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23. Okt. 2025

Ernst Dospel - FK Austria Wien

Austria-Legende Dospel: „Im Herzen sehr weh getan!“

Wenn am Sonntag (17 Uhr, live auf Sky) in der 11. Runde der ADMIRAL Bundesliga Austria Wien auf den FC Red Bull Salzburg trifft, werden auch bei Ernst Dospel Erinnerungen an die Saison 2005/06 wach. Vor genau 20 Jahren begann der Rückzug von Frank Stronach bei den Veilchen und die Mozartstädter spielten ihre erste Saison unter der Ägide des Getränkeproduzenten – und dennoch gelang den Veilchen unter dem legendären Trainer-Duo „Stönkels“ der Meistercoup. Wir sprachen mit dem Verteidiger, der 344 Bundesliga-Spiele in den Knochen hat und heute als Akupunktur-Masseur in seiner eigenen Praxis arbeitet, über die Austria damals und heute.

Vor der Saison 2005/06 stieg Red Bull als großer Sponsor in Salzburg ein. Bei der Austria neigte sich dagegen die Ära von Frank Stronach langsam dem Ende zu. Wie war die Gemengelage vor dieser Saison aus Ihrer Sicht?

Vor Saisonbeginn war noch keine Rede davon, dass Frank Stronach sich jetzt wirklich zurückzieht, obwohl es diese Gerüchte ja immer gab. Und wir haben schon registriert, dass in Salzburg etwas ganz Großes entstehen soll, das war absehbar. Wir hatten bei der Austria in dieser Zeit grundsätzlich die Erwartungshaltung, Meister zu werden – von außen, aber auch von innen. Der Meistertitel war immer unser Ziel. Dass wir es nicht öfter geschafft haben, lag an den vielen Nebengeräuschen, der Unruhe und der Fluktuation im Verein. Dass wir das Ziel in dieser Saison dennoch erreicht und sogar das Double geholt haben, war super; danach begann aber gleich der Ausverkauf.

Was war im Nachhinein das Erfolgsgeheimnis der Mannschaft, warum hat es in dieser Saison geklappt?

Das hat mehrere Gründe. Salzburg kam noch nicht so ins Rollen wie erwartet. Wir dagegen kamen in einen Lauf uns haben es ausgenutzt, dass es keinen richtig großen Konkurrenten gab. Wenn ich an die Jahre davor denke, als wir beispielsweise einen Joachim Löw als Tabellenführer entlassen haben, weil wir einmal in Kärnten verloren haben… Das war schon der Wahnsinn! Jeden Sommer kamen zwölf neue Spieler, im Winter wurde getauscht, auf der Trainerbank gab es keine Konstanz…

Die große Konstante waren Sie als Kapitän.

Genau, ich kam mit 14 Jahren zur Austria, war 16 Jahre beim Verein, hab einiges mit der Austria erlebt. Wir hätten in der Zeit viel mehr Titel gewinnen können mit den Mitteln, die uns zur Verfügung standen – wenn wir damals die Konstanz reingebracht hätten, die später bei Red Bull Salzburg geherrscht hat. 

Betreut hat euch in der Saison das legendäre Duo „Stönkels“, bestehend aus Frenkie Schinkels und Peter Stöger. Wie war die Aufgabenteilung der Beiden?

Ernst Dospel mit Schinkels

Es war schon so, dass Frenkie das ganze Training gemacht hat und für die Steuerung zuständig war. Peter Stöger war oft dabei, hat aber mehr die Agenden eines Sportdirektoren übernommen. Auch die Besprechungen kamen großteils von Frenkie, wobei sich Peter Stöger immer eingebracht hat, wenn es sinnvoll war. Die Beiden haben sich das perfekt aufgeteilt, das hat wirklich sehr gut funktioniert.

Schinkels war damals auch für seine kessen Sprüche bekannt…

Er war sicher kein Trainer wie jeder andere, und das war auch gut so. Er war einer mit Ecken und Kanten, immer für einen Spruch gut, hat auch mal Interviews gegeben, wenn er eine Botschaft hatte. Seine Ansprachen waren immer pointiert. Typen wie ihn gibt es heute kaum noch, das finde ich sehr schade. 

Gab es in der Saison einen speziellen Moment, an dem Sie gemerkt haben, dass etwas Großes gelingen kann?

Wie gesagt, wir waren grundsätzlich immer auf den Titel ausgerichtet. Aber der Verein war eben immer auch eine Wundertüte. Wenn du zum Training fuhrst, wusstest du nie, ob noch alle da sind oder ob es eine Krisensitzung gibt. Selbst nach Siegen war die Kritik laut, wenn wir nicht gut genug gespielt haben – das kann sich heute ja niemand mehr vorstellen. Wir als Mannschaft hatten immer den Anspruch, den Titel zu holen. 

