAPITEL 6: TRAINER-MERITEN IN DER REGIONALLIGA (SV LAFNITZ, 2015 BIS 2019)
Was Feldhofer nach seiner aktiven Karriere am meisten suchte, war: Abstand. Er gönnte sich Urlaub, machte einen Ausflug in die Privatwirtschaft, bildete sich auf verschiedenen Ebenen weiter. Und ließ den Fußball als Nachwuchs-Trainer nur nebenher laufen. Bis 2015 das Angebot herein schneite, Regionalligist Lafnitz als Trainer zu übernehmen. „Dort habe ich schnell gemerkt, wie viel Spaß es mir macht, eine Mannschaft zu entwickeln, Talente zu fördern, routinierte Spieler von einem Projekt zu überzeugen.“ Was von beeindruckenden Erfolgen flankiert wurde. Abstieg verhindert, Zweiter geworden, als Meister in die 2. Liga aufgestiegen. Und das mit Spielern, die längst nicht alle die Vorzüge des Profilebens genießen. „Da waren Elektriker, Installateure, Lehrer dabei. Meine Erkenntnis war: Profi zu sein ist ein Privileg, da braucht keiner zu jammern!“
KAPITEL 7: FERDL GOES EUROPE, II (WAC, SEIT DEZEMBER 2019)
Angebote gab es vorher schon einige, aber als WAC-Boss Dietmar Riegler anrief, weil er einen Nachfolger für den nach England abgewanderten Gerhard Struberbrauchte, wusste Feldhofer: „Die Zeit ist reif!“ Eine durchaus heikle Mission: Die Fußstapfen der Vorgänger waren groß, zudem kamen im Winter Stützen wie Sollbauer, Ritzmaier oder Niangbo abhanden. „Es war eine herausfordernde und schöne Aufgabe zugleich. Wie wir dann alle gemeinsam diese Phase, auch rund um Corona, mit den vielen Spielen in kurzen Abständen gelöst haben und Dritter geworden sind, ist einfach grandios, das werde ich auch nie vergessen.“ Also feiert der Steirer nun auch als Trainer im Europacup sein Debüt. Allerdings wird er dabei nicht ganz so ins kalte Wasser geworfen wie damals von Ivica Osim. Schwimmen muss er allerdings trotzdem selber. Aber das ist das längst erwachsen gewordene Kind der Bundesliga ja gewöhnt.
Dieser Text ist in der Saisonstart-Ausgabe 20/21 des Bundesliga-Journals erschienen. Die aktuelle Ausgabe mit sämtlichen Geschichten, Interviews und die Kader aller Bundesliga-Klubs erhalten Sie im Zeitschriftenhandel oder bequem und preiswert im Abo: https://www.bundesliga.at/de/medien/bundesliga-journal/journal-abo/