12. Dez. 2023

Sky-Experte Marko Stankovic: Sturm wird es von den drei sterreichischen Teams am schwersten haben
„Sky“ Analyse-Experte Marko Stankovic ist diese Woche an allen drei Europacup-Matchtagen im Einsatz und berichtet live von Salzburgs Endspiel gegen Benfica, wie auch von Sturms „Nervenschlacht“ gegen Sporting Lissabon. Für bundesliga.at ging er bereits vorab in die Analyse.
Hallo Marko, wie erwartest du Salzburg gegen Benfica, worauf wirst du genau schauen?
Ich werde genau darauf schauen, für welchen der zwei Matchpläne, die Salzburg in dieser Champions-League-Saison gezeigt hat, sich Gerhard Struber entscheiden wird. Mutig und hoch attackierend, so wie beim Auswärtssieg in Lissabon oder kompakter mit einer Doppel-Sechs, was gegen Inter, vor allem beim 0:0 in San Sebastian sehr gut funktioniert hat.
Bei Benfica brodelt’s gerade. Fans und Medien haben sich gegen Trainer Roger Schmidt verschworen, hat das Einfluss auf das Spiel?
Für die Salzburger spielt das keine Rolle, sie werden sowieso keine Rücksicht darauf nehmen. Aber auch die Benfica-Stars wie Angel di Maria, Otamendi oder João Mario sind solche unruhigen Phasen gewöhnt. Sie haben bei den größten Klubs der Welt gespielt, da lernt man damit leben. Vielleicht ist es im Umfeld störend, aber auf dem Spielfeld ist denen das egal.
War es erwartbar, dass Salzburg und Benfica am letzten Spieltag um Platz 3 kämpfen?

Ich habe es zu Beginn der Saison genau konträr gesehen. Ich hätte Benfica am stärksten erwartet und Salzburg gegen Real Sociedad um Platz drei rittern gesehen. Dass jetzt Sociedad Tabellenführer ist und Benfica mit Salzburg um Platz drei kämpft, unterstreicht nur, wie ausgeglichen die Gruppe ist. Egal, wie das Spiel ausgeht, man kann jetzt schon sagen, dass die Salzburger wieder eine super starke Leistung abgeliefert haben. Wenn sie Dritter werden, war es sowieso eine unglaubliche Leistung, wenn sie Vierter werden, müssen sie sich in dieser Gruppe auch nicht verstecken.
Dennoch gibt es nicht wenige Experten, die Salzburg heuer schwächer sehen als in den vergangenen Jahren.
Salzburg wird bei uns mit anderen Augen gesehen. Die Salzburger haben in den letzten zehn Jahren so begeistert, dass sie sich nur mehr mit sich selbst messen können. Und da ist Stand jetzt der derzeitige Jahrgang für Salzburger Verhältnisse vielleicht jener mit der wenigsten Qualität. Aber da reden wir trotzdem noch immer von Top-Qualität. Salzburg ist immer noch Erster in der ADMIRAL Bundesliga – und das ist, wie wir wissen, keine schlechte Liga.
Fehlt einfach ein Vollstrecker wie es Haaland, Daka oder zuletzt Sesko waren?
Meiner Meinung nach sind es zwei Punkte: Zum einen ist Salzburg noch einmal jünger geworden, zum anderen ist Gerhard Struber zwar ein Trainer, der prädestiniert für Red Bull Salzburg ist, der aber den Nachteil hat, dass er wegen des späten Abgangs von Matthias Jaissle nicht die Vorbereitung mit der Mannschaft gemacht hat. Nach seinen Vorstellungen arbeiten kann er erst jetzt in der Winter-Vorbereitung. Es fehlt, was Gerhard Struber die Synchronität im Ablauf nennt. Das Spiel Salzburgs ist extrem abhängig von einem synchronen Zusammenspiel. Wenn einer aus der Reihe auslässt, dann hängen die vorne in der Luft. Deshalb tun sie sich im letzten Drittel derzeit noch schwerer als man das von Salzburg gewöhnt war. Dazu kommt, dass die jetzige Generation noch nicht das Niveau hat, das ein Haaland, Daka, Szoboszlai oder Seiwald damals hatten. Obwohl es mit Gloukh wieder einen ganz exzellenten Fußballer gibt.
Und der „zukünftige Torschützenkönig“ Konaté? Ist ihm der Rucksack, den ihm Christoph Freund kurz vor seinem Wechsel zu den Bayern umgehängt hat, zu schwer?
Man weiß um sein Potenzial, er hat ganz sicher das Potenzial zum Torschützenkönig, er hat aber noch zu viele Formschwankungen, muss noch mehr Konstanz reinbringen. Aber so sehr man die Spieler kritisiert, sie sind immer noch extrem gut.
Wenn es seine Gesundheit doch zulässt, bestreitet Andreas Ulmer sein 30. Spiel in der Champions League. Er ist einige Monate älter als du, wie macht er das?
Für ihn gibt es nicht genug Superlative. Mit seinen 38 Jahren zählt er nicht mehr immer zur ersten Garnitur, aber wenn er spielt, dann kann man sich hundertprozentig auf ihn verlassen. Er ist ein großes Vorbild für die jungen Salzburger, weil er immer voran geht. Er ist für Salzburg und den gesamten Fußball Gold wert, weil er zeigt, dass mit 30 noch lange nicht Schluss sein muss.
Du wirst am Donnerstag in Lissabon dabei sein, wenn Sturm gegen Sporting um den Umstieg in die Europa Conference League kämpft. Wie siehst du die Chancen?

