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31. März 2021

Thomas Silberberger: dann wird man vom Leben belohnt

Die WSG Swarovski Tirol ist DAS Sensationsteam des Grunddurchgangs. Vergangene Saison sportlich abgestiegen, lehrte das Team von Thomas Silberberger vor allem die Top-Teams das Fürchten und qualifizierte sich in einem Herzschlagfinale für die Meisterrunde, die am Sonntag (14.30 Uhr) mit einem Heimspiel gegen den LASK startet. Hier erklärt der Erfolgscoach, warum das Märchen noch lange nicht zu Ende ist, worauf er besonders stolz ist und warum jetzt vom Europacup geträumt werden darf.

Gladbach-Manager Max Eberl hat mal gesagt: „Die Champions-League-Teilnahme ist für unseren Klub wie eine Meisterschaft.“ Was ist die Meisterrunde dann für die WSG Tirol?

Thomas Silberberger: Was ganz ähnliches, da sind wir nicht weit weg. Man muss sich nur den Werdegang des Vereins und auch den meiner Person anschauen. Ich habe den Klub übernommen, als er in der Regionalliga auf Platz vier stand (Anm.: 2013/14). Jetzt gehören wir zu den Top 6 von Österreich. Die absolute Krönung wäre jetzt, das Europacup-Play-off zu schaffen, also Vierter oder Fünfter zu werden. Das wäre historisch, kaum mehr zu toppen.

Im Vergleich zur eher desolaten Vorsaison hat sich einiges verändert. Viel neues Personal, andere Spielanlage, auch ein Jahr mehr Erfahrung. Was war für Sie DER entscheidende Faktor, dass es so viel besser lief?

Entscheidend war, dass wir in 22 Spielen nicht einmal unsere Spielanlage verraten haben, dass wir nie etwas anderes gemacht haben. Vom ersten Trainingstag bis zur letzten Sekunde gegen Rapid haben wir nie unsere Idee, unsere Philosophie verändert. Egal ob gegen Salzburg oder gegen die Admira: Wir haben immer versucht, unser Spiel durchzubringen. Das war vielleicht der größte Punkt.

Bedeutet: Immer die spielerische Lösung suchen, nicht auf zweite Bälle hoffen.

Genau! Und auch nicht hinten drin stehen, wenn es gegen Red Bull Salzburg oder Rapid geht und hoffen, dass du mit Glück und Bauchweh einen Punkt holst. Wir wollten gegen jeden Fußball spielen.

Wo haben Sie sich selbst im zweiten Jahr konkret verbessert, in welchem Bereich sind Sie ein besserer Trainer gewesen als im Vorjahr?

Da kann ich eigentlich die gleiche Antwort geben. Ich habe im Jahr davor viel probiert: Dreier-, Vierer-, Fünferkette, mal mit zwei, mal mit drei Stürmern, wir haben wöchentlich etwas geändert. Heuer war die größte Stärke von mir, dass ich gesagt habe: Ich ziehe das Ding bedingungslos durch! Und behalte auch die Ruhe, wenn es mal nicht so läuft. Unser Start zum Beispiel war ja alles andere als ideal. Aber wir sind dran geblieben.

Auch am Ende gab es eine heikle Phase, von den letzten acht Spielen wurde nur eines gewonnen. War das die Angst vor der eigenen Courage?

Obwohl wir Trainer versucht haben, den Druck rauszunehmen, war es ganz heikel. Wir hätten ja nur ein einziges Ergebnis gebraucht: 0:0 statt 0:1 bei Hartberg, bei Admira wird uns der Siegtreffer zu Unrecht aberkannt, gegen Sturm kassieren wir den Ausgleich in der 93. Minute. Je knapper wir an die Ziellinie kamen, desto nervöser wurde die Mannschaft.

Wie beim Tennis, wo der letzte Punkt ja auch der schwierigste ist...

Genau so war es. Und zum Schluss brauchten wir dann fremde Hilfe. Das Glück, das uns in den sieben Spielen davor gefehlt hat, hatten wir dann definitiv bei Hartberg gegen St. Pölten.

Wie groß war der Vorteil, dass wirklich alle Experten Wattens als Abstiegskandidat Nummer 1 genannt haben?

Wir haben uns ja selbst so tituliert. Aber natürlich ist es ein tolles Ziel, es den Experten, den Kritikern, den Neidern zu zeigen, ganz klar. Wir sind jedenfalls auch deshalb heilfroh, in der Meisterrunde zu stehen, weil wir uns gegen die unteren Teams schwerer getan haben als gegen die oberen. So blöd das klingt.

