22. Nov. 2018

NS-Zeit der Wiener Austria wissenschaftlich aufgearbeitet
Noch rechtzeitig im Gedenkjahr 2018 ist die wissenschaftliche Aufarbeitung zur Geschichte der Wiener Austria in der NS-Zeit nun in Buchform erschienen. Mit "Ein Fuballverein aus Wien - Der FK Austria im Nationalsozialismus 1938-1945" wird ein Schlussstrich unter so manchen Mythos gezogen, erluterte Historiker Bernhard Hachleitner bei der Prsentation am Donnerstag in der Generali Arena."So gibt es fr die angebliche Weigerung von Matthias Sindelar, fr die deutsche Nationalmannschaft zu spielen, keine Belege", berichtete Hachleitner. Nur vor dem Spiel einer "Ostmark"-Auswahl gegen Aston Villa soll die Austria-Legende "herumgedruckst" haben, er sei mde. Das sei bei dem damaligen dichten Spielplan der Austria und dem schon hohen Fuballer-Alter Sindelars nachvollziehbar, sagte der Co-Autor des Buches.Zum Zeitpunkt des Anschlusses im Mrz 1938 war der Vorstand der Austria jedenfalls durchwegs mit jdischen Brgern besetzt. Sie wurden sofort nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten abgesetzt und vertrieben. Manager Robert Lang und Schriftfhrer Heinrich Bauer wurden Opfer des Holocaust. Der Verein wurde vorbergehend in "Ostmark" umbenannt und bekam einen neuen Vorstand."Die Spieler waren in der NS-Diktion alle 'Arier' und sollten weiterspielen drfen", sagte Hachleitner. Sie profitierten teilweise von "Arisierungen" - so wie Sindelar vom Cafe Annahof im Bezirk Favoriten - oder bekamen Versorgungsposten der Stadt Wien zugeschanzt. "Diese Versorgung der Austria-Spieler ist nicht anders abgelaufen als bei anderen Wiener Fuballvereinen", betonte Hachleitner. Eine ganze Reihe Austrianer spielte auch fr die deutsche Nationalmannschaft."Die Austria sollte ein ganz normaler Wiener Sportverein werden", erluterte Mit-Autor Matthias Marschik. "Diese Umbauphase war im Herbst 1938 abgeschlossen". 14 Vereinsmitglieder - darunter zwei Spieler - waren in den NS-Jahren bei der NSDAP, je zwei auch SS- oder SA-Mitglieder. Dass die Austria als "Judenklub" ein besonderes Opfer des Nationalsozialismus war, lie sich in den Recherchen der Wissenschafter nicht belegen. Zur Anfangsphase des Krieges wurden zwar mehr Austrianer als Spieler anderer Klubs zur Wehrmacht eingezogen, das lsst sich laut dem Buch jedoch mit jahrgangsspezifischen Logiken der Heeresrekrutierung erklren.Austria-AG-Vorstand Markus Kraetschmer betonte die aktuelle Wichtigkeit des Buches, nachdem immer mehr Zeitzeugen nicht mehr leben. Angesprochen auf rechtsextreme Umtriebe in der aktuellen violetten Fanszene sagte er, dass der Verein in den vergangenen Jahren mit Hausverboten eine klare Linie gegen solche Personen und Gruppen gefhrt habe. "Wir machen diesen Leuten klar, dass sie bei uns nicht willkommen sind", so Kraetschmer, der auf eingeschrnkte Mglichkeiten der Austria bei Auswrtsspielen verwies.Die beteiligten Forscher haben fr "Ein Fuballverein aus Wien - Der FK Austria im Nationalsozialismus 1938-1945" in Tausenden Arbeitsstunden ber drei Jahre 6.379 Einzeldateien zusammengetragen, erluterte Sportwissenschafter Rudolf Mllner von der Universitt Wien. 150 Personenbiografien wurden recherchiert, Medien von der "Fuball-Woche" bis zum "Vlkischen Beobachter" sowie der Sepp-Herberger-Nachlass in Frankfurt, das Dokumentationsarchiv des sterreichischen Widerstands und Archive der Israelitischen Kultusgemeinde durchgesehen. Von der Austria habe es keine inhaltliche Einmischung gegeben, betonte Mllner.Es ist auch "keine Geschichte, die nur die Austria betrifft", erluterte Johann Skocek als einer der weiteren Autoren. "Es ist eine Stadtgeschichte, eine Fuballgeschichte, eine Geschichte des Vereins und eine politisch-ideologische Geschichte", fasste der Journalist und Historiker zusammen.INFO: Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik, Rudolf Mllner, Johann Skocek, "Ein Fuballverein aus Wien", Bhlau Verlag, gebundene Ausgabe, 311 Seiten, 30 Euro.