15. Feb. 2021

BL-Journal: Die neue Normalitt
Ein Kommentar von Mathias Slezak
Es gibt Sätze, die man nicht hören möchte, wenn man vom Frisör zurückkommt. „Ich kann nicht hinschauen - wah, wie du ausschaust!“, gehört definitiv dazu. Das scherzhafte Urteil seiner Frau Waltraud - festgehalten auf Video - konnte Anfang Dezember aber weder die Laune von WAC-Präsident und Neo-Glatzkopf Dietmar Riegler, noch jene von „Figaro“ Alexander Kofler trüben. Schließlich war Rieglers neuer Look das Ergebnis einer Wette - bei der es eigentlich gar keine Verlierer gab.
Wenige Stunden zuvor war Frisör Kofler noch Tormann und hatte den Kasten im entscheidenden letzten Spiel der Europa-League-Gruppenphase gegen Feyenoord Rotterdam sauber gehalten, vorne traf Dejan Jovelic und sorgte für den erstmaligen Aufstieg der Lavanttaler in die K.o.- Phase - und dafür, dass der Präsident nach dem größten Erfolg der Klubgeschichte seinen Wetteinsatz vor versammelter Mannschaft einlösen und Haare lassen musste.
Neben den Wolfsbergern ist auch der FC Red Bull Salzburg im Frühjahr noch im internationalen Geschehen vertreten. Wie ein Jahr zuvor haben die Mozartstädter auch in dieser Saison in der UEFA Champions League gute Figur gemacht, über weite Strecken mit den ganz Großen auf Augenhöhe gespielt und sich mit Rang drei und dem Umstieg in die K.o.-Phase der Europa League belohnt. Damit haben bereits zum dritten Mal in Folge zwei österreichische Teams international überwintert.
Und es hätten sogar noch mehr sein können. Denn auch Rapid hatte bis zum Schluss noch Aufstiegschancen und scheiterte erst am letzten Gruppenspieltag im direkten Duell um den Aufstieg an Molde. Und dem LASK blieb mit einer Bilanz, die in den meisten Gruppen zum Aufstieg gereicht hätte - zehn Punkte, darunter ein fulminantes 3:3 gegen Tottenham - am Ende nur Rang drei. Jede Menge Anerkennung bekam auch der TSV Prolactal Hartberg für sein mutiges Auftreten beim Europacupdebüt in der Qualifikation gegen Piast Gliwice.
Neben den Resultaten wurden starke Einzelleistungen der rot-weiß-roten Akteure honoriert. WAC-Kapitän Michi Liendl wurde nach seinem Hattrick in Rotterdam ins Team der Runde und zum Europa-League-Spieler der Woche gewählt, zudem schafften Zlatko Junuzovic, Gernot Trauner, Ercan Kara und Yevgen Cheberko den Sprung in ein „Team of the week“.
All das ist Teil der neuen österreichischen Europacup-Normalität. Mittlerweile sind im Frühjahr oft noch mehr österreichische Teams im Bewerb, als vor einigen Jahren überhaupt den Sprung in eine Gruppenphase geschafft haben. Neben Salzburg waren dies in den vergangen drei Jahren der WAC, der LASK und Rapid. Gleich neun Vereine haben in den letzten fünf Saisonen Punkte für Österreich gesammelt. Diese breite Basis an international erfolgreichen Klubs macht sich auch in der UEFA-Fünfjahreswertung bezahlt, die Österreich in dieser Saison mit großer Sicherheit in den Top 10 beenden wird. Eine gute Ausgangsposition, die Lust auf mehr macht. Die im Hinblick auf die neue Europacup-Konstellation mit der Conference League ab Sommer aber nicht schaden kann. Denn diese wird die Kluft zwischen den großen und den kleineren Ligen nicht unbedingt verringern. Das neue Selbstverständnis, mit dem die österreichischen Klubs international auftreten, macht aber zuversichtlich, dass in Zukunft nicht nur Köpfe, sondern weiterhin auch Gegner rasiert werden.
Dieser Text ist in der Frühjahrs-Ausgabe 20/21 des Bundesliga-Journals erschienen. Die aktuelle Ausgabe mit sämtlichen Geschichten, Interviews und den Stories zu allen Bundesliga-Klubs erhalten Sie im Zeitschriftenhandel oder bequem und preiswert im Abo: https://www.bundesliga.at/de/medien/bundesliga-journal/journal-abo/
