02. März 2023

Maskenball
Im Frühjahr 2020 brachte die Corona-Pandemie die ganze Welt – und damit auch den Profifußball – zum Stillstand. Dank eines ausgeklügelten Präventionskonzepts wurde die Bundesliga zum Vorreiter in Sachen Restart.
Am Freitag, dem 13., zog die Regierung die Notbremse. „Ab Montag müssen wir unser soziales Leben auf ein Minimum reduzieren“, verkündete der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz der Öffentlichkeit. Um die Ausbreitung des Coronavirus einzubremsen, erließ die Regierung weitreichende Maßnahmen, darunter eine allgemeine Ausgangssperre. Die Situation hatte sich bereits in den vergangenen Wochen zugespitzt. Nachdem China am 31. Dezember 2019 die ersten Fälle einer mysteriösen Lungenkrankheit der WHO gemeldet hatte, wurde die Öffentlichkeit zu Beginn des Jahres 2020 langsam auf die neue Krankheit aufmerksam. Spätestens als sich die Fälle in Italien häuften, wurde man auch in Österreich hellhörig, am 25. Februar wurden hierzulande die ersten Fälle bekannt. Im März ging es dann Schlag auf Schlag: Am 5. stuften die isländischen Behörden Ischgl als Risikogebiet ein, an der Grenze zu Italien wurden Gesundheitschecks eingeführt. Am 10. wurden erstmals Maßnahmen verkündet, die auch den Fußball betrafen: Veranstaltungen mit mehr als 500 Besuchern wurden untersagt. Die Bundesliga verschob daraufhin in einem ersten Schritt die kommenden beiden Runden, und der LASK musste sein eigentlich ausverkauftes Europa-League- Achtelfinale gegen Manchester United als Geisterspiel austragen. Am 11. stufte die WHO die Corona-Krise als Pandemie ein, am 12. wurde der erste Corona-Todesfall in Österreich bekannt.
Keiner der drei Gründe

Als einen Tag später, an ebenjenem 13. März, Kanzler Kurz, Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer vor die Presse traten und die weitreichenden Maßnahmen verkündeten, war klar: Das Leben, wie wir es gekannt hatten, war vorerst einmal vorbei, es gab fortan nur mehr „drei Gründe, das Haus zu verlassen“. Fußballspiele gehörten nicht dazu, die Liga wurde unterbrochen, selbst gemeinsames Training war untersagt. Wie für alle andere Menschen, die nicht in der kritischen Infrastruktur tätig waren, wurde auch für Fußballer das eigene Zuhause zum absoluten Lebensmittelpunkt für die kommenden Wochen. Eine Situation, die Jan Zwischenbrugger zu diesem Zeitpunkt bereits kannte. Der Altach-Innenverteidiger hatte sich bereits Anfang März als Kontaktperson in Quarantäne begeben müssen, nachdem sich ein Freund von ihm mit dem Corona- Virus infiziert hatte. „Als der Lockdown begonnen hat, war ich schon seit fast zwei Wochen daheim, das war für mich dann nichts Neues mehr“, sagt Zwischenbrugger. Er hielt sich zuhause fit: „Der Verein brachte mir einen Ergometer, zudem konnte ich einige Kraftübungen machen.“ Aber – und da ging es Profifußballern nicht anders als dem Rest der Bevölkerung – mit Fortdauer des Lockdowns wurde die ungewisse Zukunft zur Herausforderung. Zwischenbrugger drückt seine damalige Stimmungslage so aus: „Ungewissheit ist in jeder Lebenslage ein mühsamer Begleiter. Man begann schon, sich seine Gedanken zu machen.“ Der ungewisse Zeithorizont beschäftigte auch die Bundesliga. „Zu Beginn haben wir ja alle nicht gewusst, wie lange diese Situation andauern wird, es ging vor allem darum, wie man die Spieler zuhause irgendwie fit hält“, blickt Bundesliga Spielbetriebsvorstand David Reisenauer auf das Frühjahr 2020 zurück. Er koordinierte damals den Austausch zwischen den Verantwortlichen der Klubs. Bereits Anfang April arbeitete die Liga an einem Konzept zur Wiederaufnahme des Trainings- und Spielbetriebs – zu einem Zeitpunkt, als sogar die Baumärkte noch geschlossen hatten. „Wir wollten unsere Hausaufgaben machen, um bereit zu sein, sobald es wieder geht“, sagt Reisenauer.
Internationale Vernetzung

