Thomas Silberberger: „Vom Sauhaufen in die Honeymoon-Phase“

24. May 2022 in ADMIRAL Bundesliga

Schon die Teilnahme am Finale des Playoffs um den letzten Europacup-Startplatz ist für die WSG Tirol der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Bis es so weit war, musste Thomas Silberberger aus einem „Sauhaufen“ eine Mannschaft bilden, die in ihrem „Flow“ auch Rapid gefährlich werden kann. Wie er das gemacht hat und warum eine EC-Teilnahme das Ende der Fahnenstange wäre, erzählt der WSG-Trainer auf bundesliga.at.

 

Herr Silberberger, der 2:1-Sieg gegen den LASK im EC-Playoff war nicht unbedingt zu erwarten. War er dem berühmten „Flow“ geschuldet?

Würde ich schon sagen, wir sind absolut im Flow. Wir sind extrem aggressiv gegen den Ball, wir lassen wenig zu und die Abläufe funktionieren blind. Wir sind wirklich in Hochform. Und die Mannschaft will den Traum von Europa noch länger leben.

Dabei war Ihre Mannschaft vor einigen Monaten noch ein ziemlicher „Sauhaufen", wie Sie selbst gesagt haben?

Das waren wir! Beim 0:5 auswärts gegen Sturm waren wir wirklich ein Sauhaufen. Dazu noch das Interview von Raffael Behounek, da haben wir alles andere als ein gutes Bild abgegeben. Jetzt sind wir eine Mannschaft, in der jeder für jeden alles gibt. Auf diese Entwicklung bin ich schon stolz. Es war ein langwieriger Prozess. Es ist nicht so einfach, jedes Jahr zehn bis 14 neue Spieler in die Mannschaft zu integrieren, auf ihre Charaktere einzugehen. Wir hatten fünf Spieler, die kein Deutsch gesprochen haben, das ist schon eine Challenge. Da gab es im Herbst auch Phasen, wo es zum Beispiel mit Giacomo Vrioni nicht so gut geklappt hat. Aber jetzt ist er wieder in einer Honeymoon-Phase.

Mit 18 Toren fehlt der Juventus-Leihgabe nur noch ein Tor auf Karim Adeyemi…

Er hat für uns, die WSG Tirol, praktisch so viele Tore geschossen wie Adeyemi, der fast 40 Millionen kostet, für Red Bull Salzburg. Mit Vrioni und im Vorjahr Baden Frederiksen hat uns Juventus schon zwei Wahnsinnsaktien überlassen, von denen zuerst wir sehr profitiert haben und mit denen die Juve dann ein Bombengeschäft gemacht hat beziehungsweise machen wird. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir im Sommer wieder eine heiße Aktie kriegen werden.  

Sie sind jetzt seit neun Jahren bei der WSG, andere Trainer haben sich nach spätestens drei Jahren abgenützt. Wie gelingt es Ihnen jedes Jahr wieder eine Mannschaft zum Funktionieren zu bringen? Haben Sie das gelernt, ist das eine Gabe?

Ich glaube, das steckt in mir drin. Mich hat immer massiv gestört, dass meine Trainer – und ich habe mit Skocik, Elsner, Köppel, Krankl, Constantini, Starek, Ljupko Petrovic, Backe usw. durchaus prominente gehabt – nie mit den Spielern geredet haben. Mit Wechselspielern schon gar nicht. Als junger Spieler wartest du doch darauf, dass dich der Trainer in den Arm nimmt und dir sagt, was du gut gemacht hast, dass du deine Chance kriegst, wenn du so weiter machst. Und damals gab’s das auch nicht, dass man selber zum Trainer hingeht und fragt: „Können wir reden?“ Wenn heute ein Junger nicht spielt, kommt zuerst der Berater und dann der Spieler. Das war damals undenkbar. Du musst als Trainer aber auch Sachverhalte in aller Einfachheit rüberbringen. Ich werde meinem Spieler nie sagen, dass er eine diametral abkippende Sechs spielen muss, ich werde immer versuchen, ihm in einfachen Worten zu sagen, was er zu tun hat und was ich von ihm verlange. Da bin ich vom alten Schlag.

Sie sind vom alten Schlag, wie bleiben Sie trotzdem up to date?