Sturm hat sich selbst in eine fiese Situation gebracht. Auswärts waren die Grazer gegen Rakow so stark, dass man erwarten konnte, dass sie das Heimspiel souverän meistern und den dritten Platz fixieren. Jetzt sind sie leider davon abhängig, wie ernst Atalanta das Spiel gegen Rakow noch nimmt. Ich glaube, dass es Sturm von den drei österreichischen Teams am schwersten haben wird, den Aufstieg zu schaffen. Sporting ist Tabellenführer in Portugal und – so ehrlich muss man sein – von der Qualität her über Sturm zu stellen.
Ist Sturm im Herbst ein bisschen die Luft ausgegangen?
Sturm ist in einem Lernprozess und dabei auf einem sehr guten Weg. Als neutraler Zuschauer muss man sagen: Endlich jemand, der Salzburg Paroli bieten kann. Ich glaube nicht, dass es den Grazern an Kraft fehlt, sie sind in ihrer Lernkurve nur noch nicht ganz dort, wo sie ganz vorne andocken können.
Wenn es schwierig wird, hat Sturm aber immer noch „Euro-Willy“ Bøving. Kennst du dieses Phänomen, sich in einem Bewerb ganz besonders wohl zu fühlen, aus eigener Erfahrung?
Ich habe einmal eine Phase gehabt, da habe ich eine Halbsaison lang fast immer nur auswärts getroffen. Am Anfang fragt man sich, wie es das gibt, mir taugt es doch viel mehr, daheim zu spielen. Aber irgendwann manifestiert sich das psychologisch und man freut sich schon auf das nächste Auswärtsspiel und fährt schon mit einem besonders guten Gefühl hin. So ist das auch bei Bøving. Er wird permanent damit konfrontiert und übernimmt diese Denkweise: „Jawohl, das ist geil, die Europa League ist mein Bewerb, ich bin der Euro-Willy.“ Hoffentlich auch in Lissabon.
Wenn du Sturm die geringsten Chancen einräumst, tippst du wohl auf einen Sieg des LASK gegen Toulouse und darauf, dass sich Liverpool bei St. Gilloise nicht hängen lässt?
Bei Liverpool bin ich deshalb der Meinung, dass sie diesmal bei hundert Prozent sein werden, weil sie die Erfahrung, dass ein halbherziger Auftritt nicht reicht, schon gegen Toulouse gemacht haben. Und ich glaube nicht, dass Trainer Jürgen Klopp das ein zweites Mal zulässt. Liverpool hat sicher 25 bis 30 Spieler, die den Anspruch erheben, dort spielen zu können. Da muss es egal sein, wie sehr der Trainer rotiert. Von daher bin ich mir ziemlich sicher, dass, wenn der LASK gewinnt, er auch aufsteigt. Wobei er sich das Leben auch leichter hätte machen können, wenn man an das Auswärtsspiel bei St. Gilloise oder auch die Chancen in Toulouse denkt.
Fotos: Gepa Pictures