12. Okt. 2022

Jrgen Melzer: Am Arm von Manfred Zsak
Als Davis-Cup-Kapitän ist er der Landesoberste Filzkugel-Dompteur.Dabei gehorcht ihm durchaus auch das deutlich opulentere lederne Rund und lässt er sich vor allem vom violetten Blut in den Adern pushen, erst recht beim Gedanken an die frühen 90er oder an die letzte Saison. Jürgen Melzer im Verbal-Smash über seine Liebe zur Wiener Austria.
Ewig schade. Auch auf explizite Nachfrage bleibt Jürgen Melzer bei seinem Attest: „Die Fotos gibt es leider nicht mehr.“ Dabei hätten sie, da sind wir uns sicher, ein Stück Sport-(Fan-)Geschichte erzählt. Es gab, so versichert uns der Davis-Cup-Kapitän, einst Bilder, die den zweijährigen Dreikäsehoch Jürgen Melzer in der Austria-Montur herumhopsend dokumentieren. „Der Papa war immer Austrianer und ist es noch. So wurde ich zwangsläufig einer.“ Mindestens genauso schade: Noch ein Stück Sport-(Fotografie-)Geschichte existiert, jedenfalls physisch, nicht mehr „Bei dem Verein, bei dem ich als Bub gekickt habe, waren einmal bei der Weihnachtsfeier Andi Ogris und Manfred Zsak zu Gast. Es gab ein Foto, das mich zeigt, wie ich bei Manfred Zsak am Arm sitze.“
„HEAST! SOG AMOI!“
Die späten 80er- und vor allem frühen 90er-Jahre haben Austria-Aficionado Melzer, selbst Jahrgang 1981, geprägt.
„Ogris, Polster, Nyilasi, Prohaska, Zsak –das sind die Namen, die mir sofort einfallen, wenn ich an den Beginn meiner Fan-Karriere, sofern man die so bezeichnen kann, denke. Ich bin also im Prinzip mein ganzes Leben lang schon Austria-Fan.“ Beim Gedanken an die besonders erfolgreichen frühen 90er-Jahre machen sich wohlige Gefühle in Jürgen Melzer breit. Unvergessen der Meistertitel-Triplepack von 1990 bis 1992. Speziell aus dem letzt-genannten Jahr, Melzer erinnert sich detailgetreu – ist im gelernten Austria-Fan eine spezielle Szene präsent. Hauptdarsteller: DER (Jahrhundert-) Austrianer schlechthin.
Meisterschaftsfinale 1992. Die Austria spielt im schwer verregneten Praterstadion gegen den schärfsten Rivalen und Namensvetter aus Salzburg. Ein Sieg und die Veilchen haben den Meister-Hattrick vollzogen. Plötzlich Aufregung! Austria-Edeltechniker Peter Stöger geht im gegnerischen 16er zu Boden. Heute sagt er schmunzelnd: „Ich habe gesehen, wie Salzburg-Goalie Ilsanker rauskommt und die Hand ausfährt, da bin ich gleichsam vorsorglich gefallen. Offenbar bin ich gut geflogen, aber es gab keine Berührung, es war kein Foul.“ Cheftrainer Herbert Prohaska ist es in diesem Augenblick egal. Er setzt zu einem gefühlten 60-Meter-Sprint an, um dem bedauernswerten „Wachler“ an der Outlinie die Meinung zu geigen. Einen klareren Elfmeter „gibt’s jo goa ned“, brüllt „Schneckerl“ seinem Gegenüber aufs Trommelfell: „Heast! Sog amoi!“
VERSTÄNDNIS FÜR PROHASKA

Eine gerade kultige Szene, die auch Jürgen Melzer 30 Jahre danach bestens geläufig ist. „Das sind ja die schönen Emotionen im Sport“, schmunzelt er. „Danach gab es ja auch noch die Auseinandersetzung mit Salzburg-Trainer Otto Baric. Das ist legendär.“ Dabei bringt Melzer durchaus Verständnis für „Schneckerl“ und seine in der Form selten gezeigten Emotionen auf „Ein Nicht-Profi-Sportler kann das vermutlich gar nicht nachvollziehen, was da in einem vorgeht. Aber ich als zumindest ehemaliger Profi-Sportler verstehe teils schon, wieso man sich da mitunter nicht ganz unter Kontrolle hat, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt.“
Der legendären violetten 90er-Partie habe er jedenfalls „immer gerne zugeschaut“. Und heute? Finden Stadionbesuche zeitlich bedingt eher selten statt. „Als mein Schwager Robert Almer noch spielte (Anm.: Jürgen Melzer ist mit Schwimmerin Fabienne Nadarajah verheiratet, Ex-Austria-Goalie Robert Almer mit ihrer Schwester Dominique), war ich natürlich öfter im Stadion. Jetzt geht sich das nicht mehr so oft aus.“ Immerhin: „Am Wochenende läuft, sofern es die Zeit zulässt, daheim immer Bundesliga zumindest Konferenz oder das Austria-Spiel in der Einzel-Option.“
FREUDE ÜBER SCHMID
Und doch: Speziell die abgelaufene Saison zauberte dem erzvioletten Melzer wieder ein dauerhaft breites Lächeln ins Gesicht. Das frühzeitige Sichern des Top-6-Platzes, die Begeisterung auf dem Rasen und auf den Rängen das macht Lust auf mehr. „Heuer war es wirklich eine Freude zu sehen, wie Trainer Manfred Schmid das mit seinem Team hinbekommen hat.“ Schmid habe „aus einer Mannschaft, die ja am Boden gelegen ist, wirklich etwas Großes entstehen lassen. Ich hoffe, das geht so weiter. Sofern ich das beurteilen kann ich bin ja ein Tennisspieler und Fußballfan, hat er wirklich hervorragende Arbeit geleistet.“
Übrigens: Ja, auf Mannschaftssportler schaut Melzer immer etwas neidisch hinüber. „Dabei geht es mir nicht darum, Verantwortung eher abschieben zu können, sondern darum, Siege gemeinsam zu erleben und zu feiern. Das geht im Tennis kaum.“ Am ehesten freilich im Davis Cup, seinem aktuellen Metier als Kapitän.
„Deswegen habe ich als Aktiver auch für mein Leben gern Davis Cup gespielt und nie abgesagt. Eben weil diese Emotionen da am ehesten erlebbar sind.“ Hoffentlich auch diesmal im Davis Cup – aber beim nächsten Stadionbesuch, wann auch immer der zeitlich machbar ist, wird Melzer die kollektiven Emotionen in Violett wieder wahrnehmen dürfen.