09. Nov. 2022

Felix Latzke: Die unbequeme Trainer Legende
Mit dem Namen Felix Latzke verbindet man heute vor allem die „Schande von Gijon“. Dabei ist er mit 432 Spielen neben Otto Baric und Ernst Dokupil einer von nur drei Trainern im Legenden-Klub der Bundesliga.
Eine Versteifung im rechten Fuß lässt Felix Latzke nur noch selten auf den Fußballplatz gehen. Via TV verfolgt er „Bayern, Dortmund, Barcelona, Real. Aber unsere Bundesliga interessiert mich auch.“ Immerhin hat er sie fast 20 Jahre lang als Trainer mitgeprägt. Knallhart war er, sagen ehemalige Spieler. „Wir sind so erzogen worden“, streut er im Laufe des Gesprächs mehrmals entschuldigend ein. Geprägt habe ihn Hans Pesser, jener Trainer, mit dem er bei der Admira 1966 das Double gefeiert hat. „Es war eine andere Zeit. Da hat es geheißen: Vogel, friss oder stirb.“
Anton Malatinsky und Ernst Ocwirk waren zwei andere Trainervorbilder. „Bei Ocwirk habe ich 1972 bei der Admira als Co-Trainer begonnen. Er war ein hundertprozentiger Profi. Er hat immer gesagt:, Ich hab nix davon, wenn einer die 100 Meter in zehn Sekunden rennt, aber dabei den Ball vergisst.‘ Recht hat er gehabt.“ Latzke hat den Ball selten vergessen, er hat ihn sogar oft im Tor untergebracht. Bis zu einem Meniskusriss 1969. „Da sind sie ein Jahr lang nicht draufgekommen. Ich habe mich dann operieren lassen, aber nie richtig er-fangen.“ Also musste er 1971 mit 29 die Karriere beenden.
Debüt bei Liga-Premiere
1974 gab ihm der LASK die erste Stelle als Cheftrainer. Gegen Stockerau musste er sich in zwei Entscheidungsspielen (1:3 und 6:1) erst für die neu geschaffene Bundesliga qualifizieren. „Es war eine schwierige Zeit. Als Trainer war ich ja für alles zu-ständig. Für die körperliche Fitness, für die Taktik, das Training, den Spielereinkauf.“ Anders hätte er es auch gar nicht gewollt. „Aufgabenteilung? Na! Zu viele Köche verderben den Brei. Fünf, sechs, sieben, acht Trainer! Das wäre zu meiner Zeit sinnlos gewesen. Ich hab’ mir nix dreinreden lassen. Wir sind so erzogen worden.“ Und Sportdirektoren? „Dass einer, der kaum am Platz ist, Spieler kauft und dem Trainer hinstellt? Unfassbar.“
Nach Stationen beim ÖFB, für den er zunächst das B-Team und nach einem Ab-stecher zur VÖEST das U21-Team betreute, landete er 1979 wieder bei der Admira. Seinem Herzensverein? „Na ja, ich war halt zehn Jahre dort Spieler. Aber man hat ja nicht wechseln können, wenn der Verein nicht wollte. Wer hätte es sich leisten können, 18 Monate zu stehen?“
Die Sache mit Gijon
Im Winter 1981/82 traf er beim Stadthallenturnier Georg Schmid, der Karl Stotz als Teamchef beerben sollte. „Felix, ich müsste mit dir reden.“ Aus der Unterredung wurde das Trainer-Gespann für die WM 1982. „Schurli war der Teamchef, ich sein Teamtrainer.“ Aus dem Traumjob wurde die „Schande von Gijon“. „Es war halt unglücklich, dass das Algerien-Spiel schon einen Tag vorher war. Die Spieler haben sich untereinander gekannt, da ist dann leider dieses unglückselige Spiel herausgekommen. Als ich 1987 Mannheim-Trainer wurde, hat man das in Deutschland schon ganz anders gesehen. Bei uns war es ein Verbrechen, dort haben sie gesagt:, Mensch, Felix, das ist doch schon so lange her. Wir sind beide aufgestiegen. Das hätten alle anderen auch gemacht.“ Karriere-Boost war der Teamchefposten trotz WM-Platz 8 keiner. Vielleicht, weil es nicht ohne Reibereien abging. Auch mit Hans Krankl. „Der Hans war ja Weltklasse oder knapp dran. Aber gegen Frankreich war er schwach, also war er gegen Nordirland auf der Bank. Als Trainer hat er später auch nicht anders gehandelt.“
Ein Jahr blieb Latzke noch bei der Admira, dann heuerte er beim SC Eisenstadt an. „Das war die erste Mannschaft, die von sich ausgesagt hat: Trainer, wir würden gerne so und so spielen. Das können wir, das liegt uns am besten. Passt, das taugt ihnen, dann spielen wir das!“ Mit Przemysl Bicovsky, Ruben Plaza & Co. erreichte der SCE als Achter nicht nur seine beste Bundesliga-Platzierung, „wir sind sogar Mitropacupsieger geworden“.
