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14. Sept. 2022

Austrias Next Top-Talent

 

Ob Braunöder, Seiwald oder Zimmermann – die Klubs der ADMIRAL Bundesliga setzen immer mehr auf top ausgebildete Talente. Und die zeigen auf beeindruckende Weise, welch riesiges Potenzial in ihnen steckt. Wir holen sechs Liga-Stars von morgen vor den Vorhang und lassen Experten erklären, warum es in Österreich einen so außergewöhnlich großen Pool an starken Youngstern gibt.

 

Als Rapid Wien Ende Juni seine neue Plakat-Kampagne launchte, wurden zwei Spieler auf den riesigen Wänden präsentiert. Routinier Max Hofmann und Youngster Bernhard Zimmermann. Die Macher im Hintergrund haben sich nicht per Zufallsgenerator für diese Profis entschieden, sondern wissen ganz genau, wer bei den Fans positive Emotionen auslöst. Im Fall von Bernhard Zimmermann ist das durchaus erstaunlich. Vor einem Jahr nur Insidern des Hütteldorfer Kick-Kosmos bekannt, setzte der 20-jährige Stürmer in der abgelaufenen Saison ein paar Duftmarken, die es in sich hatten. Doppelpack in seinem erst zweiten Bundesliga-Einsatz gegen Austria Klagenfurt, insgesamt fünf Treffer in elf Spielen für die Kampfmannschaft. „Und dass, obwohl er in der 2. Liga gar nicht so eingeschlagen hat“, staunt Werner Gregoritsch noch heute darüber, dass Zimmermann in 44 Spielen für Rapid II gerade einmal sechs Treffer erzielte – eine überschaubare Quote. „Aber sobald er die Chance ganz oben bekommen hat, hat er gezeigt, welche Anlagen in ihm stecken. Für mich erfüllt er das Anforderungsprofil eines modernen Angreifers komplett: attackiert ständig, ist furchtlos, hat eine gute Schusstechnik.“

EIN STRAUSS LEICHTIGKEIT

Als Teamchef der österreichischen U21-Auswahl ist Gregoritsch so etwas wie der oberste Talentewächter des Landes. Er hat die Spieler schon im Blick, wenn sie noch kaum ein Fan auf dem Radar hat, führt Gespräche im Hintergrund, macht sich ein gesamtheitliches Bild über die Kicker und ihr Potenzial. Und hat dabei eine interessante Beobachtung gemacht. „Mir imponiert an dieser Generation, dass die Spieler es schaffen, Leichtigkeit und Frohsinn mit der Ernsthaftigkeit zu kombinieren, die nötig ist, um ein Profi zu werden.“

Bestes Beispiel: Felix Strauss. Es war wahrlich keine leichte Saison, die hinter dem CASHPOINT SCR Altach liegt. Abstiegskampf bis zur letzten Sekunde, Druck von allen Seiten, Trainerwechsel, Last-Minute-Entscheidungen. Und trotzdem stand der erst 21-Jährige in seiner Rookie-Saison in der Bundesliga seinen Mann. Er warf sich in jede Abwehrschlacht und erzielte sogar entscheidende Tore wie beim 2:2 gegen die Admira in der 96. Minute. Und wirkte dabei selten verbissen, sondern zeigte eine erstaunlich reife Ausstrahlung.

Der Lohn: Die Altacher Fans wählten ihn zum Spieler der Saison und zeigten damit ihre uneingeschränkte Wertschätzung. „Felix Strauss ist eines der Parade-beispiele, wie der Altacher Weg für junge, entwicklungsfähige Spieler aussehen kann“, lobt auch Sportchef Werner Grabherr, der den Verteidiger vor einem Jahr von Blau-Weiß Linz nach Vorarlberg lotste.

Klingt natürlich gut. Allein: Man muss sich auch trauen, diesen Talenten eine Chance zu geben. Und das passiert derzeit in der ADMIRAL Bundesliga wie in nur wenigen anderen Ligen der Welt. Das renommierte Schweizer „International Centre for Sports Studies“ (CIES) wies nach, dass der Anteil an U21-Spielern hierzulande bei 13,3 Prozent liegt. Lediglich die Ligen in Venezuela (18,8) und Dänemark (16,5) haben einen höheren Wert. Das ist auch vor dem Hintergrund erstaunlich, da der seit 2018 bestehende Modus dafür sorgt, dass permanent Spiele mit Entscheidungscharakter anstehen. Früher eine beliebte Ausrede, warum man lieber auf arrivierte Spieler mit Erfahrung setzt. Doch das ist ein Fall für die Mottenkiste. Gregoritsch hat einen bildhaften Vergleich aus der amerikanischen Basketball-Liga NBA parat. „Dort heißt es: Talente sind wie Orangen. Erst wenn sie unter Druck stehen und ausgepresst werden, erkennt man, wie gut sie wirklich sind. Das kann man schön auf unsere Situation umlegen.“

