Ferdi Oswald: „Held oder Depp sein, das ist eine Challenge!“

21. September 2021 in ADMIRAL Bundesliga Dass er nicht mehr wie früher hinter Thomas Müller oder David Alaba im Tor steht, sondern mit der WSG Tirol auf dem letzten Platz der ADMIRAL Bundesliga, kann Neo-Österreicher Ferdinand Oswald nicht die Freude an seinem Job nehmen.

„Natürlich ist das eine schwierige Situation, weil uns der eine oder andere Sieg fehlt“, will Ferdinand Oswald gar nicht leugnen, dass in Wattens nach dem 0:5-Debakel gegen Sturm Graz dicke Luft herrscht. „Auf der anderen Seite haben wir in der Tabelle fünf Punkte, der Vierte hat neun. Bei uns wird das jetzt groß aufgehängt, dass wir drei Spiele hintereinander verloren haben. Aber die letzten zwei Spiele waren gegen Sturm und Red Bull Salzburg, die besten Mannschaften der Liga.“ Und das Spiel davor, gegen Austria Klagenfurt, hätten die Tiroler eigentlich gewinnen müssen. „Wir hätten bisher fast jedes Spiel gewinnen können. Sogar gegen Sturm. Wir hatten zwei, drei Top-Chancen. Wenn uns da das erste Tor gelingt, kommt’s vielleicht gar nicht zu dem ersten Fehler. Aber das sollen alles keine Ausreden sein. Die Frage, die wir uns schon stellen müssen: Warum machen wir die Tore nicht?“

Fast das Punktemaximum

Das war nicht das einzige Thema, das am Montag nach der Sturm-Pleite in der Kabine der WSG Tirol besprochen wurde. Auch Raffael Behouneks TV-Interview kam aufs Tapet. „Jeder weiß, dass er sein Herz auf der Zunge trägt. Nicht umsonst wird er so oft zum Interview geholt. Er hat sich in der Wortwahl vertan, er hat sich entschuldigt, alles wieder gut.“ Nachsatz mit Augenzwinkern: „Typischer Wiener halt!“ Auch den Schmäh hat Ferdi Oswald bereits intus. Schließlich spielt er nicht nur seit sieben Jahren in Österreich, seit ein paar Wochen hat er auch den rot-weiß-roten Pass. Und zumindest beim Staatsbürgerschaftstest hat seine Punkteausbeute gestimmt: „Von den 18 möglichen Punkten habe ich 17,33 erreicht.“

Als Bayer galt er ohnehin schon vorher als halber Österreicher. Ob er auch Grieche oder Japaner geworden wäre? „Puh, schwere Frage. Österreicher zu werden, ist mir ja auch deshalb nicht schwer gefallen, weil meine Oma Österreicherin ist und ich auch viele Verwandte in Kärnten und Osttirol habe. Die Sommerferien habe ich in meiner Kindheit immer im Lesachtal verbracht. Von daher war mir das Österreichische nie fremd. Und dem Verein hat’s geholfen.“

Berühmte Weilheimer

Geboren ist Ferdinand Oswald vor bald 31 Jahren im bayrischen Weilheim, unweit des Starnberger Sees. Wikipedia führt ihn in der Rubrik „Töchter und Söhne der Stadt“ gleich unter Thomas Müller. DEM Thomas Müller. „Wir sind ja beide nur in Weilheim geboren, weil dort das nächste Krankenhaus ist“, schwächt Ferdi ab. „Er kommt aus Pähl, da sind es schon 25 Kilometer zu meinem Heimatort Hohenpeißenberg, Aber ja, er hat mich schon auch zum Training mitgenommen, als er dann ein Auto hatte. Vorher ist er oft mit meiner Mama und mir mitgefahren.“

Ja, der Ferdi stammt aus dem Bayern-Nachwuchs. Bis zur U19 war er Mannschaftskollege des um ein Jahr älteren Thomas Müller. Dann ist es schnell gegangen. Oswald ist noch dritter Torhüter bei den Amateuren in der 3. Liga, als Müller sich 2010 zum WM-Torschützenkönig krönt. „Dabei war Thomas einer, von dem man es nicht unbedingt erwartet hätte, dass er so ein Weltstar wird“, plaudert der Keeper aus der Bayern-Schule. „Er war schon im Nachwuchs … unorthodox. Aber er hat damals auch schon Laufwege gesehen, die nicht jeder sieht.“

