LASK: Zurück aus der Hölle

3. May 2023 in ADMIRAL Bundesliga

Anfang des Jahrzehnts stürzte der LASK in die Regionalliga ab und wandelte am Abgrund des Konkurses. Doch statt aufzugeben, fand er neue Freunde und spielte sich in Trance.

 

Es ist eine Niederlage, mit der der LASK seine Rückkehr verkündet. Am 26. April 2017 gastieren die Linzer beim SK Rapid im Halbfinale des ÖFB Cups. Sensationell ist der Lauf des Zweitligisten bis dahin gewesen, auch in Hütteldorf dominiert der LASK das Spiel. Selten gelingt es Rapid, sich aus dem Linzer Pressing zu befreien. Das Führungstor der Wiener, eine Viertelstunde vor Schluss, ist bezeichnenderweise eine Einzelaktion von Thomas Murg. Doch der LASK steckt nicht auf – und wird belohnt. René Gartler gleicht in der ersten Minute der Nachspielzeit aus. Extase unter den Schwarz-Weißen, auf dem Feld und den Rängen. Der Gästesektor, mit 1.600 Fans randvoll, explodiert. Zwei Minuten später reißt Rapids Stürmer Joelinton die Anhänger aus ihrer Trance. Er trifft zum 1:2, aus dem Finaleinzug wird nichts. Doch eines ist nach diesem Abend endgültig klar: Der LASK ist wieder da. Schon fünf Tage zuvor hatten die Linzer den Aufstieg in die Bundesliga fixiert, 19 Punkte Vorsprung auf den Zweiten, die Lustenauer Austria, hatte man sich erspielt. Die Mannschaft von Trainer Oliver Glasner um Peter Michorl, Fabiano und Gartler brachte den LASK in jene Liga zurück, zu deren Stamminventar er gehörte – und aus der er sechs Jahre zuvor abgestiegen war. Der Aufstieg ist den Linzern aber noch lange nicht genug.

Schwanenstädter-Exil

Radovan Vujanovic kommt zum LASK, als der Klub am Boden liegt. Im Frühjahr 2012 war den Linzern die Lizenz entzogen worden, erstmals in seiner Geschichte musste der Verein in die Regionalliga absteigen. Präsident Peter-Michael Reichel, seit dem Jahr 2000 im Amt, bestimmte über die Geschicke, unter den Fans war er verhasst. Reichel führte den LASK wie ein Familienunternehmen, mitentscheiden ließ er niemanden. Auch für Vujanovic war es in den Jahren zuvor nicht so gut gelaufen. Bei Hansa Rostock geriet er nach einem Trainerwechsel aufs Abstellgleis, auch eine Leihe zu Preußen Münster in die dritte deutsche Liga verlief nicht nach Wunsch. „Als ich von dem Angebot aus Linz gehört habe, musste ich nicht überlegen“, sagt er. „Ich wusste, was für eine große Tradition der Verein hat.“

Überzeugt war Vujanovic auch von seinem neuen Trainer, Karl Daxbacher, den er aus gemeinsamen Jahren bei der Wiener Austria kennt. Das Team dominiert die Regionalliga. Mit einem Sieg am letzten Spieltag fixiert es am 31. Mai 2013 die Meisterschaft, mit 32 Toren wird Vujanovic Torschützenkönig. Doch aus dem sofortigen Wiederaufstieg wird nichts. In der Relegation trifft der LASK auf den Meister der Regionalliga West, den FC Liefering. 0:2 verlieren die Linzer das Hinspiel in Salzburg, sie starten dennoch ambitioniert ins Heimspiel. „Und dann haut uns der Ramalho nach vier Minuten den Ball ins Kreuzeck“, sagt Vujanovic. „Sie waren einfach besser als wir.“ Andre Ramalho ist nicht der einzige Kicker im Kader der Lieferinger, der später Karriere machen wird. Auch Stefan Lainer und Nikola Dovedan stehen im Aufgebot der Salzburger, sie gewinnen das Rückspiel 3:0. Zur sportlichen Niederlage kommt die finanzielle Notsituation. Der LASK wandelt am Rande des Bankrotts, immer wieder müssen die Spieler monatelang auf ihr Gehalt warten. Um Geld zu sparen, hatte Reichel schon ein Jahr zuvor den Auszug aus der Gugl befohlen und im Herbst 2012 vier Heimspiele in Schwanenstadt austragen lassen – 45 Autominuten von Linz entfernt. „Es war die Hölle, aber wir haben uns nicht entmutigen lassen“, sagt Vujanovic. „Diesen Zusammenhalt werde ich nie vergessen.“

