18. Dez. 2025

Ilco Naumoski im Interview: „Irgendwann wird Didi Teamchef!“
249 Spiele, 86 Gelbe, 8 Ausschlüsse und 59 Tore – kaum einer hat die Bundesliga im positiven wie im negativen so geprägt wie Ilco Naumoski. Dementsprechend spannend liest sich das gerade über ihn erschienene Buch von Peter K. Wagner, indem man auch den Typen hinter der Reizfigur kennenlernt. Im großen Interview mit bundesliga.at spricht Ilco über seine verrückte Karriere und den hohen Preis dafür, seine Hassliebe Rapid, wo er sich missverstanden fühlt und warum er hofft, dass Didi Kühbauer irgendwann Teamchef ist.
Er war wahrscheinlich der talentierteste, trainingsfaulste und umstrittenste Spieler der Bundesliga-Geschichte. Nach seinem Double mit dem GAK und Europacup Auftritten als blutjunger Stürmer läutete schon Fabio Capello an – doch statt AS Roma wurde es der SV Mattersburg. „An guten Tagen kann er jeden deppert spielen“, sagte einmal Michael Mörz und der zählte nun wirklich nicht zu seinen besten Freunden. Doch sein Temperament und mangelnde Disziplin gepaart mit Verletzungen sorgten dafür, dass ihm die Ärzte schon mit 25 das Karriereende ans Herz legten. Ilco Naumoski machte aber weiter – und so endete es im Fiasko. Einem so schweren Fußbruch mit 30 Jahren, dass er heute nicht einmal mehr ohne Schmerzen stehen kann. Doch Ilco wäre nicht Ilco, würde er nicht letztes Wochenende schon wieder auf der Fantribüne im Basketballstadion stehen und Videos schicken wie er beim Belgrader Derby Partizan mit tausenden Hardcore-Fans und Schlachtgesängen zum Sieg brüllt.
Sein emotionalster Sieg war aber das, was sich ein paar Tage davor in einem Wiener Café abspielte. Denn da stellte er mit Peter K. Wagner seine Biographie vor. Der Titel ist natürlich provokant „Der letzte echte Typ der Bundesliga.“ Ein Projekt, an dem der Autor selbst am meisten zweifelte, hatte er Ilco (wie er im Nachwort unverblümt gesteht) zuvor doch als „größten Trottel der Bundesliga“ wahrgenommen. Doch die Hassfigur hat eben auch eine andere Seite. Und für alle, die ihn besser kennen, ein großes Herz – und so war Ilco zu Tränen gerührt – denn das ganze Who-is-Who an Bundesliga-Legenden (Korkmaz, Dragovic, Bazina, Tokic, Keglevits, Atan, Maierhofer und und und) war gekommen, um ihren Ex-Kollegen zu feiern. Grund genug, um Ilco zum bundesliga.at Interview zu bitten, bei dem wie im Buch natürlich Emotion aus jeder Pore quillt.

Ilco, eine der lustigsten Storys im Buch ist die Geschichte von deinem ersten Bundesliga-Tor, das du für den GAK ausgerechnet gegen deinen Jugendklub Rapid geschossen hast.
Ich war erst 18, dachte zuerst nur, der Bazina will mich häkeln, als er gesagt hat, ich bin im Kader. Bis er mich wirklich abgeholt hat, dann hab ichs erst geglaubt. Als sie dann im Bus gesagt haben, der Trainer will mit mir sprechen, hab ichs wieder nicht geglaubt. Dann sagt Christian Keglevits zu mir: Du spielst heute. Ich drauf: Wos? Das war wie Ostern und Weihnachten zusammen. Dann war das Spiel und ich bin die ersten 15 Minuten komplett neben mir gestanden, wie der größte Anti-Kicker. Ich kann mich erinnern als wäre es gestern gewesen. Ich war innerlich überzeugt, das ist meine erste und letzte Bundesliga-Partie, und jede Sekunde werd ich wieder ausgewechselt.
Doch dann kam es ganz anders.
Auf einmal kommt so eine Bogenlampe-Flanke, ich laufe hin, ich glaub mein erster Sprint im Match, der Ball landet genau auf meinem Kopf und er geht an Ladi Maier vorbei ins Tor. In dem Moment ist die Zeit stehen geblieben, ein Traum, du wartest darauf, dass du aufwachst, aber es passiert nicht. Mein erster Gedanke war: Was schreiben die Zeitungen? (lacht) Auf einmal hab ich gespielt wie Messi und Ronaldo zusammen und alles ist gelungen. Zur Halbzeit musste ich aufs Klo und wollte gar nicht mehr rausgehen. Ich wollte, dass mich der Trainer auswechselt, damit ich durch mein Tor der Held bleibe.
Dein Buch heißt „Der letzte echte Typ der Bundesliga“, aber mit beispielsweise Aleks Dragovic gibt es noch solche vom alten Schlag