Begehrte Autogramme

Zwei andere Wegbegleiter waren Christoph Knasmüllner und David Alaba. „Bei David konnte man davon ausgehen, dass er seinen Weg machen wird. Er hat neben seinem Talent einfach auch die richtige Mentalität mitgebracht.“ Damit, dass aus ihm kein großer Bayern-Star geworden ist, kommt der Neo-Österreicher gut klar. „Ich freue mich für alle, die es ganz nach oben geschafft haben. Aber für mich ist es auch schön, wenn meine Tochter meine Autogrammkarten in ihre Klasse mitbringt und die Kinder sich freuen.“

Bis zu den Amateuren ist es noch gut gelaufen. „Aber dann merkt man ja, dass man keine Rolle mehr spielt und es nicht weiter geht. Obwohl ich einmal sogar als Feldspieler zum Einsatz gekommen bin.“ 2010 beim 1:1 gegen Wacker Burghausen gab er nach vielen Ausfällen eine Stunde lang an der Seite von David Alaba und Christoph Knasmüllner den Rechtsaußen. „Louis van Gaal hat mich gelobt“, erzählte er damals der Süddeutschen. Es folgen noch zwei Einsätze als Tormann in der 3. Liga, dann muss er 20-jährig erkennen, „dass ich wahrscheinlich doch zu klein bin für Deutschland. Im ersten Moment war es natürlich nicht leicht, aber dann habe ich mir gesagt: Ich habe meine Ausbildung bei einem der weltbesten Vereine genossen. Es geht weiter.“

Wie Neuer und Nübel nur umgekehrt

Und es ging weiter. In Wattens. Nachdem er 2011/12 auf Anhieb zum besten Torhüter der Regionalliga West gewählt wird, will Ferdi es noch einmal in der Heimat versuchen. Er ruft seinen Ex-Tormanntrainer Bernd Dreher an, der mittlerweile auf Schalke arbeitet. „Der hat mich bei den Amateuren vorgeschlagen.“ So ging er den umgekehrten Weg von Neuer und Nübel von München nach Gelsenkirchen. „Ich muss sagen, seit diesen zwei Jahren bin ich ein Fan von Schalke. Wie die ganze Stadt den Verein lebt, das kann man sich hier gar nicht vorstellen.“

Nach zwei Jahren entscheidet er sich gegen die Ersatzbank in der Bundesliga und für das Spielen. „Wattens hat Ambitionen gezeigt, in die 2. Liga aufzusteigen, also bin ich zurück.“ Er musste es nie bereuen. Wattens marschierte durch bis in die Bundesliga, der Oswald ein gutes Zeugnis ausstellt: „Aus der Sicht des Deutschen sage ich: Die Bundesliga kommt hier viel zu schlecht weg. Gerade wenn man sie mit der 2. Deutschen Bundesliga vergleicht. Da wird auch manchmal ein Rotz gespielt, aber vor 30.000 Zuschauern, die es auch dort gibt, schaut das halt noch immer lässig aus.“

Nach insgesamt acht Jahren bei der WSG haben allerdings Tirol und Wattens einen ganz besonderen Platz in seinem Herzen eingenommen: „Ich fühle mich wohl hier und bin zufrieden. Ich darf, auch wenn’s grad nicht so angenehm ist, den schönsten Beruf der Welt ausüben. Es fasziniert mich einfach noch immer, durch die Gegend zu fliegen, sich in den Dreck zu werfen und Bälle zu fangen. In jedem Spiel Held oder Depp sein, das ist schon auch eine gute Challenge“, hat Ferdinand Oswald nicht vor, seinen Arbeitsplatz so schnell zu wechseln. Wär ja auch etwas ungünstig, jetzt wo er gerade Österreicher geworden ist…

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