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02. Aug. 2023

FC Blau Wei Linz: Nah(bar) an der Donau

Blau Weiß Linz wird das erste Pflichtspiel in seinem neuen Stadion in der ADMIRAL Bundesliga bestreiten. Ein Aufstieg wie aus dem Bilderbuch für einen Verein, der mit Christoph Peschek auf einen erfahrenen Mann in der Geschäftsstelle zurückgreifen kann. Und dessen Neo-Sportdirektor Christoph Schösswendter positiv-wehmütig in die Zukunft blickt. Ein Besuch.

 

Jo, schau, da is’ er, unser Messias“, sagt ein Fan mittleren Semesters und bedankt sich mit Händedruck und mit zum Statement passender demütiger Haltung. Der Messias, das soll Christoph Peschek sein, der nur freundlich lächelt, den Anhänger begrüßt und abwinkt: „Ach, nein, Messias wohl wirklich nicht.“ Fest steht, es hätte schlimmer laufen können für den langjährigen Rapid-Geschäftsführer. Im Februar wechselte er die Stadt an der Donau – von Wien ging es nach Linz zu Blau Weiß. Und heute, Anfang Juli, schüttelt er gefühlt mehr Hände als zu Politikerzeiten im Wiener Gemeinderat, um all die gut gelaunten Fans seines Vereins zu begrüßen. Es ist Stadioneröffnungstag der Stadt Linz. Erstmals dürfen die vielen Blau-Weiß-Anhänger ins neue Schmuckkästchen, das just zum erstmaligen Bundesliga-Aufstieg des 1997 gegründeten Vereins fertig wurde.

Antwort auf die Bodenversiegelung

„Ja, das Timing ist natürlich ideal“, sagt Peschek, der auch schon bei Rapid die Allianz Arena eröffnen durfte. Wir stehen mittlerweile für unser Interview auf der Fantribüne des neuen Hofmann Personal Stadions. 5.600 Zuschauer fasst die Arena, in der seine Linzer nur Mieter sind. Erbaut wurde die Arena von der Stadt, im untersten Geschoss baute eine große Möbelkette ihr Lager, das erst im Frühling 2024 in Betrieb gehen wird, dazwischen finden sich Geschäftsflächen mit Restaurants oder Fitnesscenter und obendrauf eben das Fußballstadion. Ein imposantes und zeitgemäß nachhaltiges Projekt, das eine mögliche Antwort auf fortwährende Bodenversiegelung im urbanen Raum ist. Die neue Heimstätte steht außerdem am Ort des früheren Donauparkstadions. Mit seiner Lage direkt an der Donau, gefühlt nur einen Steinwurf entfernt, erinnert es an das berühmte historische Craven Cottage des FC Fulham, das in London direkt neben der Themse steht.

Die Tradition des Arbeitervereins 

„Ich glaube, Blau Weiß hat großes Potenzial. Es ist großer Rückenwind da, eine Euphorie, die wir spüren“, sagt Peschek. „Wir wollen ein bodenständiger Klub sein, der aus der emotionalen Historie von VOEST Linz über harte Arbeit zum Erfolg kommt. Wir wollen nahbar sein und uns in der Bundesliga etablieren. Mit dem Stadion haben wir ein super Fundament.“ Eines ist ihm aber wichtig: „Wir wollen demütig bleiben.“ Das passt zur Geschichte des Klubs. 1997 entstand der Verein aus dem SV Austria Tabak, deren Werke, die mittlerweile Büros sind. Auch die Geschäftsstelle von Blau Weiß ist (noch) dort, ehe sie in Stadion zieht. Aber emotional ist Blau Weiß Linz, das weiß man nicht nur in Oberösterreichs Hauptstadt, der Nachfolgeverein von VOEST – und damit ein Arbeiterverein wie er im Buche steht. Und die Menschen, die haben Lust auf diese Art von ehrlichem Fußball – auch wenn nur wenige Kilometer entfernt beim LASK Europacup gespielt wird, in einem ebenfalls charmanten Neubau.

