09. Mai 2025

Michael Wagner feiert den Meistertitel

Michi Wagner: „Mir kann keiner erzählen, dass er nicht geil auf den Titel ist“

Michael Wagner hat die Wiener Austria 2003 zum Double geführt und sitzt heute im Verwaltungsrat der Violetten. Aber es gab auch ein Jahr, in dem er für Rapid kickte. Mit bundesliga.at sprach er über das Derby und die Titelhoffnungen der Austria.

Michi Wagner, du kennst das Wiener Derby zwar von beiden Seiten, bist aber heute in offizieller Funktion bei der Austria. Da wird sich die Frage nach deiner Sicht des Derbys wohl erübrigen? 

Michael Wagner

Ja, ich bin seit zweieinhalb, drei Jahren im Verwaltungsrat der Austria und sehe das Derby natürlich zu 100 Prozent aus violetter Sicht. Mein Rapid-Abstecher ist ja auch schon ewig her, bald 30 Jahre. Man kennt die Geschichte ja. Ich bin damals mit Freiburg abgestiegen und habe alle meine Angebote gut durchgedacht. Da gab's den VfB Stuttgart mit Franz Wohlfahrt, Bayern München, wo Egon Coordes gerade Chefscout geworden war. Aber beide haben mich eher als Zukunftsaktie, nicht gleich als Bundesliga-Stammspieler gesehen. Die Austria war damals in einer Situation, wo sie sich gar nicht erst mit mir in Verbindung gesetzt hat. Und dann kam das Angebot von Rapid. Ich wollte viel Spielzeit, im besten Fall Europacup und mich auch für das Nationalteam empfehlen. Also habe ich geglaubt, mit Rapid sportlich die beste Entscheidung zu treffen. Aber wie man heute weiß, war es nur eine kurze Episode, weil bei der Austria dann die Ära Stronach begonnen hat und ich Gott sei Dank schnell wieder bei der Austria war.

Weil es bei Rapid für dich auch sportlich nicht ganz nach Wunsch gelaufen ist?
Würde ich nicht sagen, wir haben im Europacup immerhin 1860 München geschlagen und sind erst an Lazio gescheitert, in der Liga sind wir Vizemeister geworden und Heri Weber, der das Traineramt übernommen hat, hat mir gleich gesagt, du gehst nirgendwo hin. Aber die Entscheidungsträger der Klubs haben dann doch anders entschieden. Für mich war es eine richtige Entscheidung, obwohl ich nicht gleich in eine funktionierende Mannschaft gekommen bin. Aber ich habe sofort eine wichtige Position gespielt und wir haben uns von unten bis zum Doublesieg 2003 hochgearbeitet.

War Rapid anders als die Austria?
Nein, ich bin gebürtiger Wiener, deshalb kann ich diesen Derbycharakter schon ganz gut einschätzen. Ich habe natürlich die Rivalität dieser zwei absoluten Traditionsvereine und ihre riesige Fanbase von Anfang an mitbekommen. Auch in der Familie gab es Austrianer und Rapidler, da war das Derby auch heiß umkämpft, aber auf sportliche Art und Weise. Sportlich war es natürlich wichtig, vor dem Rivalen zu sein. Der Derby-Sieger durfte sich auf ein paar schöne Wochen freuen, für den Verlierer war's umgekehrt. Aber Hassgefühle gehören nicht zum Derby. Die Auswüchse, die es leider immer wieder gibt, haben – egal welche Farbe – nichts mit Vereinsliebe zu tun. Sie schaden dem eigenen Verein am meisten. Das sehen 99 Prozent der Fans so, aber das eine Prozent oder sogar nur 0,01 Prozent steht dann in der Zeitung.

Austria Spieler Michael Wagner im Zweikampf

Du hast anfangs elf violette Derbys bis zu deinem ersten Sieg (mit Rapid) gebraucht, am Ende aber 17 Derbys nicht verloren. Ist dir eines in besonderer Erinnerung geblieben?
Die Derbys waren generell das I-Tüpfelchen einer Saison, aber mein erstes Derby-Tor ist mir natürlich schon besonders in Erinnerung geblieben. Es muss 1999 im Happel-Stadion gewesen sein. Ich habe den Ball in der eigenen Hälfte bekommen und bin über das ganze Feld marschiert, am Schluss hab’ ich noch Peter Schöttel aussteigen lassen und zum 1:0 getroffen. Das Derby ist zwar 1:1 ausgegangen, aber ein Solo über den ganzen Platz ist bei mir nicht so oft vorgekommen.

