10. Feb. 2022

BL-Journal: Ein Frhjahr wie damals
„1983/84. War das die Saison…?“, fragen sie alle am Anfang des Gesprächs – Karl Daxbacher, Kurt Garger und Walter Hörmann. Und ja, es war die Saison, in der letztmals drei österreichische Klubs im Europacup überwintert haben.
Text: Horst Hötsch
Für Walter Hörmann und Sturm Graz war es die Saison, die wie ein Märchen begonnen, aber mit einer der bittersten Niederlagen geendet hat. Der Aufstieg gegen Sportul Studentesc war noch erwartbar, „obwohl dort der erst 18-jährige Hagi spielte“, erinnert sich der heutige Sportdirektor des Steirischen Fußballverbandes. Laszlo Szokolai und der viel zu früh verstorbene Gernot Jurtin erledigten die Sache schon auswärts mit einem 2:1-Sieg. Die beiden waren es auch, die in der nächsten Runde Hellas Verona aus dem UEFA-Cup schossen. Weil sie nicht auf Trainer Gernot Fraydl gehört haben, wie Hörmann erzählt. „Er hat uns eingetrichtert, es keinesfalls mit hohen Schüssen zu probieren, weil Veronas Garella die alle halten würde. Und dann haben wir zwei Mal ins Kreuzeck getroffen. Zuerst Szokolai und dann Jurtin aus gut 30 Metern.“
Nach dem 2:2 auswärts reichte ein 0:0 in Liebenau zum sensationellen Aufstieg. Im Achtelfinale konnte der gar erst 17-jährige Olaf Marschall im Dress von Lok Leipzig Hörmann & Co. nicht stoppen. Nach einem Jurtin-Doppelpack zum 2:0-Heimsieg rutschten die Grazer auch im Leipziger Schnee nicht mehr aus. Im Frühjahr wartete Nottingham Forest. Unter Brian Clough war der doppelte Meistercupsieger von 1979 und 1980 noch ein anderes Kaliber als heute. Sturm verlor auf dem City Ground nur 0:1 und glaubte in Liebenau an das Unmögliche, nachdem sich Bozo Bakota die Chance eines Elfmeters auch gegen Hans van Breukelen nicht hatte entgehen lassen – 1:0! Verlängerung.

„Die berühmte 114. Minute“, kennt Walter Hörmann sein Stichwort. „Ich springe im Strafraum hoch, um mit dem Kopf zu klären. Da unterläuft mich Steve Hodge und ich kann gar nicht anders, als auf ihn drauf zu fallen.“ Der Schiri zeigte auf den Elferpunkt „Yushka!“, hat Hörmann seinen Namen auch nach fast 40 Jahren nicht vergessen. „Man hat schon während des Spieles gemerkt, dass er tendenziell gegen uns Kleine pfeift.“ Colin Walsh verwertete. „Das war tragisch für mich. In der Kabine sind Tränen geflossen. Trainer Fraydl hat mir versichert, dass ich nix dafürkonnte, aber das hat kaum geholfen.“ Auch nicht, dass der Pfeifenmann eine Polizeieskorte brauchte, um den aufgebrachten Sturm-Fans zu entkommen. Schwacher Trost: Nottingham schied im Semifinale gegen Anderlecht aus. Jahre später gestand der Schiri dieser Partie, dass er von den Belgiern „gekauft“ war.
ENDSTATION „ELEPHANT MAN“
Für Kurt Garger und Rapid war es die Saison „vor dem Europacup-Finale“. Sie endete im Viertelfinale gegen Dundee United. „Da waren wir das erste Mal die bessere Mannschaft, und ausgerechnet da sind wir ausgeschieden.“ In der ersten Runde war der FC Nantes nach Wien gekommen, um nach dem Meistertitel auch in Europa zu reüssieren. Aber die Franzosen hatten nicht mit dem bereits 35-jährigen Antonin Panenka gerechnet. Der schnippelte ihnen einen Freistoß und einen Weitschuss ins Netz und setzte noch einen genialen Eckball drauf, den Max Hagmayr nach kurzer Abwehr zum 3:0-Endstand nützte. „Es stimmt schon, der Antonin konnte nicht mehr rennen wie ein 20-Jähriger, dafür kann kein 20-Jähriger solche Freistöße schießen“, würdigt Garger seinen begnadeten Kollegen.