Ernst Dospel feiert Meistertitel

Sie selbst haben im Herbst eine Verletzung erlitten, von der Sie sich lange nicht erholt haben.

Ich hatte in den ein, zwei Jahren zuvor schon immer wieder Probleme mit dem Schambein und den Adduktorenansätzen. Die vielen Spiele, auch mit dem Europacup, haben ihren Preis gefordert. Oft bin ich über den Schmerz gegangen, hab durchgebissen. Auf einmal ging es gar nicht mehr. Ich musste dann einige Monate pausieren, kam erst im Frühjahr wieder langsam in die Mannschaft. 

Am Ende stand der Titel, es war Ihr zweiter nach 2003 unter Christoph Daum. Hat eine der beiden Meisterschaften eine höhere Wertigkeit für Sie?

Nein, Titel ist Titel! Es ist mir auch egal, wie man ihn gewinnt – wer nach 36 Runden, die damals gespielt wurden, vorne ist, hat sich den Teller auf jeden Fall verdient. Klar, unter Daum war es mein erster Titel, da war das Gefühl vielleicht spezieller, weil ich es nicht kannte. Aber von der Wertigkeit gibt es keinen Unterschied.

Nach der Saison haben Sie die Austria nach 16 Jahren verlassen und sind erst zu Sturm Graz, nach einem halben Jahr dann zu Pasching gewechselt.

Vom Herzen her fiel mir das sehr schwer! Ich hatte nicht vorgehabt wegzugehen, wollte meine Karriere bei der Austria beenden. Außer es wäre etwas wirklich Großartiges gekommen wie 2001, als Celta de Vigo angefragt hat. Da hätte ich den Sprung in eine Top-Liga gewagt, aber die Austria hatte zu hohe Ablöseforderungen. Aber die Umstände ließen es nicht anders zu, als zu gehen. Es wurde kommuniziert, dass alle nur noch 50 Prozent ihrer Gage bekommen sollen, ohne mit wem direkt zu sprechen. Ich war Kapitän, 16 Jahre im Klub – da erwartet man sich eine andere Art der Gesprächsführung und etwas mehr Anerkennung. Deswegen habe ich entschieden, dass ich nicht mehr weitermachen möchten, auch wenn es im Herzen sehr wehgetan hat. Im Endeffekt kam es so, wobei ich die Stationen danach auf keinen Fall missen möchte (Anm.: nach Pasching spielte Dospel noch für Ried, die Admira und die Vienna).

Ernst Dospel Actionfoto im Wiener Derby

Kommen wir zur Gegenwart. Die Austria ist nach ganz starker vergangener Saison dieses Jahr schwer in die Gänge gekommen, hat sich aber wieder erfangen. Wie beurteilen Sie die Lage bei den Violetten?

Daran erkennt man, wie ausgeglichen die Liga ist und kein Verein eine echte Konstanz hineinbekommt. Es hieß ja schon, Rapid wird mit 15 Punkten Vorsprung Meister, jetzt plötzlich wurde die Krise ausgerufen… Die Austria hatte einen wirklich schwachen Start, trotzdem hat man am Trainer festgehalten und nicht wieder alles über den Haufen geworfen. Solch eine Konstanz hätte ich mir früher auch gewünscht. Aktuell sind Menschen am Werk, die nicht alles gleich über Bord werfen, das hat sich schon vergangene Saison bezahlt gemacht. Da dachte ja auch niemand, dass die Austria bis zur letzten Runde im Titelrennen ist.

Was ist heuer möglich?

Für die Austria gilt, wirtschaftlich auf gesunde Beine zu kommen und sportlich wieder in die Meistergruppe einzuziehen. Was darüber hinausgeht, ist Zugabe. Da muss man realistisch bleiben. Der Kader ist nicht so groß und stark, im Sommer musste verkauft werden. So eine Saison wie die letzte war toll für jeden Austrianer, entspricht aber nicht dem Stand der Dinge. Aktuell muss man sich alles hart erarbeiten, wirtschaftlich wie sportlich. 

Sie selbst haben sich komplett aus dem Fußballgeschäft zurückgezogen und betreiben als Heilmasseur eine Praxis für Akupunktur-Massage. Geht Ihnen der Fußball ab?

(lacht) Der Fußball vielleicht schon, aber das Fußballgeschäft überhaupt nicht. Das ist nicht immer förderlich für die Lebensqualität. Ich gehe ab und zu ins Stadion, das macht mir Spaß. Mehr brauche ich aber nicht mehr.

Text: Markus Geisler; Fotos: GEPA pictures