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14. Feb. 2023

Legendr Hoch 70

Hans Krankls Leistungen für die Bundesliga und Fußball-Österreich in plakative Superlative zu kleiden, lässt selbst gewiefte Sprach-Strafraumkobras und findige Wortdribbler schnauben. Das Bundesliga-Journal versucht es zum 70. Geburtstag des Goleadors trotzdem.

 

Acht Tore. In Zahlen: 8. Achtmal in einem Spiel ließ es der ewig torhungrige Mann – noch weit weg vom Goleador-Status – klingeln. Wir schreiben das Jahr 1972. Der 19-jährige Hans Krankl sucht sein Stammplatz-Glück beim Wiener AC in der Regionalliga. Bei seinem eigentlichen Stammklub Rapid war das Fixleiberl für ihn zu groß, auch weil der dortige Trainer Gerdi Springer nicht die Zeit hatte, sich um hoffnungsvolle Talente zu kümmern. Also der Umweg über den Wiener AC. Und eben acht Tore beim 9:2-Sieg gegen den SC Hinteregger. Ein Schicksalsspiel. Ein Wendepunkt in der Karriere Krankls, die jetzt so richtig Fahrt aufnehmen sollte. „Denn gleichzeitig“, erinnert sich Krankl, „wurde Springer bei Rapid von meinem Jugendtrainer Robert Körner abgelöst. Er holte mich zurück, ich bekam die Nummer neun bei Rapid.“

Sozialer Egoist 

Der Rest ist Geschichte. Die Geschichte eines Mannes, der Tor-Gier, Spielintelligenz, Polarisierung, Show-Effekt, Glanz, Glamour und Medienkompetenz vereinte wie kaum jemand. Eines Mannes, dem man bis heute nachsagt, schlichtweg alles gekonnt zu haben. Vordergründig mit dem Ball. Eines Mannes, der von sich selbst sagt, „sicher ein Egoist auf dem Platz“ gewesen zu sein, „aber ein sozialer Egoist. Der Mannschaftserfolg war mir wichtiger.“ Ehemaligen Weggefährten vermag diese Beschreibung bisweilen ein Schmunzeln abzuringen. Die große soziale Ader auf dem Spielfeld vermochte etwa Herbert Prohaska – obwohl beim „Spitz von Izmir“ sehr wohl Nutznießer des Krankl’schen Altruismus – bei seinem einstigen Abnehmer nicht immer zu erkennen. „Bei ihm war es so“, erzählt er gern in launiger Runde. „Wenn der Weg zum Tor noch weit war und du hast ihn angespielt, war es intelligenter, nicht mitzulaufen. Du hast den Ball eh nicht mehr zurückbekommen. Von zehnmal hat der Hans zehnmal nicht abgespielt.“


Er wird schon etwas richtig gemacht haben, der Hans. Seine Erfolgs- und Auszeichnungsbilanz liest sich geradezu erdrückend: Allein in der Bundesliga ließ er es 270-mal klingeln – bis heute unangetasteter Rekord. „Verfolger“ Ivica Vastic weist mit 187 Volltreffern einiges weniger auf; viermal staubte Krankl die Torjägerkanone in Österreich ab, einmal den Goldenen Schuh für Europas besten Torschützen, einmal den „Pichichi“ für Spaniens treffsichersten Scharfschützen; er wurde fünfmal Österreichs Fußballer des Jahres und so nebenbei viermal Cupsieger, zweimal Meister, einmal spanischer Europapokal-Sieger (Torschütze im Finale), einmal spanischer Cup-Sieger (beides mit dem großen FC Barcelona).
Hans Krankl ist ein vielschichtiges Phänomen, die vielleicht schillerndste Figur in der Geschichte des österreichischen Fußballs. Sie mäandert in der Außenwahrnehmung zwischen dem erdigen, prinzipientreuen „Hanseee“ zum Anfassen und der manchmal unnahbaren TV-Figur; zwischen dem Stürmer von Weltformat und dem glücklosen, bisweilen vergrämten Trainer ohne Weltkarriere; zwischen der geschäftstüchtigen Ich-AG und dem gnadenlos kreativen Mode-Musik-Entertainment-Schmähbruder-Gesamtkunstwert.