Auswärts wäre es fast noch einmal eng geworden, aber wieder ein Panenka-Freistoß hielt die Niederlage (1:3) im Rahmen. Gegen seinen Ex-Klub Bohemians hielt sich „Tonda“ nobel zurück, doch ein frühes Krankl-Tor in Hütteldorf sicherte Rapid nach einem 1:2 in Prag das Überwintern. Gegen Dundee United waren die Grün-Weißen siegessicher. Die Schotten hatten keinen großen Namen, erlebten unter Jim McLean, der die „Tangerines“ 1983 zum bis heute einzigen Meistertitel führte, aber gerade ihre Glanzzeit. Nach einem hart umkämpften 2:1-Heimsieg mussten sich Garger & Co. in Tannadice „nach tausend Kopfballduellen“ 0:1 geschlagen geben. Torschütze war ein gewisser Davie Dodds, den sogar die eigenen Fans als „Elephant Man“ besangen, weil er … nicht gerade als Model taugte.
DAXBACHERS PROHASKA-MOMENT
Die Saison 1983/84 war für die Austria und Karl Daxbacher „die legendäre mit Inter Mailand?“ Genau! Losgelegt haben die Violetten gegen Aris Bonneweg. Das 10:0 im Heimspiel, zu dem Daxbacher einen Treffer beisteuerte, ist bis heute Austrias höchster Sieg im Europacup. Wichtiger war sein Treffer in Laval. „Wir wollten nur das 2:0 aus dem Heimspiel verteidigen und waren viel zu ängstlich“, sahen sich die Veilchen zur Pause 0:3 hinten. „Erst als es schon egal war, haben wir wieder Fußball gespielt.“ „Sir Karl“ leitete mit dem 1:3 den Umschwung ein, Baumeister doppelte nach und am Ende schaute sogar noch ein 3:3 heraus.
Noch besser im kollektiven Gedächtnis blieb sein Pass „Marke Prohaska“ im Rückspiel gegen Inter Mailand. „Den hat sich sogar mein Enkerl im Internet rausgesucht“, schmunzelt Daxbacher. „Dabei hatten Ernst Baumeister und ich als Manndecker im Mittelfeld von Wenzel Halama die Order, gar nicht über die Mittellinie zu gehen. Ich hab dann aber gesehen, dass der Herbert eine Anspielstation braucht und hab mich angeboten.“

Der Rest ist Geschichte. Nach seinem Idealpass machte Zoltan Magyar das 1:0. Inter gelang der Ausgleich, schied aber nach einem 1:2 in Wien aus. Die Fans randalierten. „Wir mussten zu zweit und zu dritt unter Schutzschildern in die Kabine gebracht werden.“ Ein Austria-Fan lag nach einer Messer-Attacke tagelang im Koma.
„Im Viertelfinale gegen den späteren Sieger Tottenham waren wir dann eigentlich ohne Chance“, gibt Daxbacher zu. Nach einem 0:2 an der White Hart Lane glaubten nur noch 17.000 im Wiener Prater an das Wunder, das nicht passierte. Nyilasis Ausgleichstor zum 2:2 reichte immerhin, um ihn mit acht Treffern zum Torschützenkönig der UEFA-Cup-Saison zu machen. „Die absoluten Top-Klubs waren nicht so meilenweit entfernt wie jetzt“, blickt der Ex-Austria-Trainer zurück. „Trotzdem war es eine Sensation, als wir 1978 ins Finale gekommen sind“, drückt er die Daumen, dass es Red Bull Salzburg, der LASK und auch Rapid (noch) besser machen als ihre Vorgänger vor 38 Jahren.
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