29. Apr. 2022
5 Thesen im Schmidt-Check: Part of this fucking job!
Seit sieben Spielen ist Klaus Schmidt Trainer der TSV Egger Glas Hartberg – und hat es mit zuletzt zwei überzeugenden Siegen geschafft, die größte Abstiegsangst aus der Profertil Arena zu verbannen. „Das waren starke Statements der Mannschaft, die sechs Punkte tun uns gut. Unsere Mission erfüllt haben wir damit aber noch nicht“, sagt der 54-Jährige, der vor Kurzem das vergleichsweise gemütliche SKY-Studio mit der manchmal harten Trainerbank in der ADMIRAL Bundesliga getauscht hat. Wir haben Schmidt mit fünf Thesen konfrontiert und ihn gebeten, uns unverblümt seine Meinung dazu kundzutun. Herausgekommen sind spannende Innenansichten eines in zehn Jahren Bundesliga gestählten Übungsleiters.
These 1: Bundesliga-Trainer ist der geilste Job der Welt
„Volle Zustimmung“, sagt Schmidt. „Aber es lauern auch Gefahren und Tücken.“ Von denen er nach so vielen Jahren wahrlich mehrere Lieder singen kann. „Wenn du daheim gegen Altach 4:0 gewinnst, bekommst du so viel zurück, dass du denkst: Das ist der Job, den ich ein Leben lang machen will. Dabei verdrängt man die fürchterlichen Momente, in denen du Spieler oder Spiele verlierst, Tief- und Rückschläge verdauen musst. Man muss solche Glücksmomente genießen und aufsaugen, um auch mit den anderen Momenten gut umgehen zu können.“ Schmidt hat in Hartberg beide Extreme erlebt, musste sich zu Beginn seines Engagements mit Sieglos-Serien und Torsperren herumschlagen. „Und trotzdem habe ich das Engagement nie bereut, weil wir es ja immer geschafft haben, andere Teams in der Verlosung (Anm.: im Abstiegskampf) zu halten.“ Den Job als TV-Experte würde Schmidt übrigens jederzeit als zweitgeilsten Job der Welt bezeichnen, da er ihm irrsinnig viel Spaß gemacht hat. „Ich habe dort eine Sichtweise auf den Fußball kennengelernt, die mir heute hilft.“
These 2: Am Anfang muss die 0 stehen
„Dazu stehe ich“, sagt Schmidt. Die Zahlen sprechen auch eine deutliche Sprache. Kassierten die Hartberger vorher im Schnitt fast 1,5 Tore pro Spiel, sind es unter ihm gerade einmal 0,43. Für ihn eine logische Herangehensweise. „Mannschaften, die in der Situation von Hartberg stecken, kassieren zu viele Gegentore und schießen zu wenige eigene. An beidem gleichzeitig kann man in der Kürze der Zeit nicht arbeiten. Und es ist wesentlich einfacher, einem Team defensive Stabilität zu vermitteln und damit Punkte zu holen, als zu versuchen, sich in der Offensive viele Chancen zu erarbeiten.“ Bis jetzt ist Schmidt mit dieser Taktik immer gut gefahren, wobei er betont, dass man die Herangehensweise nicht wie eine Schablone über jede Mannschaft legen kann. „Ich versuche immer, auf die individuellen Persönlichkeiten einzugehen. Man kann einen Rene Swete in Hartberg und einen Andreas Leitner bei der Admira nicht über einen Kamm scheren, obwohl beide tolle Typen und hervorragende Keeper sind.“
These 3: Im Abstiegskampf zählen Erfahrung und Nervenstärke

„Schaden kann es nicht, wenn man als Trainer oder Spieler schon durch das eine oder andere Stahlbad gegangen ist“, meint Schmidt. Und trotzdem: An den Druck im Abstiegskampf gewöhnt man sich wohl nie. Der Steirer hat dafür ein Bild parat: „Wenn du so einen Job übernimmst, greifst du mit zwei Fingern in die Steckdose. Und solange die Mission nicht erfüllt ist, steckst du drin. Ich schätze, das geht allen so.“ Das sei weder gesund noch lebensverlängernd, „ist aber nun mal ‚part of this fucking job‘. Abstiegskampf begleitet dich 24/7, wenn du nachts aufwachst, ist der erste Gedanke: Wie kann ich dieses oder jenes Problem lösen?“ Auch für die Spieler eine prägende Erfahrung. Schmidt: „Nehmen wir Dario Tadic. Bevor er jetzt zweimal nacheinander getroffen hat, hatte er elf Spiele lang kein Erfolgserlebnis. Nicht leicht, in so einer Phase mit sich klarzukommen.“
These 4: In Hartberg ticken die Uhren anders
Für den in Österreich weitgereisten Klaus Schmidt ist der Slogan vom kleinen, familiären Klub gelebte Realität. „Das wird von Präsidentin Brigitte Annerl und Sportchef Erich Korherr vorgelebt und setzt sich in der Mannschaft fort. Bei uns in der Kabine wird gelacht, geweint, gestritten und sich auch manchmal abgebusselt – alles wie bei der Familie daheim.“ Dabei sind die genannten Protagonisten von ihrer Art her komplett unterschiedlich. „Annerl ist extrovertiert und setzt ihre kommunikativen Stärken ein. Korherr ist dagegen zurückhaltend und wählt seine Worte mit viel Bedacht.“ Eine Mischung, die funktioniert. „Wäre das nicht der Fall, hätten sie den finanziell beschränkten Klub nicht vier Jahre lang ganz oben halten und so nach vorne entwickeln können.“
These 5: Ein Klaus Schmidt steigt nicht ab
Klaus Schmidt würde diese These gerne etwas anders formulieren. „Ich sage lieber: Ich bleibe oben“, wählt er die positivere Ausdrucksweise. Das ist ihm in seiner Karriere bis jetzt bei jeder Station gelungen, das soll auch in Hartberg so bleiben. Und dann würde er sich wünschen, länger bleiben und etwas aufbauen zu können. „Die nervenaufreibende Mission, nicht abzusteigen, ist klasse, wenn es gelingt. Aber es wäre auch schön, in eine Sommervorbereitung zu gehen und bei der einen oder anderen Kaderentscheidung mitbestimmen zu können.“ Denn bis jetzt hat er meist mit Kadern gearbeitet, „die ich in keiner Weise zusammengestellt habe. Es wäre auch mal super, selbst Leute ins Boot zu holen, von denen ich weiß, dass sie uns weiterhelfen.“ Mit der Tatsache, dass die Europacup-Qualifikation (je nach Ausgang des Cupfinales) nur wenige Punkte entfernt ist, will er sich dagegen nicht befassen. „My mission is: hold the league! Vor unseren beiden Siegen haben gefühlt 70 Prozent der Leute gesagt, Hartberg steigt ab. Wenn der Klassenerhalt gelingt, ist alles was dazu kommt ein absolutes Zuckerl.“