„ATTRAKTIVE BUNDESLIGA“

Wer seit Jahren Orangen der Güteklasse A in der Auslage hat, sind die Talenteforscher des FC Red Bull Salzburg. „In Österreich wird seit Jahren gute Arbeit in den Akademien geleistet und die Qualität der jungen Spieler, die dabei entwickelt wer-den, ist schon sehr hoch. Bei vielen Vereinen hat in den letzten Jahren auch ein Umdenken eingesetzt, denn es wird mehr auf eigene junge Spieler gesetzt“, sagt Sportchef Christoph Freund im Gespräch mit dem Bundesliga-Journal (siehe Interview). Und wirft noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein. Denn es kommen auch immer öfter sehr junge Top-Talente nach Österreich, da sie wissen, hier eine gute Ausbildung und Entwicklungschancen vorzufinden.

Freund: „Es gibt mittlerweile viele Spieler, die ihre Profi-Karriere sehr jung in Österreich gestartet haben und ausgehend von der österreichischen Bundesliga eine tolle internationale Karriere hingelegt haben. Die genannten Komponenten plus die aus meiner Sicht gute und professionelle Arbeit in den Klubs machen die Bundesliga für junge Talente sehr attraktiv.“ Die rot-weiß-rote Liga als Sprungbrett für eine große Karriere – Beispiele für diese These gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Erling Haaland (BVB, Manchester City), Kelvin Yeboah (Genua) oder die in diesem Sommer nach Leeds gewechselten Brenden Aaronson und Rasmus Kristensen so-wie Karim Adeyemi (Dortmund) haben diesen Weg höchst erfolgreich bestritten (siehe S. 19). Und sind doch nur einzelne Mosaiksteine eines großen Bildes.

ROLE MODEL SEIWALD

Doch Salzburg importiert nicht nur, sondern setzt genauso auf heimische Talente und schmiedet sie so, dass sie für eine Karriere im Profi-Business gerüstet sind. Role Model in dieser Angelegenheit: Nicolas Seiwald. Für Gregoritsch ist der 21-jährige Mittelfeldzangler ein Paradebeispiel, wie schnell es heutzutage gehen kann. „Als er im März 2021 zu mir in die U21 kam, war er hier nicht einmal Stammspieler. Ein Jahr später ist er selbst aus der A-Nationalmannschaft nicht mehr wegzudenken. Eine sensationelle Entwicklung.“ Selbst eine Knieverletzung konnte Seiwald vergangene Saison nicht stoppen, er absolvierte bewerbsübergreifend 47 Spiele –und da sind die Einsätze auf Nationalteamebene noch nicht einmal inbegriffen.

Logisch, dass Freund auf seinen Diamanten stolz ist, dient er ihm schließlich auch als Vorbild für viele andere junge Spieler. „Nici hat neben dem notwendigen Talent auch eine großartige Einstellung zum Fußball und eine tolle Mentalität. Diese Faktoren kombiniert mit der Ausbildung, die er in Salzburg seit vielen Jahren erhalten hat und immer noch erhält, machen ihn im Gesamtpaket zu dem außergewöhnlichen Spieler, der er jetzt schon ist.“ Auf 20 Millionen Euro taxieren die Kollegen von transfermarkt.at den Marktwert des Sechsers, Tendenz steigend. Er dürfte einer der nächsten Spieler sein, den der Ruf einer Top-4-Liga ereilen wird.

Bei Seiwald kommt hinzu, dass er trotz seines jungen Alters bereits auf drei Jahre Erfahrung im „Männerfußball“ zurückblicken kann. Im Mai 2019 bestritt er kurz nach seinem 18. Geburtstag sein erstes Match für den FC Liefering in der 2. Liga. Eine Erfahrung, die er mit seinem guten Freund Alexander Prass teilt. Die beiden gleichaltrigen Youngster feierten inner-halb von zwei Monaten beim Salzburger Kooperationsklub ihre Profi-Debüts. Doch während sich Seiwald in seinem Heimathafen etablierte, zog Prass aus, um bei Sturm Graz sein Glück zu suchen. Mit Erfolg. Vergangene Saison wurde er – nach leichten Startschwierigkeiten – zum unumstrittenen Stammspieler und war ein wichtiger Baustein im Erfolgskonstrukt von Christian Ilzer.