Man ist eigentlich ständig im Austausch mit Trainerkollegen. Die Pro-Lizenz hat mir extrem viel gebracht, aber man muss sich sowieso ständig weiterbilden. Das wichtigste ist aber, du musst Fußball 24/7 leben. Da muss auch die Familie mitmachen. Wenn ich am Samstag ein Spiel gehabt habe, ist klar, dass ich mir am Sonntag auch noch die restlichen Spiele der Bundesliga anschauen muss. Das gehört einfach zur Arbeit des Trainers dazu.

Sie sind mit der WSG Tirol aufgestiegen, waren im Vorjahr in der Meisterrunde, jetzt geht es um die erste Europacup-Teilnahme, wohin kann die Reise noch gehen?

Ich habe beim sechsten Platz im Vorjahr schon von unserem größten Erfolg gesprochen, aber dass wir jetzt um einen Europacup-Startplatz spielen, toppt das noch einmal. Aber jetzt ist fertig. Von den Rahmenbedingungen, vom Budget her, geht nicht mehr. Eine Europacup-Qualifikation wäre das Höchste. So realistisch muss man sein, dass wir nie zu Red Bull Salzburg aufschließen werden. Auch nicht zu den beiden Wiener Großklubs, zu Sturm und zum LASK. Das sind schon fünf Vereine, die immer größer sein werden als wir. Der WAC hat vorgezeigt, wie man es gut ausnützen kann, wenn einer dieser Klubs einmal auslässt. Aber normal kommen wir da nie hin.

Wieviel Europa halten Sie für machbar? Eine Qualifikationsrunde, die Gruppenphase?

Daran verschwende ich noch keine Gedanken. Es wäre schon ein cooles Erlebnis, wenn wir einfach einmal dabei sind. Und wenn’s dann vielleicht nur ein Match in Aserbaidschan wird, ist es auch okay.

Sie selbst haben in den 1990er Jahren mit dem FC Tirol denkwürdige Spiele wie das 2:0 gegen La Coruña bestritten. Was sind Ihre Erinnerungen?

Wir haben damals mit dem FC Tirol auch die Piefke-Saga geschrieben, weil wir im damaligen UI-Cup, ich glaube, als erste österreichische Mannschaft, hintereinander Leverkusen, Köln und in einem Freundschaftsspiel auch noch 1860 München geschlagen haben. Auch mit dem GAK gegen Inter Mailand und Austria Salzburg gegen Standard Lüttich habe ich wunderbare Spiele erlebt. Das sind schon Spiele, an die man gerne zurückdenkt.

Die beiden Spiele gegen Rapid sehen Sie als „Bonusspiele“, der ganze Druck liegt bei Rapid?

Ich habe es schon nach dem LASK-Spiel gesagt: Der schwere Rucksack steht in Hütteldorf. Das hat mir der Didi bestätigt. In Wahrheit hat uns dort doch gar keiner auf der Rechnung gehabt Wenn du in Wien 1.000 Leute gefragt hättest, hätten 999 vom Duell gegen Didi Kühbauer geredet. Aber jetzt, wo wir schon da sind, wollen wir wieder extrem giftig auftreten, daheim alles reinwerfen und das Spiel so gestalten, dass dann in Wien alles möglich ist.

Gegen den LASK waren rund 2.700 Zuschauer auf dem Tivoli, wieviele erhoffen Sie sich am Donnerstag gegen Rapid?

Die 2.700, die gegen den LASK da waren, haben schon für eine außerordentlich gute Stimmung gesorgt, gegen Rapid wäre es schön, wenn wir die Zahl verdoppeln könnten. 6.000 bis 7.000 wären überragend. So viele Fußball-Feste gab’s für Tiroler Fans in den letzten Jahren ja nicht zu feiern.

Sehen Sie mittelfristig die Möglichkeit, das Zuschauerinteresse an der WSG zu steigern?

Ich glaube schon, dass es eine Chance gibt. Die Kids, die heute zwischen acht und 15 Jahren alt sind, kennen den FC Wacker ja nur mehr als Zweitligist. Da haben wir als Klub der ADMIRAL Bundesliga schon einen Vorteil, den wir auch versuchen werden zu nützen.

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