05. Sept. 2022
Heimo Pfeifenberger im Legendentalk: Gegen Milan waren wir das einzige Mal chancenlos
Heimo Pfeifenberger war einer der Salzburger Helden, die 1994 ins UEFA-Cup-Finale und kurz danach in die Champions League eingezogen sind. Im Legendentalk mit bundesliga.at erinnert sich der Sportkoordinator des SV Grödig vor dem CL-Hit Red Bull Salzburg gegen AC Milan an seine Spiele gegen die Mailänder, die ausverkauften Spiele im Happel-Stadion und beklagt, dass eine der beliebtesten Mannschaften aller Zeiten „fast ausgelöscht“ ist.
Heimo, Red Bull Salzburg erwartet am Dienstag in der Champions League den AC Milan. Vor fast 28 Jahren hast du mit Salzburg auch gegen Milan in der Champions League gespielt…
Zu der Zeit war Milan ein übergroßer Name, sie hatten ihre beste Zeit, waren Titelverteidiger. Wir hatten zwar ein paar Monate davor im UEFA-Cup-Finale gegen Inter Mailand gespielt, die mit Zenga, Bergomi oder Bergkamp auch große Namen hatten, aber Milan war noch einmal eine Nummer drüber. Als Spieler kriegst du diese Eindrücke alle gar nicht so mit, erst Jahre später siehst du, wo und gegen wen du da aller gespielt hast.
Ist das Milan von heute überhaupt vergleichbar mit dem Milan von damals, mit Baresi, Maldini, Savicevic, Gullit & Co.?
Damals spielte Milan auf der ganz großen Bühne, war einer der besten Klubs der Welt. Jetzt sind sie zwar auch wieder italienischer Meister, aber nach ein paar schwächeren Jahren fehlt noch das gewisse Etwas, um mit Real Madrid oder auch den Bayern auf einer Stufe zu stehen.
Wie sind deine Erinnerungen an das erste Duell, das 0:3 in Mailand?

Mein Gegenspieler war Ruud Gullit. Ich war nicht hundertprozentig fit, auch deshalb hat er mit mir Katz’ und Maus gespielt und war auch an fast allen Toren beteiligt. Ich war fast immer einen Schritt zu spät. Wir waren chancenlos. Das war eigentlich das einzige Spiel in dieser Zeit, in den Spielen zum UEFA-Cup-Finale und danach in den sechs Champions-League-Spielen, in dem wir in Wahrheit keine Chance hatten. Okay, im Jahr davor waren wir in Lissabon gegen Sporting auch ziemlich hilflos, aber das haben wir – auch mit einigem Glück – mit dem legendären 3:0 in der Verlängerung noch umdrehen können. Aber gegen Milan waren wir weit weg.
Der große Aufreger in diesem Spiel war der Flaschenwurf auf Otto Konrad beim 0:1. Habt ihr danach gehadert, dass das Spiel nicht – wie vergleichbar andere – mit 3:0 für euch gewertet wurde?
Sicher. Das zeigt aber auch, wie grün wir noch hinter den Ohren waren. Wenn Otto liegen bleibt und sich raustragen lässt, wird das Spiel abgebrochen und wahrscheinlich für uns gewertet. So hat er noch eine Weile weitergespielt und musste dann doch ausgetauscht werden. Dass das Spiel dann mit 0:0 ohne Punkte gewertet wurde, zeigt, welche riesige Macht Milan damals im internationalen Fußball war. Nicht nur sportlich, sondern auch mit ihrem Präsidenten Silvio Berlusconi, der zu der Zeit ja auch Italiens Ministerpräsident war.
Dennoch hattet ihr nach zwei Remis gegen den späteren CL-Sieger Ajax und dem Auswärtssieg bei AEK Athen vor dem letzten Gruppenspiel, das wieder in Wien über die Bühne ging, noch alle Chancen aufzusteigen.
Das war ein richtiges Entscheidungsspiel in Wien! Wir haben ganz gut gespielt, aber 0:1 verloren. Der letzte Zacken hat gefehlt, der absolute Glaube, gegen diese Mannschaft gewinnen zu können. Aber in diesem Spiel hat man schon gemerkt, dass auch Milan zu raufen hatte. Da hatten sie schon auch im Hinterkopf, dass sie aus dem Bewerb fliegen könnten.
Das Spiel im Happel-Stadion war wieder ausverkauft. Insgesamt hattet ihr in den sechs Europacup-Spielen in Wien mehr als 250.000 Zuschauer angelockt. Unvergessliche Erlebnisse für euch?

