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04. Aug. 2021

BL-Journal: Mit der Kraft des EM-Siegers

Nach einer starken Saison, die im Gewinn des U21-EM-Titels mit Deutschland gipfelte, will Karim Adeyemi beim FC Red Bull Salzburg heuer voll angreifen. Dabei profitiert er auch von einem Tritt in den Hintern seines Ex-Trainers Jesse Marsch.

Text: Markus Geisler, Fotos: GEPA Pictures

Wie wichtig Flexibilität im Fußball ist, bekam Karim Adeyemi bei der U21-Europameisterschaft wieder einmal zu spüren. „Karim, du musst jetzt Linksverteidiger spielen“, raunte Trainer Stefan Kuntz dem Offensivgeist im Viertelfinale gegen Dänemark zu. „Da Josha Vagnoman in der Verlängerung Krämpfe bekam und ich der letzte Linksfuß auf dem Platz war, musste ich übernehmen“, sagt der 19-Jährige. Und kann heute herzhaft über diese Episode lachen, „auch wenn mein Stellungsspiel furchtbar war“, sagt er. „Aber das habe ich mit meiner Schnelligkeit wettgemacht.“

Dass das Spiel, wie auch das gesamte Turnier, gewonnen wurde, lässt die Geschichte in einem anderen, noch strahlenderen Licht erscheinen. Nur beim entscheidenden Elfmeterschießen gegen die Dänen ließ der Debütant gerne seinen Kollegen den Vortritt. „Das ist überhaupt nicht meine Stärke“, gibt er zu. „Auch in Salzburg halte ich mich da lieber raus.“

ZIEL: ZWEISTELLIG

Noch hat sich Adeyemi an den Titel „Europameister“ nicht gewöhnt. Aber der Stolz, diesen Titel auf der Visitenkarte zu haben, ist ihm deutlich anzumerken. Dass er deswegen mit noch breiterer Brust in die Saison geht, glaubt er allerdings nicht.

„Auch ohne den Titel wäre ich mit sehr viel Selbstvertrauen an die Sache herangegangen. Ich bin heiß darauf, hier zu spielen und dabei mitzuhelfen, das Double zu verteidigen“, sagt er. Selbstbewusstsein, das nicht von ungefähr kommt. In der vergangenen Saison, seiner ersten vollen im Dress der „Roten Bullen“, gelangen ihm (bewerbsübergreifend) neun Tore in 39 Pflichtspielen. „Ich bin zwar kein Spieler, der sich vorher große Ziele oder Marken setzt“, sagt er. „Aber eine Steigerung bei den Treffern sollte es schon sein.“ Was in seinem Fall bedeuten würde, mindestens zweistellig  abzuschließen.

Die Vorzeichen dafür stehen gut. Er kennt mittlerweile Liga und Gegner und hat mit Neo-Coach Matthias Jaissle schon im Youth-League-Team, bei dem der Deutsche Co-Trainer war, zusammengearbeitet. Dass mit Patson Daka der überragende Stürmer der Vorsaison den Klub Richtung England verlassen hat, ist für ihn persönlich auch kein Nachteil. „Er hat den nächsten Schritt gemacht, das freut mich für ihn. Aber eigentlich ist für mich nicht entscheidend, welche Stürmer außer mir noch im Kader sind, ich will mich immer von meiner besten Seite zeigen.“

KOPFWÄSCHE

Das ist ihm in der abgelaufenen Saison vor allem in der Schlussphase gelungen. Was wohl auch daran lag, dass der damalige Chefcoach Jesse Marsch ein ernstes Wörtchen mit ihm (und über ihn) redete. Beim Spiel gegen Sturm in der 19. Runde nahm er ihn noch vor der Halbzeit vom Feld und sprach auf Anfrage öffentlich davon, dass Adeyemi nicht bereit gewesen sei. „Er hat nicht gekämpft, hat jedes Duell und jeden Ball verloren. Das war nicht gut genug“, formulierte der US-Amerikaner ungewöhnlich scharf. Für Adeyemi ein Rückschlag. Aber einer, nach dem er nicht seinen gewaschenen Kopf in den Sand steckte, sondern aus dem er seine Lehren zog. „Ich habe verstanden, was er meinte, war auch beileibe nicht der Meinung, dass ich ein gutes Spiel gemacht hätte. Danach lief es jedenfalls deutlich besser.“

Kann man wohl sagen. Marsch, nicht nachtragend und trotzdem überzeugt von den Qualitäten seines Spielers, schenkte ihm gleich wieder das Vertrauen, der Angreifer zahlte es mit fünf Toren und ebenso vielen Assists zurück. Darunter zwei Treffer bei seinem Gala-Auftritt beim 3:0-Sieg bei Rapid. Ein Tritt in den Allerwertesten zur richtigen Zeit? „Kann man so sagen“, meint Adeyemi.

LOGISCHER SCHRITT

Gutes Timing bewies er auch, als er sich im Sommer 2018 entschied, den Schritt über die Grenze zu machen und von Unterhaching nach Salzburg zu wechseln. Und das, obwohl zwischen Barcelona und Liverpool alles hinter ihm her war, was im europäischen Fußball Rang und Namen hat. Doch für den damals 16-Jährigen waren weder der große Glamour noch die Verdienstmöglichkeiten der entscheidende Faktor. Sondern die Familie. „Ich wollte damals nicht zu weit weg von Zuhause, war außerdem von der Philosophie und den Möglichkeiten überzeugt. Deswegen war es für mich ein ganz logischer Schritt.“

Einer, den er nie bereuen musste, auch wenn er sich schon manchmal fragt, wie es ihm in Spanien oder England ergangenen wäre. „Klar, aber das ist ja alles spekulativ. Fantasieren muss ja erlaubt sein.“ Wohl wahr. Und Adeyemis Fantasie gibt durchaus her, dass er als U21-Europameister auch eine Rolle im deutschen Neuaufbau nach der Ära Löw spielen könnte. „Mit Hansi Flick kommt ein neuer Trainer, ich hätte nichts dagegen, wenn er mich nächste Saison mal anruft“, sagt er mit einem Lächeln auf den Lippen. Muss ja nicht gerade als Linksverteidiger sein.

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