21. Mai 2022
Seriensieger Harald Lechner - In Jeans beginnt's
Harald Lechner ist das, was Salzburg auf Klubebene ist – ein Seriensieger. Der Wiener wurde zum neunten Mail in Folge zum „Schiedsrichter des Jahres“ in der ADMIRAL Bundesliga gewählt. Hier verrät er, wie er Fußball und Job unter einen Hut bekommt und bilanziert die erste VAR-Saison.
Freitag, 23. Juli 2021. Harald Lechner betritt erstmals die VAR-Zentrale in Wien-Meidling. Er fungiert als erster Videoschiedsrichter Österreichs und unterstützt seinen Kollegen Walter Altmann, der gerade das Eröffnungsspiel der neuen Saison zwischen Sturm und Salzburg pfeift. Absolutes Neuland für den 38-Jährigen. Schon in der elften Minute muss er nach einer kniffligen Situation erstmals eingreifen. Der zweifache Familienvater lässt sich trotz der aufkommenden Hektik nicht beirren, schaut sich die Bilder auf seinen Monitoren in Ruhe an und gibt seine Entscheidung per Funk an seinen Kollegen weiter. Kein Abseits, Führung für Sturm.
Lob von allen Seiten im Nachhinein – Lechner lag goldrichtig. „Der Aufwand ist hoch, aber der VAR hat den Fußball in Österreich definitiv fairer gemacht. Ein paar technische Probleme konnten wir sehr rasch beheben“, bilanziert Lechner im Gespräch mit dem Bundesliga-Journal. Seine wichtigste Erkenntnis nach der ersten VAR-Saison: „Am Anfang glaubst du ja, dass du damit hundertprozentige Gerechtigkeit herstellen kannst. Aber die wird es nie geben. Es ist nicht wie im Tennis, wo der Ball in oder out ist. Im Fußball wird es immer Graubereiche und Interpretationsspielraum geben.“ Dass manche Entscheidung erst nach mehreren Minuten getroffen werden kann, verteidigt er: „Die Devise muss lauten: Richtigkeit vor Schnelligkeit.“
Der Wiener ist seit 2010 offizieller FIFA-Schiedsrichter, hat es bislang in Österreich auf mehr als 300 Spiele (1. + 2. Liga) sowie Dutzende Cup-Duelle und internationale Auftritte gebracht. Und das neben einem 40-Stunden-Job (Lechner ist seit Kurzem bei den ÖBB im Konzerneinkauf tätig). „Ohne Verständnis meiner Familie wäre das natürlich nicht möglich“, gibt Lechner zu. Neben den Spielen am Wochenende muss sich Lechner auch unter der Woche körperlich fit halten. Oftmals ist es so, dass er bereits um 5.30 Uhr seine erste Laufrunde absolviert, dann zur Arbeit geht und am Abend noch einmal eine Trainingseinheit einlegt. „Zeit für andere Dinge bleibt dann nicht viel“, schmunzelt Lechner.
In Jeans an der Linie
Doch genau diese Hingabe ist es, die von seinen Kollegen, Spielern und Trainern gleichermaßen geschätzt wird. „Neben der Kommunikation auf Augenhöhe ist für mich die Berechenbarkeit die wichtigste Eigenschaft für einen Schiedsrichter. Diskutieren kann man nach einem Spiel über alles, aber Respekt und Fairness sind oberstes Gebot.“
Seine Leidenschaft zum Fußball wurde ihm von seinem Vater, der selbst Schiedsrichter war, mitgegeben. Lechner erinnert sich an seine erste aktive Begegnung: „Ich war zwölf, mein Vater Hauptschiri und sein Assistent ist ausgefallen. So stand ich plötzlich in Jeanshose an der Seitenlinie.“ Mit 16 schließlich pfiff er dann sein erstes Spiel.
Das Schiedsrichterwesen hat ihn bislang durch ganz Europa und darüber hinaus gebracht. Highlights in der abgelaufenen Saison? „Das Spiel Tel Aviv gegen Eindhoven in der Conference League. Da stehst du plötzlich in einem israelischen Hexenkessel und musst deinen Mann stehen.“ Ans Aufhören denkt Lechner – obwohl die meisten Schiedsrichter weitaus jünger sind als er – noch lange nicht: „So lange Körper und Job es zulassen und der Beruf weiterhin so großen Spaß macht, mache ich weiter.“ Lechner ist stolz, Teil der Bundesliga zu sein: „Es ist MEINE Liga!“