Das stimmt, wobei er ja lange nicht da war und ich ihn daher als internationalen Topspieler abgespeichert hab. Jetzt wo er nach der langen Zeit wieder in Österreich ist, ist er natürlich einer der besten Verteidiger, die je in der Bundesliga gespielt haben. Ohne ihn wäre die Austria wahrscheinlich letzte Saison abgestiegen statt um den Titel mitzuspielen. Ich will gar nicht wissen, wo sie ohne ihn wären. Schon als ganz junger Spieler als er am Anfang seiner Karriere gegen mich gespielt hat, hat er sich nichts gepfiffen. Deshalb mag ich ihn.
Warum gibt es kaum mehr solche Typen?
Versteh mich nicht falsch: Ich liebe die Bundesliga. Nur viele Spieler wirken auf mich heute gleich, wie gezüchtet, haben Muckis in der Kraftkammer als würden sie im Ring kämpfen. Ich selber hab meine ganze Karriere keinen Liegestütz gemacht, aber wenn es wichtig war, hab ich ein Tor geschossen und war da. Und ich hab auch gesagt, solange Mattersburg in der Bundesliga spielt, spiele ich bei keinem anderen Klub in Österreich – und daran hab ich mich gehalten. Heute wechseln alle von Austria zur Rapid vom GAK zu Sturm und zurück, einmal küsse ich dieses Wappen, nächstes Jahr das andere, das ist für mich keine Loyalität.
Dein eigener Herzensklub war eigentlich Rapid.
Rapid wird immer in meinem Herzen bleiben. Das kann mir keiner nehmen. Aber es war meine größte Enttäuschung. Ich habe Rapid gelebt, bin mit dem Klub aufgewachsen. Es war für mich alles, mein Vater geht heute noch als Fan ins Stadion. Dann spiel ich gegen Rapid, weil sie mir vorher keine Chance gegeben haben – du schießt ein Tor und dann beschimpfen dich die Leute. Andere hätten nicht reagiert, aber ich bin ein Balkanjunge, ich kann sowas nicht runterschlucken und auf mich sitzen lassen, ich musste etwas zurück sagen.
Bei der Infrastruktur haben sich die Vereine in den letzten Jahren extrem weiterentwickelt. Austria, Rapid, LASK, Blau-Weiß Linz – alle haben neue Stadien.
Wahnsinn, wie sich das entwickelt hat. Blau-Weiß Linz ist eine Bereicherung in der Liga. Dazu Salzburg, Austria, Rapid, auch was sich in Vorarlberg abspielt, ist für die Größe des Bundeslands ein Wahnsinn. Keine Frage. Lustenau, Altach, Dornbirn, Bregenz. Die machen vielleicht die beste Arbeit von allen für ihre Größe. Nur Innsbruck fehlt mir in der Bundesliga und natürlich das Burgenland. Die haben im Moment nicht einmal eine Zweitligamannschaft, dabei sind sie auch fußballverrückt. Ich würde mich sehr freuen, wenn Milletich mit Parndorf oder Oberwart aufsteigt.
Graz fehlt noch ein neues Stadion.
Und das mit seinen zwei Top-Vereinen – auch wenn die Stadt viel kleiner ist als Wien kommen so viele Leute ins Stadion. Das ist wahrscheinlich die fußballverrückteste Stadt in ganz Österreich. Und das sag ich nicht, weil ich beim GAK war.
Mattersburg kommt in deinem Buch zwar vor, aber verglichen mit der Zeit, wo du dort gespielt hast, relativ kurz. Warum?