Die Aboverkäufe laufen überragend, an die 2.000 Dauerkarten waren bei Redaktionsschluss verkauft, von den zehn Skyboxen sind neun vergeben. „Und bei der letzten überlege ich, ob wir sie nicht zurückhalten für einen größeren Sponsor“, sagt Peschek, der auf die Wirtschaftskraft Oberösterreichs Bezug nimmt: „Hier ist auf jeden Fall Platz für zwei Klubs in der Bundesliga.“ Auch wenn Blau Weiß „nur“ Mieter ist im Hofmann Personal Stadion, ein bisschen mitreden durfte man naturgemäß. Eben beim VIP Bereich, aber auch der blaue Kunstrasen rund ums Spielfeld war etwa Pescheks Idee. Aber wie viele Ideen braucht es eigentlich von dem Mann, der 2013 bei Rapid als Vize-Präsident in den Vorstand kam und ab 2015 bis vergangenen Sommer Geschäftsführer Wirtschaft war beim – in Sachen Fanpotenzial und Mitgliedern – größten Fußballverein Österreichs? „Es ist natürlich ein großer Schritt, in die Bundesliga zu kommen. Wir haben zum Beispiel die Mitarbeiterzahl bereits verdoppelt – das klingt nach viel, wir stehen aktuell trotzdem erst bei sechs“, sagt er, wissend, dass bis Saisonstart noch welche dazu kommen werden. „Wir müssen hier sukzessive etwas aufbauen. Wir sind etwa bis zur U14 im Nachwuchs super aufgestellt, aber eine Akademie ist ebenso ein Thema wie eine höher spielende zweite Mannschaft – das ist aber im Zeithorizont von fünf Jahren ein Thema.“

Peschek muss unterbrechen und darf wieder einmal Hände schütteln. Eine der vielen Stadionführungen geht gerade zu Ende, einmal mehr sind es viele Gratulationen, die er entgegennehmen darf. Nur der Wind und ein drohendes Unwetter stört die Stimmung. Die geplante Autogrammstunde mit den Spielern als späterer Programmpunkt wird daher kurzerhand unter die Tribüne verlegt. Peschek verabschiedet sich, heute gibt es immerhin – wie eigentlich derzeit jeden Tag – viel zu tun. Dafür stehen zwei andere Protagonisten des Vereins bereit. Nur der kleine Moritz, der noch schnell ein Autogramm auf sein Trikot haben will, steht zwischen dem erneuten Eintritt ins Stadion und dem Interview mit den zwei Männern, die sportlich versuchen, Blau Weiß bundesligafit zu machen: Trainer Gerald Scheiblehner und Sportdirektor Christoph Schösswendter.

„Ein Wahnsinn und richtig Geil"

Schösswendter war in der Aufstiegssaison selbst noch als Spieler aktiv. Er hat in seiner langen Karriere viel gesehen. Bei Rapid und der Admira verbrachte er den Großteil seiner Karriere, aber auch beim aktuell sehr erfolgreich in der deutschen Bundesliga aufspielenden FC Union Berlin stand er unter Vertrag. Im Sommer wechselte er nach dem überraschenden Abgang von Mannschaftsarchitekt Tino Wawra zu Aufstiegs- und Ligakonkurrenz St. Pölten den Kabinenspind gegen den Schreibtisch. „Es ist schon ein Wahnsinn und richtig geil, was wir hier für eine Heimstätte haben“, sagt Schösswendter, nachdem er auf der Tribüne Platz genommen hat. „Wenn ich hier so sitze und das Stadion sehe, muss ich schon sagen: Es ist Wehmut dabei, hier nicht mehr als Spieler einzulaufen. Aber der Trainer will mich ja nicht mehr“, sagt er, lächelt und schaut zu Scheiblehner hinüber, der mitlacht. Und wie geht es dem langjährigen Verteidiger in der neuen Position? „Es ist eine unglaubliche Chance, so einen Übergang zu schaffen. Ich brenne richtig für die Aufgabe – trotz all dem Stress fällt es mir relativ leicht, weil ich es nicht wirklich als Arbeit sehe. Fußball war einfach immer mein Leben.“

Rückkehr nach Vierteljahrhundert

Auch Gerald Scheiblehners Leben ist schon lange von Fußball geprägt. Auch er war aktiver Kicker, es reichte aber nicht zur Karriere seines Sportdirektors. Exakt 25 Jahre ist es her, dass er bei der Wiener Austria seinen einzigen Bundesligaeinsatz absolvierte. Was ihm das nun bedeutet, als Trainer in der Bundesliga zu sein? „Zunächst einmal ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Trainerkarriere in der Bundesliga bald länger sein wird als die als Spieler. Ein Spiel überlebt man normalerweise“, sagt er. Und lacht auch mit Blick auf Schösswendter, womit beide bewiesen hätten, dass die Stimmung gut ist. Aber dann wird Scheiblehner ernster. Angesprochen auf den Aufstieg nämlich und den Weg, der überhaupt dazu führte. 2021 holte Blau Weiß den Meistertitel in der 2. Liga – konnte aber nicht in die Bundesliga. Der Plan war damals, innerhalb von zwei oder drei Jahren wieder ganz oben zu stehen. Der Trainer, der das bewerkstelligen sollte, war ebenjener Gerald Scheiblehner, der mit Vorwärts Steyr 2018 von der Regionalliga Mitte in die 2. Liga aufstieg. Er stieß exakt vor zwei Jahren zum Verein. „Das Ziel war, im ersten Jahr eine Mannschaft zu formen. Es lief aber überraschend gut in der ersten Saison, obwohl vom alten Meisterteam nur vier Spieler der Startelf blieben.“

