Herr Prilasnig, sind Sie schon zurück vom Homeless World Cup in Seoul?
Nein, ich hänge noch eine Woche in Japan dran, wo ich bei meinem Freund und ehemaligen Sturm-Kollegen Ranko Popovic bei den Kashima Antlers hospitiere.
Österreich war 2003 ja sogar Weltmeister, wie ist es diesmal gelaufen?
Streetfootball Austria war diesmal mit einem Frauen- und einem Männer-Team vertreten. Mit dem Männer-Team, das ich betreut habe, sind wir Dritter in unserer Vierergruppe geworden und haben danach um die Plätze 9 bis 16 aus 36 Teilnehmern gespielt. Seit ich 2004 das erste Mal dabei war und wir in Göteborg Vizeweltmeister geworden sind, hat sich das Turnier sehr stark weiterentwickelt. Es ist mittlerweile richtig schwer geworden, in die Top 8 zu kommen. Aber der sportliche Erfolg ist hier ja nicht das Wichtigste. Wichtig ist, dass wir im Idealfall das Selbstwertgefühl der Teilnehmer so weit stärken, dass sie ihr Leben wieder in die Hand nehmen und wir ihnen mithilfe unserer Sponsoren sogar wieder einen Job vermitteln können. Das gelingt ganz gut. Und das ist auch für nächstes Jahr wieder unser Ziel, wenn wir mit neuen Teams in Oslo spielen. Denn beim Homeless World Cup darf jeder Spieler nur einmal teilnehmen, um möglichst vielen Menschen eine Chance auf dieses Erlebnis zu geben.
Haben Sie dann Sturms Start in die Champions League überhaupt verfolgen können?
Vom Brest-Spiel habe ich tatsächlich nichts mitgekriegt, da bin ich gerade im Flieger nach Seoul gesessen. Auch Brügge geht sich noch nicht aus, aber ich freue mich schon auf das Spiel gegen Girona, da werde ich dabei sein. Mit Jan-Pieter Martens, der jetzt Chef der Scouting-Abteilung bei Club Brügge ist, hab’ ich aber schon gesprochen, wenn auch nicht wirklich viel über seine neue Mannschaft. Er weiß auch, dass ich immer einen guten Draht zu Chris Ilzer hatte, dass ich oft bei ihm in der Kabine bei den Analysen dabei war. So viel Profi ist Jan-Pieter, dass er mir nichts erzählt, was Brügge schaden könnte. Und so transparent wie der Fußball mit den Scouting- und Tracking-Plattformen heute ist, wäre aber wahrscheinlich ohnehin nichts dabei gewesen, was Chris Ilzer nicht ohnehin schon weiß. Dass Brügge stark ist, ist schon klar, sonst wären sie nicht in der Champions League. Aber wenn man zuhause gegen Brügge spielt, kann man sich eher ausrechnen, drei Punkte zu machen als vielleicht gegen Real Madrid.
Das wissen Sie seit 1998 ja aus eigener Erfahrung.
Wir sind im ersten Jahr bei der Auslosung in der Kabine gesessen und haben gejubelt, weil wir mit Real Madrid, Inter Mailand und Spartak Moskau drei super Mannschaften zugelost bekommen haben. Aber wenn du dann nur einen einzigen Punkt gegen Spartak machst und gegen Real 5:1 und 6:1 verlierst, ist das schon nicht so klass’. Da kann man bei allen nachfragen, die dabei waren. Diesmal hat sich bei Sturm nach der Auslosung ein wenig Enttäuschung breit gemacht, dass die großen Kracher fehlen, aber dafür gibt es eine realistische Chance, dass mehr Punkte herausschauen.
Ihre Generation musste also auch einiges Lehrgeld in der Champions League zahlen, bis im dritten Jahr der sensationelle Aufstieg gelang. Was war Ihr Highlight bei diesen Spielen?
Im dritten Jahr haben wir mit Monaco, Galatasaray und Rangers zwar klingende Namen in der Gruppe gehabt, aber die ganz großen Kaliber waren das nicht mehr. Da haben wir uns schon leichter getan als gegen die absoluten Topspieler. Und mit der Erfahrung aus den ersten zwei Jahren ist es uns sogar gelungen, aufzusteigen. Der Aufstieg und mein einziges Champions-League-Tor gegen die Glasgow Rangers waren sicher meine persönlichen Highlights. Mein Tor gegen die Rangers war noch dazu das zum 2:0. Es ist nicht mehr lange gegangen, deshalb hatten wir damit den Sieg und den Aufstieg praktisch in der Tasche. Ein anderes Highlight war unser erstes Spiel in Old Trafford, 1999. Wir haben 1:2 verloren, aber United war damals das Nonplusultra und das Stadion bis auf den letzten Platz gefüllt. Das war schon ein Erlebnis, weil bei Real und auch bei Inter war das Stadion fast leer. Auch in Schottland gegen die Rangers war die Stimmung großartig. Aber dort war das Ergebnis kein Highlight. Da sind wir 0:5 unter die Räder gekommen.
Haben Sie mitbekommen, dass Jon Gorenc Stankovic sich verletzt hat und länger ausfällt? Wie schwer wiegt der Ausfall des Kapitäns?
Ja, das habe ich mitgekriegt. Die Ausfälle von Stankovic und auch Wüthrich sind ein großer Verlust. Weil das zwei sehr erfahrene Spieler sind und bei Sturm seit Jahren auf höchstem Niveau spielen. Man wird sehen, wie es Chris Ilzer gelingen wird, diese Ausfälle zu kompensieren. Andererseits hat er heute einen Kader, den wir damals in dieser Breite nicht gehabt haben.
Aber „magisches Dreieck“ hat er keines?
Das würde ich in der Art, wie wir es gehabt haben, nicht sehen. Aber Chris hat einfach eine Idee von Fußball, zu der jeder seinen Teil beitragen muss. Bei ihm ist ganz klar, was er von jeder Position erwartet. Nur so kommen auch diese Erfolge zustande. Es war beeindruckend zu sehen, wie er die Mannschaft von Jahr zu Jahr besser gemacht hat.
Gibt es einen aktuellen Spieler, den Sie damals gerne in Ihrer Mannschaft gehabt hätten?
Eigentlich wollte ich jetzt Kiteishvili sagen, aber von diesem Typ Spieler haben wir ohnehin einige gehabt. Aber es ist sowieso kaum noch zu vergleichen. Es ist eine andere Zeit und der Spielstil von Ilzer ist doch auch ein ganz anderer als der von Ivica Osim.
Aber gegen Scherpen und Biereth hätten Sie wahrscheinlich nichts einzuwenden gehabt?
Mika Biereth kommt nicht zufällig von Arsenal, das hat er schon im Frühjahr bewiesen. Jetzt sind die Erwartungen in ihn sehr hoch, weil er auch viel Geld gekostet hat. Ich habe das Gefühl, er tut sich noch ein bisschen schwer damit, weil das ist schon ein Druck. Bei Scherpen ist vor allem phantastisch, wie schnell er nach seine Kreuzband-OP wieder fit war und dass in seinem Spiel kaum ein Unterschied zu vorher zu bemerken ist. Eigentlich gar keiner. Er ist ein großer Rückhalt und weiß seine Stärken gut einzusetzen. Hoffentlich auch gegen Brügge.
Fotos: GEPA pictures