23. Sept. 2025

Simon Piesinger: „Das kann für Sturm eine tolle Europa-League-Saison werden"
Simon Piesinger trug drei Jahre lang den Sturm-Dress, danach war er ebenso lang Dänemark-Legionär. Vor Sturms Europa-League-Auftakt bei Midtjylland sprach der WAC-Routinier mit bundesliga.at über den kuriosen Trainerwechsel der Dänen, das Grundgerüst des Grazer Meisterkaders – und den Saisonstart des WAC.
Simon, du als ehemaliger Sturm-Spieler und Dänemark-Legionär: Was können wir von den Grazern bei ihrem Europa-League-Auftaktspiel beim FC Midtjylland erwarten?
Vor drei Jahren war ich bei Sturms 1:0-Heimsieg im Stadion. Wie damals, als jeder sein Heimspiel gewonnen hat, rechne ich auch diesmal wieder mit einer ausgeglichenen Partie. Die dänischen Top-Klubs spielen alle auf einem ähnlichen Niveau wie unsere. Das Stadion in Herning wird sicher auch gut besucht sein, aber es ist jetzt kein Hexenkessel.

Welchen Status hat der FC Midtjylland in Dänemark?
Midtjylland hat sich in den letzten Jahren zum großen Gegenspieler von FC Kopenhagen entwickelt, spielt jedes Jahr um den Titel mit und hat immer eine gute Mannschaft. Das liegt auch an dem guten Scoutingsystem, für das Midtjylland und der Partnerklub Brentford, die ja den gleichen Eigentümer haben, bekannt geworden sind. Dadurch ist es dem Klub schnell gelungen, an die Spitze zu gelangen, obwohl er noch relativ jung ist. Ich habe den Verein zuletzt auch deshalb genauer verfolgt, weil Thomas Thomasberg, der mein Trainer bei Randers war, dort bis vor einem Monat noch gearbeitet hat.
Sein Abschied war ja etwas kurios. Kennst du Hintergründe, warum er gefeuert wurde, obwohl er den Klub gerade in die Ligaphase geführt hatte?
Angeblich wollte der Eigentümer viel Geld für neue Spieler in die Hand nehmen, aber das wollte Thomasberg nicht. Er wollte lieber mit der bestehenden Mannschaft weiterarbeiten, deshalb musste er gehen. Aber auch auf den neuen Mann, Mike Tullberg, den ich nur von seinen zwei Spielen als Dortmund-Interimstrainer kenne, halten sie in Dänemark große Stücke. Er soll sehr ehrgeizig sein.
Wer sind die Leistungsträger der Mannschaft?
Der neue Star ist Mittelstürmer Franculino, der in den ersten Runden jede Menge Tore geschossen hat. Auch der Brasilianer Brumado, der schon zu meiner Zeit gespielt hat, ist technisch sehr stark. Sie haben eigentlich immer sehr gute Brasilianer und auch starke dänische Spieler, die oft aus der Premier League zurückgekommen sind, wenn sie sich dort nicht ganz durchgesetzt haben – wie zum Beispiel Philip Billing. Im Tor, wo jetzt schon öfter Olafsson statt Lössl spielt, haben sie immer auch auf Größe geschaut.
Dominiert in Dänemark der Pressingstil?
Der Spielstil ist in Dänemark schon intensiv, Midtjylland ist aber vor allem im Ballbesitz sehr gut. Wenn sie den Ball einmal erobert haben, geben sie ihn nicht so schnell wieder her. In der Abwehr sind sie sehr robust, da stehen ein paar richtige Herren hinten drinnen, die auch wiederum bei Standards und mit ihren Einwürfen gefährlich sind. Aber das kennt man ja von den Dänen.
Was darf man Sturm in der Ligaphase zutrauen?
Ich gehe davon aus, dass sie mehr Punkte holen werden als im Vorjahr in der Champions League. Die war zwar sicher auch eine coole Erfahrung, aber ich glaube, Sturm muss nicht nachtrauern, dass es diesmal nicht geklappt hat. Auch die Europa League ist eine super Geschichte und die Fans können sich freuen, die internationalen Spiele wieder in Liebenau zu sehen. Das kann schon eine tolle Europa-League-Saison werden.
Stimmst du zu, wenn es heißt, dass Sturm Graz schwächer geworden ist?
Das ist schnell gesagt, weil einige namhafte Spieler abgeben wurden und die Neuen vielleicht noch nicht die großen Namen haben. Aber wenn ein Bøving geht, heißt das ja nicht, dass nicht ein anderer Spieler das nützen und genauso gut funktionieren kann. Vielleicht nicht sofort, aber in ein paar Wochen. Kiteishvili ist noch immer überragend und ein Stankovic und Horvat sind auch noch da. Das ist immer noch das Grundgerüst des Meisterkaders.
Wie bist du mit dem Saisonstart beim WAC zufrieden?
Nicht sehr zufrieden, aber zufrieden. Die Europacup-Saison ist leider für uns vorbei, aber jetzt gilt unsere volle Konzentration wieder der ADMIRAL Bundesliga. Dass wir gleich Salzburg geschlagen haben, hat uns gut getan, das 2:2 gegen Hartberg waren dafür wieder zwei verlorene Punkte. Es wäre also schon noch besser gegangen.
Sind die eigenen Ansprüche nach dem nur knapp verpassten Meistertitel und dem Cupsieg größer geworden?
In der Vorsaison hat nicht viel gefehlt, aber in der Meisterschaft haben größere Vereine schon noch andere Möglichkeiten. Aber wir haben gezeigt, dass es für Vereine unserer Größe möglich ist, den Cup zu gewinnen. Das hat einen sehr hohen Stellenwert für mich.
Mit Polster und Schöpf hatte der WAC zuletzt aber schon zwei Teamkandidaten…
Schöpfi ist ein überragender Spieler. Wie er mit dem Ball umgeht und unser Spiel trägt, steht er schon noch einmal ein, zwei Stufen über allen anderen. Und bei den Torhütern sind wir mit Nik Polster und Lukas Gütlbauer brutal gut aufgestellt. Sie haben beide das Potenzial für höhere Aufgaben. Nik wurde schon mit einer Teamberufung belohnt, er wird sicher nicht mehr ewig beim WAC sein.
Text: Horst Hötsch; Fotos: GEPA pictures