Freundliche Übernahme

Sportlich läuft es auch in der Saison 2013/14 gut, dabei hat der LASK starke Konkurrenz. Mit drei Punkten Vorsprung auf Tabellenführer Pasching geht das Team in die Winterpause. Am Weihnachtstag 2013 bekommen die Fans das größte Geschenk schon am Vormittag: Reichel gibt nach 13 Jahren an der Spitze des Klubs die Führung ab. Sein Nachfolger als Präsident wird der Welser Wolf-Dieter Holzhey. Er ist einer von 14 Freunden des LASK, jener Gruppe an Unternehmern, die den LASK und seine Verbindlichkeiten übernehmen und ihn auf neue Beine stellen wollen. Auch der Steuerberater Siegmund Gruber gehört zu ihnen. Wie entfesselt geht der LASK danach in die Rückrunde. Nur ein einziges Spiel verliert er im Frühjahr, am vorletzten Spieltag steht er abermals als Meister fest. Und diesmal geht auch in der Relegation nichts schief. 10.000 Zuschauer kommen zum Rückspiel gegen den SC/ESV Parndorf, sie sehen das 1:0 von Vujanovic und feiern nach dem Spielende, ein 1:1 hat den Linzern gereicht. „Es war so eine Erleichterung“, sagt der Stürmer. „Wir haben uns belohnt.“ Daxbacher wird über das Feld getragen, Holzhey erwischt eine Bierdusche.

Wenige Monate nach der Partie wird er zurücktreten, doch die Struktur der „Freunde“ hat den Verein von Einzelpersonen unabhängiger gemacht. Von Beginn an spielt der LASK auch in der zweiten Liga oben mit. Anfang März liegt die Mannschaft einen Punkt hinter Tabellenführer Mattersburg. Dann aber zeigt die Klubführung ihre Ambitionen und dass ihr öffentlicher Widerspruch wenig ausmacht: Der Verein entlässt Aufstiegscoach Daxbacher. Kurzzeitig übernimmt Martin Hiden, zu Saisonende stellt der LASK dann Oliver Glasner vor. Mit aller Macht hatte Sportdirektor Jürgen Werner davor um dessen Dienste gekämpft, bis er ihn aus der Bundesliga, von der SV Ried, loseisen konnte. „Sicher habe ich gewusst, dass ein Wechsel zum Erzrivalen einigen Leuten nicht schmecken wird“, sagt Glasner. „Aber ich musste die Entscheidung treffen, die für mich passt. Das Projekt LASK hat mich überzeugt.“

Vertrauensbeweis

Glasner erhält freie Hand, und der bestens vernetzte Werner kann ihm jene Spieler vermitteln, die er benötigt. Glasner will jenes System, das er bei Red Bull Salzburg als Assistent von Roger Schmidt verinnerlicht hat, auch beim LASK zur Anwendung bringen. Im Sommer 2015 kommen mit Michorl, Gartler, Reinhold Ranftl und Christian Ramsebner vier Spieler, die den Klub auf Jahre prägen werden. Vujanovic verlässt ihn, er geht zum SV Horn. Die erste Saison unter Glasner wird zum Zweikampf mit einem alten Bekannten. Mit dem von Karl Daxbacher trainierten SKN St. Pölten matchen sich die Linzer um den Aufstieg, drei Runden vor Schluss kommt es zum Showdown. Drei Punkte beträgt der Rückstand des LASK, das Spiel in der niederösterreichischen Landeshauptstadt ist seine letzte Chance. Aber die Mannschaft verschläft die erste Viertelstunde, in der 13. Minute geht St. Pölten mit 2:0 in Führung. Die mitgereisten Fans sind zahlreich und denken nicht ans Aufgeben. Nach dem Anschlusstreffer steht nicht nur der Gästesektor, sondern auch die benachbarte Hintertortribüne. Der LASK dominiert das Geschehen auch auf dem Feld, doch in den entscheidenden Situationen ist er zu unkonzentriert. Glasners Mannschaft verliert 2:3. Als die Niederösterreicher eine Woche später den Aufstieg fixieren, tanzt Daxbacher auf dem Rasen. „Aber wir waren am richtigen Weg“, sagt Glasner. „Das hat auch die Klubführung gesehen.“

Er bleibt trotz der bitteren Niederlage im Amt. Die folgende Saison gleicht einem Siegeszug. Nach dem zehnten Spieltag hat das Team 23 Punkte auf dem Konto, zur Winterpause führt es drei Zähler vor dem FC Liefering und vier vor der Lustenauer Austria die Tabelle an. Auch im Frühjahr lassen die Oberösterreich nicht nach, dank eines 3:0 Heimsieges über Liefering fixieren sie schon in der 30. Runde den Aufstieg. Siegmund Gruber, der mittlerweile zum Präsidenten aufgestiegen ist, weint am Spielfeldrand Tränen der Rührung. Die Niederlage gegen Rapid im Cup ist schmerzhaft, aber sie ist dennoch eine Bestätigung des Weges, den der LASK eingeschlagen hat.