Man arbeitete in unterschiedlichen Szenarien, sprach mit Sportdirektoren, vertraute auf das Know-how der Ärzte – und hielt aus dem Homeoffice Kontakt zu anderen Ligen. Wie die Suche nach einem Impfstoff wurden auch die Bemühungen zur Wiederaufnahme des Profifußballs zum internationalen Teamwork. „Wir waren viel mit anderen Ligen in Kontakt“, erzählt Reisenauer, „zu den Kollegen aus der Schweiz und aus Deutschland haben wir ohnehin einen engen Draht und über die Ligenvereinigung European Leagues haben Ligen aus ganz Europa ihr Know-how und ihre Erfahrungen eingebracht.“ Die Vorarbeiten der Liga sollten sich bezahlt machen, ab Mitte April wurde das Training in Kleingruppen wieder erlaubt, die Wiederaufnahme des Spielbetriebs war zumindest als fernes Ziel am Horizont zu erkennen. In mehreren Treffen mit dem Gesundheits- und Sportministerium wurden die behördlichen Grundlagen für die Wiederaufnahme der Meisterschaft erarbeitet. Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler erinnert sich an „intensive und vertrauensvolle Abstimmungen“. Die führten dazu, dass Kogler am 12. Mai gemeinsam mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober, ÖFB-Präsident Leo Windtner, Bundesliga- Vorstand Christian Ebenbauer und Austria-Wien-Sportvorstand Peter Stöger die Rahmenbedingungen für die Wiederaufnahme des Mannschaftssports kommunizieren konnte. „Und ich glaube mit Recht sagen zu können: Keiner hat diesen damals durchaus mutigen Schritt jemals bereut“, so Kogler heute. Die Bundesliga konnte als erste heimische Sportliga den Betrieb wieder aufnehmen, am 2. Juni 2020 rollte nach 86 Tagen Pause der Ball wieder, unter anderem bei der Partie Mattersburg gegen Altach. Jan Zwischenbrugger stand im Pappelstadion in der Startformation seiner Altacher: „Bereits das erste Training mit der Mannschaft war ein tolles Gefühl und dann auch wieder spielen zu können, war super. Wir waren sehr dankbar, dass zumindest im Sport eine gewisse Normalität einkehrt.“
Neue Normalität

Das Rundherum war freilich doch etwas anders als gewohnt: Die Saison musste ohne Zuschauer fertig gespielt werden und es galt, das 24 Seiten starke Präventionskonzept der Liga einzuhalten, in dem sämtliche Maßnahmen gebündelt wurden, um den Spielbetrieb möglichst sicher über die Runden zu bringen. Die am Spiel beteiligten Personen wurden in drei Gruppen unterteilt (Gelb, Orange und Rot – die besonders isolierte Gruppe bestehend aus Spielern und dem engsten Betreuerstab), es gab regelmäßige Tests und weitreichende Maskenpflicht. Anfangs wurden sogar die Bälle laufend desinfiziert. Dank des ausgeklügelten Konzepts konnten sowohl die Bundesliga als auch die 2. Liga sportlich zu Ende gebracht werden, während in anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden die Meisterschaften abgebrochen wurden. Die Bundesliga wurde damit auch zum Pilotprojekt für andere Sportarten. „Aufgrund ihrer professionellen Strukturen und ihrer Expertise hat die Liga hier zurecht die Führungsrolle übernommen. Das Präventionskonzept diente in der Folge als Vorbild für viele andere Verbände“, sagt Kogler. Und äußert doch einen Wunsch, mit dem er wohl nicht nur den Sportfans aus der Seele spricht: „Bei allem Respekt für dieses vorbildliche Werk – ich hoffe, dass es nie wieder zur Anwendung kommen muss.“