Das war nicht unbedingt beabsichtigt, aber die Zeit beim GAK am Anfang meiner Karriere war unglaublich. Und es liegt vielleicht auch daran, dass ich mich in Mattersburg vom Verein am Ende etwas hängen gelassen gefühlt hab. Ich hätte mir mehr Wertschätzung gewünscht. Sie haben so getan, als wäre ich alleine schuld daran gewesen, dass wir im letzten Spiel so unglücklich abgestiegen sind. Dabei warvorher der erste burgenländische Europacup-Torschütze gegen Krakau, hab sie mehrmals vor dem Abstieg gerettet. Wenn ich gut gespielt habe, war es für viele selbstverständlich, wenn ich aber mal nicht gut gespielt habe, hat keiner die Gründe dahinter gesehen, zum Beispiel, dass da Verletzungen mitgespielt haben oder wieviel Mittel ich nehmen musste, damit ich überhaupt spielen konnte. Auch beim letzten Spiel, da hat es noch am selben Tag beim Training geheißen, dass ich zu 90 Prozent nicht spielen kann. Dann bin ich doch mit Injektionen aufgelaufen.
Dein Fußbruch am Ende der Karriere war ein Fiasko mit Ansage. Da hättest du schon längst nicht mehr spielen dürfen.
Ich hätte mit 25, 26 Jahren aufhören müssen mit Fußball. Dann hab ich aber noch 3, 4 Jahre gespielt, das war gegen jede Physik – mit meinen O-Beinen, Verschiebungen, Knorpelverletzungen usw.. Schopp, der beste Sportarzt damals in Österreich, hat zu mir gesagt, du kannst nicht mehr Fußball spielen. Aber wenn du für dein Nationalteam, wie ich für Mazedonien, immer von Beginn an spielen kannst – und dann gegen England im Old Trafford, dann sagst du, spritz mich fit, auch wenn du mir das Bein nachher hin ist, ich will spielen. Und ich hab auch immer gespielt.
Der Preis dafür ist hoch
Ich hatte 20 Operationen, der Fuß ist heute eine Katastrophe. Vom Arzt hab ich für immer Laufverbot, auch Stehen ist schlecht. Ehrlich gesagt, haben es aber sogar bessere Fußballer als ich nicht in die Landesliga geschafft und schlechtere haben in Italien gespielt. Ich muss Gott daher dankbar sein, für meine Karriere. Es hätte auch anders kommen können, dann hätte ich halt am Bau gehakelt. Meinen Namen wird man in der Bundesliga nicht so schnell vergessen. Ich bin viel missverstanden worden. Viele schimpfen einen mit Fake-Accounts im Internet. Aber man hat bei der Buchpräsentation gesehen, wie viele kommen, weil sie mich eben wirklich kennen und wissen, was ich für ein Mensch bin.
Gile Vukadinovic war auch da. Bei Mattersburg die gute Seele des Klubs und der Mann für alles. Wie sehr freut es dich, dass er nach dem Ende von Mattersburg bei Rapid als Zeugwart untergekommen ist?

Es ist umgekehrt, Rapid hat mit ihm den größten Glücksgriff der Welt gemacht. Gile war schon bei Mattersburg der wichtigste Mann – wenn wir ein Problem hatten und auch beim Spiel haben wir ihn gefragt statt Franz Lederer, weil er hatte mehr Ahnung. Kein Spaß. Vor ihm hatten wir den meisten Respekt im Klub nach Pucher. Er war dort alles – er hat sogar Hösche mit uns gespielt. Er war der Zeugwart und ist trotzdem immer mit angezogenen Fußballschuhen gekommen, jeden Tag. Der Didi wollt ihn umbringen (lacht).
Apropos: Didi Kühbauer hat einen unglaublichen Lauf mit dem LASK. Überrascht dich das?
Nein, jeder der ihn richtig kennt, weiß, er hat ein super Herz. Ich hab mit ihm sicher 1000 Mal gestritten oder gerauft, sowas passiert einfach am Platz, nachher ist alles vergessen. Er ist ein richtig guter Mensch. Natürlich ist er ein Siegertyp und will immer gewinnen und wenn zwei solche aneinander geraten, kracht es halt. Ich liebe Didi Kühbauer. Ein Riesen-Trainer, was er in Österreich geleistet hat, egal ob beim LASK jetzt, vorher bei der Admira oder St. Pölten – Rangnick ist ein super Teamchef, aber irgendwann mal, wenn er es nicht mehr macht und andere kommen, wird es der Didi sein, das hoffe ich. Denn er verkörpert Österreich. Einer der besten Mittelfeld-Spieler, die Österreich je hatte.
Text: Christoph König; Fotos: GEPA pictures / Christof Hütter