Transfers für die Zukunft

Dem Verein gelingt es nach der Aufstiegssaison, den Kern der Mannschaft zusammenzuhalten – und sich am Transfermarkt weiter zu verstärken. Thomas Goiginger kommt vom Stadtrivalen Blau-Weiß Linz, Gernot Trauner von der SV Ried und James Holland aus China. Dass die sportliche Führung auch an die Zukunft denkt, zeigt ein anderer Wechsel. Sie holt Alexander Schlager, ausgebildet bei Red Bull Salzburg, vom Floridsdorfer AC, bei dem er davor zeitweise sogar nur auf der Bank gesessen hatte. „Das Angebot hat mich gefreut“, sagt er. „Aber es war auch klar, dass ich Zweiergoalie bin.“ An Kapitän Pavao Pervan gibt es für den 21-Jährigen kein Vorbeikommen. Stattdessen kann er sich im Training weiterentwickeln und sein Selbstvertrauen wieder aufbauen. Der LASK versteckt sich in der Bundesliga nicht, er spielt von Beginn an vorne mit. Am siebten Spieltag gewinnt das Team gegen den SK Sturm vor 6.000 Zuschauern in der Raiffeisen-Arena, den Siegestreffer erzielt Maximilian Ullmann, der seit der Regionalliga für die Linzer spielte. Sie überwintern auf dem fünften Tabellenplatz, am Ende der Saison werden sie Vierter.

Im darauffolgenden Sommer muss die Mannschaft erstmals Rückschläge hinnehmen, sie sind Folge der starken Leistungen. Tormann Pervan hat sich mit seinen Leistungen für die deutsche Bundesliga empfohlen und wechselt zum VfL Wolfsburg. Und in der Qualifikation für die Europa League dringt sie in die dritte Runde vor, scheitert dort aber nach einem Gegentor in der letzten Minute des Rückspiels an Besiktas. 14.000 Zuschauer sehen das Spiel, die Gugl ist ausverkauft. Doch die Fans vergessen nicht, wo sie hergekommen sind: Sie bleiben lange nach dem Schlusspfiff, minutenlang halten der Applaus und die Gesänge nach dem Abpfiff an. Alexander Schlager, der neuer Stammtormann ist, erinnert sich: „Das war schon unwirklich. Du hast geglaubt, dass du träumst.“

Zurück an der Spitze

Die Welle des Erfolgs, auf der der LASK surfte, sie trägt ihn immer weiter. In der Saison 2018/19 wird er Vizemeister, es ist die beste Platzierung seit dem Meistertitel 1965. Er qualifiziert sich damit für den Europacup, erstmals seit 2000 ist die Mannschaft damit wieder in einem europäischen Bewerb vertreten. Und auch wenn Erfolgstrainer Glasner im Sommer 2019 ebenfalls nach Wolfsburg wechselt, hört das Team nicht auf, Spiele für sich zu entscheiden. Die Linzer gewinnen nicht nur die Gruppe vor Sporting Lissabon, sie setzen sich auch im Sechzehntelfinale gegen AZ Alkmaar durch. Außer Red Bull Salzburg war das in Österreich seit 15 Jahren keiner Mannschaft gelungen. Am 12. März 2020 steht das Achtelfinale gegen Manchester United an, als die Welt stehen bleibt. Das Coronavirus zwingt den Fußball, seinen gewohnten Gang einzustellen. Zwar wird das Hinspiel auf der Gugl noch ausgespielt – und geht mit 0:5 verloren –, danach wird aber nicht nur der Europacup, sondern auch die nationale Liga unterbrochen. Dort liegt der LASK zu diesem Zeitpunkt sechs Punkte vor Serienmeister Red Bull Salzburg. Fünf Wochen steht die Welt des Fußballs still, nach mühsamen Verhandlungen und unter strengen Auflagen dürfen die Bundesligisten Ende April den Betrieb wieder aufnehmen.

Dann macht der LASK einen Fehler: Unerlaubterweise führt er Mannschaftstrainings durch, Aufnahmen davon erreichen die Bundesliga und die Medien. Die Aufregung ist groß, vier Punkte werden der Mannschaft abgezogen. Der große Titel blieb den Linzern bislang verwehrt – die Saison beenden sie 2020 als Vierter, 2021 verliert das Team im Cupfinale gegen die Salzburger –, doch sie haben sich als Spitzenmannschaft im österreichischen Fußball etabliert. Im Sommer stößt ein alter Bekannter wieder zum Klub: Radovan Vujanovic ist seither Sportdirektor des LASK. „Als die Anfrage kam, habe ich keine Sekunde lang überlegt“, sagt er. „Wenn man einmal gemerkt hat, was dieser Verein bewegen kann, dann verfällt man ihm.“

 

Redakteur: Moritz Ablinger

Foto: GEPA pictures

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