Marc Girardelli ist einer der erfolgreichsten Skirennläufer aller Zeiten. In Sachen rundes Leder ist der Luxemburger aus Lustenau glühender grün-weißer Austrianer. Dabei war das Verhältnis anfangs mit seinem Heimatklub etwas unterkühlt. Dem Bundesliga Journal verriet der 59-Jährige, auf welchen Fußballer er mal sehr eifersüchtig war.
Seine Erfolgsstory ist in unzähligen Interviews oder Büchern längst auserzählt, hat aber auch 26 Jahre nach seinem offiziellen Rücktritt nichts an Strahlkraft verloren. Mit 16 Jahren der Krach mit dem ÖSV, der im Wechsel zum luxemburgischen Verband mündete. Gemeinsam mit seinem Vater und Trainer Helmut eroberte er fortan die Skiwelt. Mit fünf Gesamtweltcupsiegen, 46 Rennsiegen (in allen fünf Disziplinen) und 13 Medaillen bei WM und Olympia hat sich Marc Girardelli in die ewige Bestenliste ganz oben eingetragen. Neidisch blickte die Skination Österreich auf den Einzelkämpfer.
Der Kampf um die Laufbahn
Schon während seiner Zeit als Rennsportler war der gebürtige Lustenauer, der seit drei Jahren seinen Hauptwohnsitz in Liechtenstein 20 Autominuten von Lustenau entfernt hat, ein Mann der klaren Worte. Ehrgeizig, erfolgsbesessen und keinem Konflikt ausweichend. Diese Eigenschaften hat er sich beibehalten, auch wenn bei Erzählungen über Anekdoten von damals mittlerweile stets der Schmäh mitrennt. Etwa, wenn er über sein Verhältnis zu Austria Lustenau Mitte der 1990er-Jahre zu sprechen kommt. Denn dieses sei damals „zwiespältig“ gewesen. „Ich war es gewohnt, mein Konditionstraining auf der Leichtathletikbahn im Reichshofstadion abzuhalten. Ich pflegte auch ein gutes Verhältnis zum örtlichen Turnverein Jahn. Aber mit der Zeit wurden immer mehr mobile Tribünen aufgebaut und ich konnte nur mehr eingeschränkt laufen. Das hat mich gewurmt – und die Leichtathleten auch.“ Es war die Zeit, als sich seine Karriere langsam dem Ende zuneigte und die Kicker in der Marktgemeinde immer populärer wurden, vor allem beim weiblichen Geschlecht. Ein besonderer Dorn im Auge war Girardelli dabei der Isländer Helgi Kolvidsson – damals besonders auffallend durch seine lange blonde Haarpracht. „Ich habe mich gefragt, was alle an diesem Isländer bloß so toll finden. Nach mir hat sich praktisch keiner umgedreht, wenn ich trainiert habe – und der macht allein durch seine Anwesenheit alle Frauen verrückt. Da war ich schon sehr eifersüchtig.“
Erinnerungen an 1997
Mit dem erstmaligen Bundesliga-Aufstieg der Grün-Weißen 1997 – im Februar desselben Jahres gab Girardelli offiziell seinen Rücktritt bekannt – packte schließlich auch ihn das Fußballfieber. Gleich bei der Premiere wurde der regierende Meister Salzburg mit 2:0 vor 11.000 Zuschauern aus dem Stadion geschossen. „Da war der ganze Ort auf den Beinen. Ich habe gemerkt, dass der Klub weitaus mehr Fans ins Stadion lockt als ich“, muss der siebenfache Weltmeister heute schmunzeln. Girardelli sieht die Austria als wichtigen gesellschaftlichen Faktor für Lustenau. „Sonst gibt es relativ wenig, wo junge und ältere Menschen zusammenkommen und gemeinsam feiern können.“ Und er lobt auch die Atmosphäre im Reichshofstadion: „Ich habe schon einmal den Ehrenankick vorgenommen.“ Dabei sorgte Marc damit für etwas familiären Unfrieden, stammt doch sein Vater – wie früher auch sein Großvater – aus dem Lager des örtlichen Konkurrenten FC Lustenau. „Vor allem mein Großvater war eingefleischter FC-Fan, er war sogar Ehrenmitglied. Aber für mich war und ist immer die Austria im Herzen, weil ich zu Trainingszwecken mein halbes Leben im Reichshofstadion verbracht habe.“
