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04. Okt. 2023

Liga-Legende Gilewicz ber Sturm-Gegner Rakow: Ein Glcksfall!

Radoslaw Gilewicz gehört zu den Top-Legionären, die in der Bundesliga ihr Können zeigten. Zwischen 1999 und 2007 erzielte er für Tirol, Austria Wien und den FC Pasching 98 Tore in 241 Spielen. Zuletzt werkte der heute 52-Jährige als Sportkoordinator für den polnischen Verband, als sein Landsmann Jerzy Brczeczek, ebenfalls mit rot-weiß-roter Vergangenheit ausgestattet, dort Teamchef war. Für bundesliga.at analysiert der frühere Knipser das polnische Sensationsteam Rakow Czestochowa, das als amtierender Meister am Donnerstag (18.45 Uhr, live in ORF1) in der Europa-League-Gruppenphase Sturm Graz empfängt. Dabei enthüllt er das Geheimnis des Vereins, der vor sechs Jahren noch in der 3. Liga spielte.

 

Rakow Czestochowa war in der Saison 2016/17 noch ein weitgehend unbekannter Drittligist. Heute ist der Klub amtierender polnischer Meister, nachdem er zweimal Vizemeister und zweimal Pokalsieger wurde. Wie konnte so ein schneller Aufstieg gelingen?

Der Klub wurde von einem Investor aufgebaut, Michal Swierczewski, ein in Polen sehr bekannter Mann, der im Einzelhandel zu Reichtum kam. Er hatte einen klaren Plan, wie man einen Klub strukturiert und bis ganz an die Spitze führt. Und er ist noch lange nicht am Ende, hat auch internationale Pläne. In diesem Jahr ist man ja nur ganz knapp an der Gruppenphase der Champions League vorbeigeschrammt, da werden sie sicher nochmal angreifen.

Den Versuch wagen ja viele, aber was macht Swierczewski besser als andere Investoren?

Er hat unglaublich viel Geduld, vor allem mit dem Trainer. Er hat dem Verein eine Struktur verpasst, innerhalb der man langsam etwas aufbauen konnte. Obwohl es ja dann doch sehr schnell gegangen ist. Der Klub hat kaum Druck von außen, alle können locker und ruhig arbeiten, deswegen erreichen sie ihre Ziele. Nicht zu vergleichen mit Legia Warschau oder Lech Posen, wo Fans und Medien immer für Druck sorgen. Der Klub ist ein Vorbild für viele andere in Polen, hat allerdings noch ein großes Problem.

Und zwar?

Er hat kein modernes Stadion, weswegen sie ihre Europacupspiele auch nicht in Czestochowa, sondern im circa 60 Kilometer entfernten Sosnowiec austragen. Dort gibt es einen Zweitligisten mit einer brandneuen Arena mit Platz für etwa 11.000 Fans. Dadurch fehlt ihnen der klassische Heimvorteil. Als sie im Champions-League-Play-off knapp am FC Kopenhagen scheiterten (Anm.: 1:1 auswärts, 0:1 daheim), meinten die meisten Spieler: In Czestochowa hätten wir den Aufstieg geschafft. Das glaube ich auch.

Investor, Geduld mit dem Trainer, wenig Druck – klingt ein bisschen wie beim FC Pasching, wo du ja auch zwei Jahre unter Vertrag standest.

Einerseits stimmt der Vergleich. Aber es gibt einen großen Unterschied: Herr Grad hat sich damals schon sehr oft eingemischt. Hier ist der Investor ganz ruhig, sucht nicht die Medien, ist mit 45 Jahren auch noch relativ jung. Und es wird ja auch schon seit fünf Jahren auf Top-Niveau gearbeitet.

Du hast den Trainer angesprochen. Marek Papszun war der Georg Zellhofer des Klubs und hat ihn von unten bis zum Meistertitel geführt. Im Sommer hat er allerdings den Verein verlassen, ohne einen neuen Job zu haben. Warum das?

Nach sieben Jahren hat er gesagt: Dankeschön! Der Verein wollte unbedingt mit ihm weitermachen, er wollte aber nicht mehr. Er hat gespürt: Es geht für mich nicht weiter, ich bin ausgepowert, brauche Urlaub. Für ihn hat sein Assistent übernommen, Dawid Szwerga, mit 32 Jahren ein moderner und hungriger Trainer. Aus meiner Sicht war es das Beste, das dem Verein passieren konnte. Die Kontinuität besteht weiter, Szwarga bringt aber trotzdem neue Ideen ein und adaptiert das etablierte System etwas. Wobei der Start in die Saison nicht ganz so gut lief wie erhofft.

Woran liegt es?

Sie haben zuletzt relativ viele Gegentore bekommen, obwohl sie immer für ihre taktische Stabilität in der Defensive bekannt waren. Denen ein Tor zu schießen war dank ihrer Aggressivität auch für die großen Klubs immer eine große Herausforderung. So eine Phase wie jetzt hatten sie aber noch nie (Anm.: aktuell auf Rang 3 der Ekstraklasa). Was sicherlich auch am Verletzungspech liegt. Mit Kapitän Zoran Arsenic fehlt ihr Top-Mann in der Abwehr, auch Fran Tudor war zuletzt angeschlagen, das war ihr bester Mann in der Champions-League-Quali. Er sollte gegen Sturm aber wieder dabei sein. Und der Spanier Ivi Lopez fällt mit einem Kreuzbandriss noch länger aus, seine Torgefahr geht ihnen ab. Diese Ausfälle und die ungewohnte Dreifach-Belastung sind der Grund, warum es in dieser Saison noch nicht so ganz rund läuft.

Auf welche Spieler müssen die Grazer besonders aufpassen?

Rakow hat einen großen Kader von mehr als 30 Spielern, dabei haben sie mit Ben Ledermann derzeit nur einen einzigen polnischen Nationalspieler. Finanziell könnten sie sich wohl den einen oder anderen Topspieler leisten, das entspricht aber nicht ihrer Philosophie. Was sie haben, ist ein überragender Tormann, Vladan Kovacevic, für mich der beste Keeper in der polnischen Liga. Und ich finde den Schweden Gustav Berggren interessant, der wechselt zwischen der Sechser- und Achterposition und bestimmt den Rhythmus des Spiels.

Wie groß ist die Euphorie rund um den Klub in Polen? Freut man sich, dass es einen Herausforderer der Platzhirsche Legia Warschau und Lech Posen gibt?

Wenn man kein Fan der genannten Klubs ist, sagt man: Rakow ist ein Glücksfall für die polnische Liga. Der Verein tut der Liga gut. Die eigenen Fans gehören auch nicht zu den heißblütigsten der Liga, das ist eher ein ruhigeres Publikum. Ich bin davon überzeugt, dass Rakow auch in dieser Saison wieder bis zum Schluss um den Titel mitspielt.

Sturm gehört zu den Top-Teams in Österreich, hat in den letzten Jahren auch international Erfahrung gesammelt. Wer ist für dich in der Favoritenrolle?

(lacht) Da muss ich ganz diplomatisch sein und sage: 50:50. Favorit ist man ohnehin immer nur auf dem Papier, das habe ich schon als Spieler gelernt. Sturm ist jedenfalls eine Top-Mannschaft mit einer eigenen Idee vom Fußball. Ich sehe für beide Teams die Chance, um Platz zwei in der Gruppe zu kämpfen.

 

Fotos: GEPA pictures