Die Linzer schlossen die Saison 2021/22 als Dritter ab und wollten die Truppe punktuell verstärken, wie Scheiblehner erklärt: „Wir hatten im letzten Sommer die Hoffnung, dass Ronivaldo vielleicht das entscheidende Mosaiksteinchen zum Aufstieg sein könnte. Das hat sich dann auch so bewahrheitet.“  Nun also: Bundesliga. Aber wie? „Wir wollen unsere Spielidee weiter vorantreiben, ich denke, dass wir davon auch überzeugt sind. Es wird Spiele geben, wo sie nicht funktioniert, weil die Gegner stärken werden, aber da gilt es, dass wir Ruhe bewahren.“ Mit Stefan Haudum kehrte aus Altach ein Routinier zurück, auch Kristijan Dobras hat schon zahlreiche Bundesligaspiele in den Beinen. Mit Stefan Feiertag wechselte aus Amstetten etwa auch einer der torgefährlichsten Zweitligaspieler zu Blau Weiß.

Erlöse für die Entwicklung

Was auf die Linzer vor allem zukommen wird, ist, zwei Abgänge zu verkraften, wie Scheiblehner weiß: „Wir haben mit Fally Mayulu und Matthias Seidl wesentliche Akteure unseres Offensivspiels verloren.“ Die beiden Offensivspieler waren wichtige Anker im Spiel nach vorne und schlossen sich beide Rapid an. „Natürlich ist es schade, aber auch eine Auszeichnung, wenn ein großer Verein Spieler von uns holt. Mayulu ging leider ablösefrei, aber für Seidl haben wir eine Ablöse lukriert, das muss auch der Weg für einen Verein wie uns sein, weil wir uns mit solchen Transfererlösen gesamt weiterentwickeln können.“ Blau Weiß Linz begeisterte im Vorjahr nicht zuletzt mit erfrischendem Offensivspiel, war eingespielt und ein Augenschmaus, auch für neutrale Beobachter. Wird das auch in der neuen Saison in der Bundesliga der Weg des Vereins sein? „Wir werden sicher ein paar Dinge adaptieren, ich denke, wir müssen lernen, etwas tiefer zu verteidigen. In Spielen, in denen wir schwer unter Druck sind, werden wir geduldig sein müssen und auch einmal zufrieden, weiter hinten das Tor zu verteidigen. Das wird vor allem ein mentales Thema werden.“

Qualität weicht Hektik

169 Bundesliga-Spiele absolvierte Christoph Schösswendter gesamt. Wer, wenn nicht er, kann erklären, was es braucht – im Vergleich zwischen erster und zweiter Spielklasse in Österreich. „Die 2. Liga ist wilder, hektischer und härter in der Zweikampfführung“, sagt er. „In der Bundesliga ist das Spieltempo höher, uns ist bewusst, dass wir uns darauf einstellen müssen, dazu ist die Qualität einzelner Spieler noch einmal viel höher. Man kann es so zusammenfassen: Fehler werden viel schneller in Form von Gegentoren bestraft und es ist gleichzeitig um einiges schwieriger, zu zahlreichen Torchancen zu kommen. Das war unsere Qualität in der 2. Liga – wir haben kaum etwas zugelassen und vorne viele Möglichkeiten erarbeitet. Um das in der Bundesliga so umzusetzen, brauchen wir schon noch eine Entwicklung.“ Doch Schösswendter ist guter Dinge. Und der Trainer auch. „Wir sind sehr zufrieden, weil wir viele sehr erfolgshungrige Spieler geholt haben“, sagt Scheiblehner. Und ergänzt: „Es wird sicher eine super Reise, wir freuen uns.“ Und verweist noch einmal auf das neue Schmuckkästchen von Heimstätte, in dem wir noch immer sitzen. Aber aus dem wir bald weichen müssen. Das offizielle Programm beginnt, die ersten Zuschauer nehmen schon auf der Tribüne Platz, um sich erstmals im neuen Stadion auf die Bundesliga einzusingen. Auch sie wissen, dass dort, in der höchsten Spielklasse, der Klassenerhalt das ganz große Ziel ist. Um oben zu bleiben, braucht es im Übrigen aber keinen „Messias“. Sondern einfach nur eine Fortsetzung des jüngsten Erfolgswegs eines aufstrebenden Vereins mit viel Potenzial.

 

Fotos: Gepa pictures