Am 14. Februar 1953 also erblickte ein Mann das Licht der Welt, der es als Straßenbahner-Sohn eben vom KSV Straßenbahn aus zu Weltruhm bringen sollte. Sein „erstes wirkliches Wohnzimmer“, sagt Krankl, war die Pfarrwiese, die legendäre Rapid-Heimstätte „mit einem riesigen Ofen in der Mitte der Kabine. Wenn man im Winter aus der Brause kam, war es dort wunderschön warm.“ Noch als Teenager heuerte er bei Rapid an und musste erst einmal schlucken, als er realisierte, plötzlich mit den von ihm stets ehrerbietig angehimmelten „Granaten“ Fak, Buzek, Gallos, Fritsch, Flögel und Bjerregaard in einer Mannschaft zu spielen. „Der Rudi Flögel hat einmal im Mannschaftsbus zu mir gesagt: ’Du brauchst nicht nervös sein, spiel einfach wie immer. Und per Sie musst auch nicht mehr sein mit mir.’ Das war ein Ritterschlag.“

Guru-ähnliches Standing

Derer sollten sportlicher Natur noch etliche folgen. Trotz „Affären“ mit dem Wiener AC und später mit der Vienna blieb seine fußballerische Basisstation in Österreich immer Rapid. 1985 netzte er Rapid bis ins Europacup-Finale, traf auch dort, auch wenn das Spiel gegen Everton 1:3 verloren ging. Welch mitunter Guru-ähnliches Standing ihn bei Rapid auch dann umwehte, wenn er nicht spielte, zeigte sich im Meisterschaftsfinale 1983 im überfüllten Eisenstädter Lindenstadion. Rapid-Fans konnten ihre Euphorie ob des nahenden Titelgewinns kaum in Zaum halten, hatten Absperrungen schon umgetrampelt und sich für den Sturm auf den Rasen bereitgemacht – als plötzlich Hans Krankl mit Gipsfuß und Krücken angehumpelt kam und die Menschen zur Vernunft brachte.


Eine regelrecht feurige Romanze zelebrierte Krankl mit dem FC Barcelona. Obwohl nach der WM 1978 alles auf einen Transfer zu Valencia hindeutete. Aber in letzter Minute musste umgeplant werden, weil der „gute Scherz“ von Berater Skender Fani keiner war. Barca holte Krankl in eine andere Welt. „Alleine meine Vorstellung ging von 10 Uhr am Vormittag bis 19 Uhr am Abend: Tausende Menschen im Stadion, 40 Journalisten, fünf TV-Stationen, Radio-Interviews, Abendessen mit den Bossen – das ist in Worte nicht zu fassen. Verglichen mit Rapid war das Profi-Fußball mal 10.000.“ Die „positiv erdrückenden“ Fan-Massen im Camp Nou ließen Krankl gleich in der ersten Saison zum Torschützenkönig und Finaltorschützen beim Triumph im Europacup avancieren.


Sonst noch was? Richtig, Corodoba. Ein Hemmnis für Österreichs Entwicklung?„Schwachsinn“, pflegt Krankl abzuwiegeln: „In Deutschland haben sie einen Film über die WM 1954 gedreht. Und wir sollen nicht mehr über Cordoba reden? Lächerlich.“
Hans Krankl, als Rapid-Trainer zweimal unglücklicher Cup-Final-Verlierer und verhinderter Heim-EURO-Teamchef 2008, feiert am 14. Februar seinen 70er. Er wird sein Leben weiter genießen zwischen TV-Studios, großen Bühnen („Musik ist mir genauso wichtig wie Fußball“) und seinem Allerwichtigsten: der Familie. Und wenn er dazwischen polarisiert – auch recht.