Das war prägend für ganz Österreich, weil wirklich ganz Österreich hinter uns gestanden ist. Das Nationalteam war zu dieser Zeit nicht sehr erfolgreich, deshalb waren wir das Aushängeschild für die ganze Nation und die Menschen sind aus allen Teilen des Landes gekommen. Es war eine riesen Hysterie und Euphorie. Wer das erlebt hat, egal, ob als Spieler oder Fan, wird das nie vergessen.
Wie gefallen dir eure Nachfolger bei Red Bull Salzburg?
Red Bull Salzburg zieht seinen Weg konsequent durch, bringt jedes Jahr Spieler heraus, die dann in den ganz großen Ligen spielen. Spieler wie Haaland oder Adeyemi für einige Zeit in unserer Bundesliga zu sehen, ist schon ein Erlebnis. Im Vorjahr haben sie international eine richtig lässige Saison gespielt. Das traue ich ihnen wieder zu. Weil sie es mit den jungen Spielern richtig gut machen. Dadurch, dass Liefering ja jetzt wieder bei uns in Grödig spielt, bin ich relativ nah dran. Das ist schon unfassbar, was für Talente da immer dabei sind.
Hätten die Helden der 90er-Jahre bei den heutigen Bullen überhaupt ein Leiberl gehabt?
Wir Alten sagen sowieso immer, dass früher alles besser war (lacht), aber ich glaube schon, dass die Top-Spieler von damals auch heute gut genug wären. Richtig gute Spieler wären in jeder Ära richtig gute Spieler. Einen Innenverteidiger mit der Power und dem Vorwärtsdrang von Wolfgang Feiersinger, zum Beispiel, sehe ich heute in ganz Österreich keinen.
Knabbert die neue Generation etwas an eurem Legendenstatus?
Glaube ich nicht. Es war sehr cool, aber eine andere Zeit. Wir haben sehr viele Menschen begeistern können, und für die, die dabei waren, ist das immer noch sehr präsent. Aber wir Spieler gehören nirgends mehr dazu. Ich versuche zwar, alle zwei, drei Jahre ein Treffen zu organisieren, aber einen Legendenklub wie bei Rapid, der Austria oder auch im Nationalteam gibt es für uns nicht.
Mit 117 Toren gehörst du aber dem Legendenklub der Bundesliga an. Wie war es für dich in der Bundesliga zu spielen?

Ich hab’ daheim in Zederhaus bei so einem kleinen Klub gespielt, dass ich als Bub nicht einmal davon träumen konnte, da einmal dabei zu sein. Bei den Profis, das ist ein ganz anderer Kick. Ein Match in der Bundesliga war immer etwas Besonderes. Es ist einfach cool, wenn es in jedem Spiel um viel geht. Das war dann auch als Trainer so. Du hast zwar viel Arbeit und immer Druck, aber wenn du einmal Profi warst, willst du gar nichts anderes.
Wie bist du in Zederhaus überhaupt entdeckt worden?
Der frühere Salzburg-Trainer Günter Praschak hat seine Urlaube immer im Lungau verbracht und hat mich ein paar Mal in Zederhaus gesehen und einige Klubs auf mich aufmerksam gemacht. Ich hätte dann schon mit 17 wechseln können, hab’s mir aber nicht zugetraut. Mit 19 bin ich dann doch zu Austria Salzburg. Dabei war ich eigentlich schon fix bei Ernst Happel und dem FC Tirol. Ich hab’ sogar schon eine Wohnung in Innsbruck gehabt, hab’ dann aber kalte Füße bekommen und bin zu Salzburg in die zweite Liga. Das war lange so, dass alle anderen mir viel mehr zugetraut haben, als ich mir selbst. Zu Rapid bin ich gewechselt, ohne dass ich es wusste. Rudi Quehenberger (der damalige Klubpräsident; Anm.) hat mich ohne mein Wissen verkauft. Ich hab’ gesagt, ich geh’ da nicht hin, obwohl ich immer ein großer Rapid- und Krankl-Fan war. Aber er hat gesagt, du wirst mir einmal dafür dankbar sein. Und so war es dann auch. Ich bin vier Jahre bei Rapid geblieben, bin dort gereift und dem Rudi Quehenberger heute noch dankbar dafür. Das ist es auch, was mir bei Grödig gefällt. Wir haben keine Ambitionen mehr, aufzusteigen. Das geht sich nicht mehr aus. Aber ich freue mich, wenn ich jungen Spielern – wie jetzt dem 17-jährigen Andres Sfait, der von uns zum Ribery-Klub Salernitana gewechselt ist – auf ihrem Weg hinaus unter die Arme greifen kann.