PROGRAMMIERTER LINKER

„Der Trainer hat mir erklärt, dass Ruhe ein wichtiger Faktor ist, der zum Erfolg führt“, sagt Prass. Und meint es durchaus im doppelten Wortsinn. Denn die Ruhe am Ball ist das eine, die Ruhe, die man bewahren muss, wenn man mal nicht spielt, das andere. Schwerer ist Zweiteres. „Ich hatte aber immer die Gewissheit, dass ich meine Chance bekommen würde, wenn ich konsequent dranbleibe.“ Gelassenheit und Lernfähigkeit – zwei weitere wichtige Bausteine, auf die es bei der Mutation vom vielversprechenden Talent zum gestandenen Profi ankommt.

Für Werner Gregoritsch ist Sturm derzeit ein nahezu ideales Pflaster für einen jungen Spieler. Das Umfeld gedeihlich, die Möglichkeit, auch auf internationalem Niveau Erfahrungen zu sammeln, vorhanden. Doch bei Prass kommt noch etwas anderes hinzu. „Er ist Linksfüßer, was immer noch Seltenheitswert hat. Die sind oft so programmiert, dass sie eine überragende Pass- und Schusstechnik haben, das ist bei ihm offensichtlich. Ein riesiges Talent in meinen Augen.“

ERST ÜBERFORDERT, DANN DER BESTE

Das gilt selbstverständlich auch für Matthias Braunöder, der in der abgelaufenen Spielzeit von der Bundesliga zum „Youngster der Saison“ gewählt wurde. Zu Saisonbeginn noch bei den Young Violets, dauerte es bis zur neunten Runde, ehe er erstmals in der Startelf der Austria stand. Und dann sofort abhob wie eine Rakete! Für Trainer Manfred Schmid war er fortan gesetzt, sechs Treffer bereitete er vor, einen erzielte er selbst. Und das im Derby gegen Rapid, als er schon in der ersten Minute zur Führung einschob.

„Niemand konnte sich vorstellen, dass die Austria eine so starke Saison spielt. Entscheidend dafür waren aber die Jungen“, lobt Gregoritsch. Und erzählt eine Anekdote, die viel über das Entwicklungspotenzial Braunöders aussagt. „Wir haben im Herbst gegen Kroatien gespielt, da musste ich ihn zur Halbzeit rausnehmen, weil er überfordert war. Danach hat er sich genau angehört, was wir ihm zu sagen hatten. Beim Rückspiel im Frühjahr war er der beste Mann auf dem ganzen Platz.“

Übersicht, Zweikampfstärke, Sicherheit am Ball – mit diesen Eigenschaften schaffte er es, sich in Windeseile einen Namen zu machen. Kommt der Kopf bei einer so rasanten Entwicklung überhaupt hinterher? „Mir ist schon bewusst, dass alles ganz schön schnell gegangen ist“, sagt Braunöder mit der ihm eigenen Gelassenheit. „Vielleicht sollte man sich manchmal noch mehr Zeit nehmen, um all diese Dinge zu verarbeiten. Aber eigentlich genieße ich es einfach.“

SABITZERS WIN-WIN-DEAL

Eines haben alle genannten Talente gemeinsam. Sie haben zwar ein erstes Ausrufezeichen gesetzt und dafür auch eine Menge Lob eingeheimst – doch jetzt kommt es darauf an, die guten Leistungen zu bestätigen. Das gilt in besonderem Maße für Thomas Sabitzer. Weil er vor einem Jahr das Gefühl hatte, beim LASK nicht so recht weiterzukommen, ließ er sich an die WSG Tirol verleihen. Ein absoluter Win-Win-Deal! Mit neun Toren (das letzte aus-gerechnet im Europacup-Play-off gegen die Linzer) wurde er zum zweitbesten Torschützen unter Thomas Silberberger und trug seinen Teil dazu bei, dass die Wattener eine sorgenfreie Saison spielten.

„Die Leihe hat sich für mich total ausgezahlt. Ich habe mich zu einem absoluten Stammspieler entwickelt, der bis auf ein paar Spiele wegen Problemen an der Achillessehne und einer Corona-Erkrankung alle Partien absolviert hat“, sagte der Angreifer dem „Kicker“. Jetzt geht es zurück zum LASK, wo es gilt, die Welle weiterzureiten. Was ihm Gregoritsch durchaus zu-traut: „Er hat mit Didi Kühbauer einen Trainer, der viel von ihm verlangt und einen Klub, der ambitioniert ist und etwas gutzumachen hat. Wenn er körperlich zu-legt und mehr Konstanz in sein Spiel bekommt, stehen ihm alle Türen offen.“

Schafft er den endgültigen Durchbruch? Gilt es, Rückschläge zu verkraften? Rücken weitere Talente, die jetzt noch niemand auf dem Schirm hat, nach? Es gehört zu den spannendsten Fragen der kommenden Saison, wie es im Rennen um Austria’s next Top-Talent weitergeht.