Wie geht es dir jetzt, wenn du die Austria plötzlich wieder im Titelkampf siehst?
Spannenderweise wiederholt sich gerade ein bisschen, was ich vorhin über meine Zeit als Spieler erwähnt habe. Jeder weiß, wie es um die Austria gestanden ist, als ich im Verwaltungsrat begonnen habe. Aber wir haben alle miteinander sehr gute Arbeit geleistet, damit es wieder in die richtige Richtung geht. Nach einigen sportlich nicht optimalen Jährchen haben wir heute einen breiten, sehr guten Kader. Ein ganz wichtiger Faktor ist für mich die Fanbase, der Zuschauer-Zuspruch ist unglaublich. Das hat schon vor zwei, drei Jahren begonnen, als es noch nicht so gut gelaufen ist. Wenn ich zurückdenke, haben wir selbst bei unserem Double nicht so viele Zuschauer gehabt, wie jetzt gegen den Letzten.

Was macht die Austria so stark?
Das stabile Defensiv-Verhalten sorgt einmal dafür, dass wir kontinuierlich Punkte einfahren, dann reicht vorne oft schon ein Tor. Dann ist ein besonderer Spieler wie Fitzi mit seinen kreativen Momenten Gold wert. Natürlich braucht er auch Mitspieler, die darauf eingehen. Die hat er mit Malone und Prelec, die die Abläufe mittlerweile gut kennen. Es gab auch Phasen, in denen wir auch das nötige Glück hatten, aber das brauchst du, wenn du noch nicht so dominant bist, wie man das vielleicht von früheren Austria-Mannschaften gewöhnt war. Zusammenfassend würde ich sagen: Defensiv sind wir schon meisterwürdig, vorne, wenn ich mir was wünschen darf, könnten wir noch effektiver sein. Wie bei unserer Siegesserie, da haben wir ja oft auch nicht 15 Chancen gehabt, waren aber brutal effizient.

Ein weites Plus dürfte der Zusammenhalt in der Mannschaft sein.
Da sind viele Dinge, die zusammenspielen. Die Charaktere in der Mannschaft passen, der Coach kann sie gut leiten, weil auch wenn alles lustig und leiwand ist, muss er trotzdem dafür sorgen, dass alle hart arbeiten. Und dann gibt es ja nicht nur die elf, die immer spielen – da unterstützen die vielen Siege das gute Klima auch. Es wäre sicher schwieriger, wenn du einmal fünf Spiele hintereinander verlierst.

Spieler und Trainer schauen ja nicht auf die Tabellen, wie sie immer behaupten. Aber du darfst rechnen: Geht sich der Titel noch aus?
Natürlich, die schauen nicht auf die Tabelle, das haben wir als Spieler auch immer gesagt. Das muss man nach außen auch so kommunizieren. Aber mir kann keiner erzählen, dass nicht jeder von ihnen schon so geil ist auf den Titel. Und ich bin immer noch der Meinung, dass es sich ausgehen kann. Ich habe so das Gefühl, dass uns gegen Sturm noch einer Schützenhilfe leisten wird – der WAC vielleicht? Klar ist, wir müssen unsere Spiele gewinnen. Macht das das Derby leichter? Nein! Und die letzte Partie gegen BW Linz gewinnen zu müssen, ist auch keine leichte Geschichte. Aber das gilt für jeden. Es ist alles offen, aber als Optimist sehe ich unsere Chancen mehr als intakt. Und wir genießen, dass wir bis zum Ende um den Titel mitspielen. Egal wie es ausgeht, war es eine sehr gute Saison. Auch wenn das Aus im Cup-Halbfinale schmerzt und es auch schmerzen würde, wenn es am Ende des Tages nicht klappen sollte.

Austria Spieler Dominik Fitz im Zweikampf mit Rapid Guido Burgstaller

Hast du eine Erklärung für den eklatanten Leistungsabfall bei Rapid?
Als Außenstehender fehlt mir der Einblick, aber die extreme Veränderung ist schon sehr spannend. Weil am Anfang der Saison haben sie mir wirklich sehr gut gefallen. Da haben sie mit einer unglaublichen Überzeugung und Aggressivität nach vorne gespielt, haben eine super Strafraumbesetzung gehabt. Da habe ich mir gedacht, Halleluja, wenn das so weitergeht! 
Der Grund, dass es nicht mehr klappt, kann eigentlich nur eine mentale Komponente sein. Irgendwann ist ein Knacks gekommen. Im Europacup ist es noch positiv gelaufen, als dann auch dort die historische Chance vertan wurde, ist es Schlag auf Schlag gegangen. Das lässt sich dann nur mehr schwer auffangen. Wenn es in der Liga so eng zugeht, gewinnst du die Spiele über den Kopf. Und ich bin sicher: Der Kopf ist bei Rapid das größte Problem.

Redakteur: Horst Hötsch

Fotos: GEPA pictures