Gegen die fünf anderen Teams von oben hat Wattens einen Punkteschnitt von 1,5, gegen die sechs aus der Qualifikationsrunde einen von 1,25. Das ist ziemlich unlogisch.

Die Teams der oberen Gruppe suchen auch spielerische Lösungen, da stellt sich niemand nur hinten rein. Bei sehr tief stehenden Gegnern wie Ried oder die Admira haben uns die kreativen Lösungen gefehlt, das war ein Prozess, den wir entwickeln mussten. Unsere Spielanlage kommt gegen bessere Mannschaften auch besser zur Geltung, vor allem, wenn uns der Gegner hoch anläuft.

Das lässt für die Meisterrunde hoffen.

Absolut! Was mich stolz macht, ist die interne Tabelle der Teams der Meistergruppe aus dem Grunddurchgang. Da sind wir Dritter! So gehen wir die zehn Spiele auch an. Jedes so, als wäre es ein Endspiel, frech drauf los. Ohne dabei unsere defensive taktische Disziplin zu verlieren, das ist die Kunst.

Das Motto lautet also: Wattens goes Europe?

Ja, das wäre eine runde Sache, auch für mich als Trainer. Von Platz vier in der Regionalliga auf Platz vier in der Bundesliga. (lacht) Das wäre ja fast schon ein Märchen. Aber klar ist schon auch: Wir sind in der Rolle des Underdogs. Der Druck liegt bei unseren Gegnern.

Die Kollegen von OPTA haben ein paar Daten gesammelt, Sie sagen bitte, ob es eher Zufall ist oder taktische Vorgabe von Ihnen. Zum Beispiel hat Wattens die meisten Weitschüsse und die meisten Weitschusstore der Liga.

Mit Sicherheit eine Anweisung von mir. Ich sage bei jeder Besprechung: Ich will Distanzschüsse sehen, es ist nicht verboten, Tore aus 20 Metern zu erzielen. Nikolai Baden Frederiksen ist zum Beispiel einer, der immer den Abschluss sucht. Ich war ein ähnlicher Spieler, konnte beidbeinig extrem gut schießen.

Er gehört Juventus Turin. Sehen Sie ihn mittelfristig neben Cristiano Ronaldo stürmen?

Das wäre vielleicht etwas zu hoch gegriffen, auch wenn er mit 20 Jahren in einem Alter ist, wo er noch explodieren kann. Ich sehe ihn aber auf jeden Fall in der Serie A. Ich denke, sein nächster Schritt sollte und wird ein Leihgeschäft an einen Mittelständler in Italien sein.

Das heißt, Sie werden nicht zum Handy greifen und Andrea Pirlo schmackhaft machen, dass ein weiteres Jahr bei Wattens genau das Richtige für ihn wäre?

Nein, da haben wir keine Chance. Der Spieler hat einen anderen Karriereplan, da können wir auch finanziell nicht mithalten. Dank unserer Präsidentin (Anm.: Diana Langes-Swarovski) hat Juve dieses Jahr finanziell geschluckt, im nächsten Jahr wäre das nicht mehr zu stemmen.

Eine andere auffällige Statistik: Kein Team ist gefährlicher nach Ecken, wo sieben Treffer zu Buche stehen.

Auch hier steckt Detailarbeit des Trainerteams drin. Standards haben, gerade in engen Spielen, einen extrem hohen Wert, können ein Spiel öffnen oder entscheiden. Das ist ein essentiell wichtiger Bestandteil unserer Spielphilosophie.

Wenn Sie sich heute an die Tage des Abstiegs erinnern, Sie mit Gipshaxn in einem Meer von Tränen. Das ist gerade einmal ein Dreivierteljahr her.

So eine Geschichte hätte ich nie für möglich gehalten, nie! Wir haben für die 2. Liga geplant, und ich habe ehrlich gesagt: Wenn wir in der 2. Liga einen einstelligen Tabellenplatz erreichen, wäre das ein sehr guter Erfolg. Den Wiederaufstieg anzupeilen, wäre finanziell unmöglich gewesen. Aber die Geschichte zeigt: Auch wenn du am Boden liegst und in die Fresse bekommen hast, so wie wir, du musst wieder aufstehen! Dann kann man sich das Glück erarbeiten und wird vom Leben belohnt.