Das traditionelle „Glashus"
Über das traditionelle „Glashus“, dem VIP-Klub im Stadion, gerät er besonders ins Schwärmen. „Virgler Bratwurst mit Brot, Erdäpfelsalat und Lustenauer Senf – allein beim Gedanken läuft mir schon das Wasser im Mund zusammen“, verrät Girardelli im Gespräch mit dem Bundesliga- Journal. Ein Augenschmaus war für ihn auch die abgelaufene Herbstsaison seiner Grün-Weißen. „Zwei Mal Altach im Derby geschlagen, Rapid die Stirn geboten, das kann so weitergehen. Der Klassenerhalt ist sicher möglich und in ein paar Jahren, wer weiß, vielleicht geht es ja auch mal in Richtung Europacup.“
Erfahrungen weitergeben
Und der Klub weiß auch, was er am berühmten Sohn der Gemeinde hat. 2018 etwa lud Girardelli im Braukeller der Mohrenbrauerei die Fußballprofis spontan zu einem Vortrag ein. Der fünffache Weltcup-Gesamtsieger gab dabei Einblicke in seine erfolgreiche Karriere und Tipps, worauf es ankommt, um als Sportler an die Spitze zu kommen. Und da sind wir auch schon bei den Gemeinsamkeiten des Skisports mit dem runden Leder. „Vom Mentalen her ist da nicht viel Unterschied. Du musst am Punkt bereit sein und deinen Mann stellen. Und du musst mit Druck umgehen können. Da unterscheidet sich der Einzel- vom Mannschaftssport wenig.“ Selbst die Fußballschuhe für ein Hobbykickerl schnüren, das kommt für ihn allerdings nicht infrage. „18 Operationen liegen hinter mir, da muss ich Vorsicht walten lassen.“ Er kann sich aber noch gut daran erinnern, als der Fußball seinerzeit im Skizirkus gängiges Gesprächsthema war. „In der Hauptsaison machte der Fußball ja Pause, aber als wir im Spätherbst begonnen hatten, am Gletscher zu trainieren, haben wir uns am Abend sehr oft zusammengesetzt und Champions League geschaut. Da war was los, weil da sind Schweizer, Italiener, Österreicher oder Deutsche an einem Tisch gesessen. Da wurde viel herumgeblödelt. Die Deutschen haben stets damit provoziert, dass die Österreicher nicht Fußball spielen können, und die Österreicher haben damit gekontert, dass die Deutschen dafür nicht Skifahren können.“
Eigene Skimode
Auch wenn Girardelli, der seit fast vier Jahren mit der ehemaligen Langläuferin Laurence Rochat aus Lausanne liiert ist, seit 1997 „Skipensionist“ ist, herrscht um den gebürtigen Lustenauer immer noch ein G’riss. TV-Stationen, Zeitungen oder Sportler buhlen vor Rennen um seine Expertisen. Hauptberuflich widmet sich Girardelli der Organisation von Ski-Events (am bulgarischen Weltcuport Bansko ist er mitbeteiligt) sowie dem Vertrieb seiner eigenen exklusiven Skimodebekleidung „Marc Girardelli“. Neben Privatpersonen rüstet man auch Skiklubs, Firmen oder Weltcuporte aus. „Unser Lager befindet sich in Lustenau, deshalb bin ich nach wie vor oft und gerne hier. Der Kontakt zu meiner alten Heimat ist nie abgebrochen.“
Fotos: GEPA pictures