08. Juli 2025

Liga-Legende Michael Baur: „Traue Sturm Hattrick zu!“
Der Mann kennt die Liga so gut wie seine Westentasche: Verteidiger-Urgestein Michael Baur lief 566-mal in der höchsten Spielklasse auf, am öftesten für „seine“ Innsbrucker, mit denen er insgesamt vier Meistertitel gewann. Neben seinen Auslandsstationen (Urawa Red Diamonds, HSV) spielte der 40-malige Nationalspieler in der heimischen Liga auch für den LASK und den FC Pasching. Heute führt der Inhaber der UEFA Pro Lizenz eine Fußballschule und ist als Trainer bei der Tiroler AKA für die U18 zuständig. Gut drei Wochen vor dem Saisonstart baten wir den 56-Jährigen zum Legenden-Talk.
Viele Experten glauben, dass wir vor einer der spannendsten Meisterschaften aller Zeiten stehen, in der es so viele Titelanwärter wie noch nie gibt. Du auch?
Es zeichnet sich ja seit zwei Jahren ab, dass die Liga immer ausgeglichener wird, die Dominanz der Salzburger nachgelassen hat. Wahnsinn, dass vergangene Saison zwei Runden vor Schluss noch vier Teams hätten Meister werden können. Und da waren Großklubs wie Rapid oder der LASK noch gar nicht dabei. Der WAC hat unter Didi (Anm.: Kühbauer) eine richtig gute Saison gespielt, auch die Austria kann durchaus wieder an ihre starken Leistungen anknüpfen. Diese Konkurrenz ist gut und wichtig für den österreichischen Fußball. Für den neutralen Zuschauer erwarte ich daher eine attraktive und interessante Saison.
Du wurdest mit Tirol zwischen 2000 und 2002 dreimal nacheinander Meister, ein Kunststück, das jetzt auch Sturm Graz schaffen könnte. Traust du das den Blackies zu?

Auf jeden Fall! Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man durch die Erfolge an Souveränität gewinnt. Für mich kommt es darauf an, ob die Klubführung den eingeschlagenen Weg konsequent weitergeht. Und dass sie auch handelt, wenn sie merken: Hoppala, für den einen oder anderen verdienten Spieler geht es sich nicht mehr aus.
Sturm wurde zweimal erst in der letzten Runde Meister, das war bei euch damals beim ersten Titel der Fall. Was macht das mit einer Mannschaft?
Es geht um Überzeugung, und die wird durch solche Erlebnisse natürlich gestärkt. Wir haben bei unserem ersten Titel vier Runden vor Schluss mit 1:4 bei Sturm Graz verloren. Nicht als schlechtere Mannschaft, aber wir wurden gnadenlos ausgekontert. Und trotzdem waren wir uns nachher in der Kabine einig, dass wir den Titel holen werden, wir waren wirklich felsenfest davon überzeugt. Das war sicher ein großes Verdienst vom damaligen Trainer Kurt Jara, der hat dieses Selbstvertrauen in die Gruppe gebracht. Du musst nur aufpassen, dass aus dieser Überzeugung, dieser Selbstverständlichkeit keine Überheblichkeit wird, das wäre das Schlimmste, was passieren kann. Aber dafür sehe ich bei Sturm keine Anzeichen. Die haben mit ihren Fans eine so gute Chemie, das passt gut zueinander.
Viele diskutieren über die Rolle von Jäger und Gejagten und ob Sturm jetzt der Titelfavorit ist oder doch Salzburg…
(lacht) Also ich war immer lieber in der Rolle des Gejagten! Weil das bedeutet, dass du ja schon Erfolge gefeiert hast. Man darf halt nur nicht satt werden davon. Ich finde, verfolgt zu werden, ist eine coole Position.
Der LASK (mit Joao Sacramento) und Rapid (Peter Stöger) haben sich auf der Trainerbank mit viel diskutierten Personalien verstärkt. Dein Blick darauf?
Über Sacramento kann ich nicht viel sagen, aber dass er mit seiner Vita über Qualitäten verfügen muss, steht ja außer Frage. Man muss nur abwarten, ob er auch die Rolle des Chef-Trainers ausfüllen kann. Wie schwierig der Umstieg sein kann, hat man ja vergangene Saison in Salzburg gesehen. Ich freue mich darauf, das beobachten zu können. Und über Peter braucht man ja nicht viele Worte zu verlieren, seine Erfolge mit großen Klubs sprechen für sich. Ich kann mir vorstellen, dass er mit seiner ruhigen, besonnenen Art und seiner Erfahrung Rapid richtig guttut. Wenn da von Beginn an die Ergebnisse passen und mit diesen einzigartigen Fans eine Dynamik entstehet, kann ich mir absolut vorstellen, dass Rapid plötzlich ganz vorne mit dabei ist.
Mit der SV Oberbank Ried kehrt ein alter Bekannter in die ADMIRAL Bundesliga zurück…
… und so etwas tut der Liga immer gut. Ried war zu meiner Zeit meist in der Bundesliga mit dabei und hat sich oft gut verkauft. Meistens aus der Underdog-Rolle, aber die haben sie sehr gut ausgefüllt. Für mich sind sie gefühlt auch einer der Traditionsvereine, die oben dazugehören. (lacht) Auf sie schaue ich auch deswegen besonders, weil mit Nebio Zotz ein Spieler seit diesem Sommer dabei ist, der bei mir in der Akademie in der U18 gespielt hat.
Rund um den FC Wacker herrscht wieder Euphorie. Der Klub hat den Aufstieg in die Regionalliga geschafft und spielt im Cup gegen Rapid. Wie nimmst du die Stimmung in Innsbruck wahr?
Durchaus euphorisch. Für das Rapid-Spiel wurden bis jetzt 12.500 Tickets verkauft, das ist eine richtig coole Sache. Viele jüngere Kicker wissen ja gar nicht, dass das der österreichische Rekordmeister ist. Irgendwie wäre es geil, wenn ich mit meinem Sohn oder meinem Enkel mal wieder ins Tivoli fahren könnte und ein tolles Bundesligaspiel des FC Wacker sehen könnte. Der Klub sorgt für immer mehr Gesprächsstoff in der Stadt und gehört einfach zum Leben hier dazu.
Schaffen sie den Durchmarsch in die 2. Liga?
Könnte ich mir vorstellen, die Qualität haben sie. Wenn es klappt, wäre es eine tolle Sache.
Der Herbst steht auch im Zeichen der WM-Qualifikation, es wäre die erste seit 1998. Schafft es das ÖFB-Team?
Normalerweise müssten wir es schaffen, die Qualität ist da. Wichtig ist, den vom Teamchef vorgegebenen Weg konsequent weiter zu verfolgen. Für mich und meine weitere Karriere war die WM 1990 eine unglaublich wichtige Erfahrung, auch wenn ich in Italien nicht zum Einsatz kam. Diesen Sprung hat mir niemand zugetraut, inklusive mir selbst. Aber es hat mir gezeigt, was man durch harte Arbeit und immer wieder Aufstehen erreichen kann. Widerstandsfähigkeit – das ist bis heute die ganz große Kunst eines Profifußballers.
Redakteur: Markus Geisler
Fotos: GEPA pictures