Autorität dahin
Latzkes gute Arbeit wurde honoriert. Nach einem 1:1 auf dem Tivoli („Eigentlich hätten wir 9:1 gewinnen müssen!“), holte ihn Werner Schwarz zum FC Tirol. „Gernot Langes war noch nicht so involviert, aber er hat gemeint, er könnte Hansi Müller verpflichten. Hab’ ich gesagt: Wenn du ihn dir leisten kannst.‘“ Er konnte. Das erste Jahr war dennoch nicht berauschend. „Aber im zweiten waren wir mit Ivkovic, Kalinic, Messlender, Pacult und Steinbauer lange Tabellenführer und im UEFA-Cup-Semifinale.“ Endstation war beim späteren Sieger IFK Göteborg.„ Ich kann mit Stolz behaupten, dass das kein anderer Innsbruck-Trainer geschafft hat. Aber am Ende der Saison hat sich alles zerschlagen, als es geheißen hat, der Happel kommt. Da war meine Autorität dahin. Die Leute von Swarovski haben geglaubt, wenn der Latzke schon ins Semifinale kommt, werden sie mit dem Happel Europacupsieger.“
„Da spiel ich nicht mehr mit“
Der Europapokal kam nicht nach Innsbruck, aber Felix Latzke in die Deutsche Bundesliga, zum SV Waldhof Mannheim. Der beste Vertrag seiner Karriere. „Aber nach den Abgängen von Kohler, Fritz Walter, Sebert und Gaudino war nicht viel zu machen.“ Nach knappem Klassenerhalt im ersten Jahr kam im zweiten schnell das Aus. Danach musste er kürzertreten. 1990 wollte die Vienna, „dass ich ihnen eine Mannschaft aufbaue, mit der wir 1994 zur 100-Jahr-Feier Meister werden.“ Nach einem guten ersten Jahr waren die besten Spieler weg und Latzke saß in einem „VW, der gegen einen Porsche antritt. Du kannst dich noch so anstrengen, du wirst ihn nicht schlagen.“
Nach einer kurzen Steyr-Episode wurde Stahl Linz 1992/93 zu seiner letzten Bundesliga-Station. „Damals hat die VÖEST noch stark mitgeredet. Nach einem 0:2 gegen den LASK kam der Anruf vom Präsidenten. Ich muss gar nicht mehr kommen, hat der Betriebsrat der VÖEST beschlossen. Sonst sind am Montag 2.000 Leute von der VÖEST da und blockieren das Training.“ Er könne, bemühte der Anrufer das Fußball-Unwort der 1990er-Jahre, die Mannschaft nicht mehr motivieren. Weil der Job ohnehin schon weg war, fragte Latzke keck: „Könnten Sie mich bitte auch jeden Tag anrufen und motivieren?“ Er wusste: „Da war’s vorbei, da spiel’ ich nicht mehr mit. Da pass' ich nicht mehr her.“
Es folgten noch ein paar Vereine im Unterhaus. „Aber sogar in der letzten Klasse waren die Spieler schon g’scheiter als der Trainer.“ Als ihm eines Tages der Tormann, der aus drei Metern keinen Mitspieler traf, erklärte „Wir müssen von hinten rausspielen“, hat er sich nur noch gefragt „Wo bin i?“ und hat es ganz bleiben lassen.