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08. Juli 2020

Versuchsjahre einer Liga: die Bundesliga in den 80ern

Nie zuvor und nie danach wurde so oft innerhalb weniger Jahre das Ligenformat geändert wie in den 1980er-Jahren. Gleich drei unterschiedliche Modelle wurden gespielt, so richtig angenommen haben die Zuschauer die Änderungen nicht.

Text: Mathias Slezak

Im Frühjahr 1984 steht Österreichs Profifußball vor großen Schwierigkeiten. Union Wels ist vor wenigen Wochen in der Winterpause in Konkurs gegangen, die Liga muss mit einem Team weniger beendet werden. Der SC Neusiedl ist die Schießbude der Liga und wird die Saison mit nur vier Punkten und einem Torverhältnis von 10:102 beenden. Dazu ist der Zuschauerschnitt innerhalb von vier Jahren um fast 40 Prozent eingebrochen und befindet sich auf einem historischen Tiefpunkt. Selbst die Top-Klubs kämpfen mit einem massiven Zuschauerschwund. Ein Arbeitsausschuss bestehend aus Vertretern von Klubs und Liga wird eingesetzt, um einen Ausweg aus dem Schlamassel zu finden.

Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Nach der Gründung der Bundesliga im Jahr 1974 und dem erfolgreichen Abschneiden des Nationalteams bei der WM 1978 knackte der Zuschauerschnitt in der höchsten Spielklasse in der Saison 1978/79 erstmals die 6.000er-Marke und stieg im Jahr darauf auf mehr als 6.500. Ganz zufrieden war man mit der Zehnerliga trotzdem nicht. Der Kostendruck sei zu hoch, die Gefahr, in den Abstiegskampf zu rutschen, zu groß, man könne kaum junge Spieler entwickeln, argumentierten die Befürworter einer Aufstockung der Liga. Es entstand eine lebhafte Diskussion. Bei mehr Teams werde das Niveau „verwässert“, mahnte unter anderem der damalige Teamchef Karl Stotz. Die kritischen Stimmen waren jedoch in der Unterzahl, eine Mehrheit der Klubs erwartete sich von der Aufstockung auf 16 Klubs eine wirtschaftliche Gesundung. Durch weniger Runden würden weniger Prämien fällig, außerdem hätte man damit bessere Möglichkeiten zur Termingestaltung. Dazu gab es weitere konkrete Pläne für Maßnahmen zur wirtschaftlichen Gesundung der Klubs: Reduzierung der Spielerbezüge um 25 Prozent, Verbot von Handgeldzahlungen und eine Überprüfung der Klubfinanzen durch die Liga inklusive Sanktionsmöglichkeiten. Am 16. Mai 1982 entschied die Hauptversammlung des ÖFB im VIP-Club des Praterstadions mit 173:62 Stimmen, die beiden höchsten Spielklassen mit jeweils 16 Vereinen durchzuführen – und das bereits ab der Saison 1982/83, also nur rund drei Monate nach der Sitzung. Nach der Bundesliga-Gründung bereits die zweite Reform im Schnelldurchgang. Die geplanten Sparmaßnahmen werden jedoch nicht verpflichtend umgesetzt, die Verantwortung über diese Möglichkeiten zur Kostenreduzierung liege bei den jeweiligen Klubs, stellte Ligavorsitzender Hans Reitinger kurz nach der Reform fest.

Austria Klagenfurt, SC Eisenstadt, Vienna, SC Neusiedl am See, der 1. Simmeringer SC und Union Wels stiegen schließlich im Sommer 1982 aus der 2. Division auf und komplettierten die 16er-Liga, eine Saison später kamen der SV St. Veit/Glan und der FavAC dazu. Knapp zehn Jahre nach Gründung der Bundesliga hatte sich das Bild der Liga verändert. Erstmals spielten kleinere Klubs in der höchsten Spielklasse. Dass der große Fußball nun auch dort zu Gast war, freute die Zuschauer. „Als ORF-Mitarbeiter ist man wie ein König empfangen worden – das Fernsehen war da. Es war auch immer eine tolle Stimmung - aber es war Dorffußball“, erinnerte sich der langjährige Krone- und ORF-Journalist Michael Kuhn in einer ORF-Doku anlässlich des 40-Jahre-Jubiläums der Bundesliga.

Das Vergnügen war aber bekanntermaßen nur von kurzer Dauer, die Zuschauerzahlen sanken mit der Einführung der 16er-Liga dramatisch, das sportliche Gefälle war groß. Und so klingt aus dem letzten Satz im Abschlussbericht des Arbeitsausschusses im Frühjahr 1984 bereits leichte Verzweiflung durch: „Scheitert auch dieses Modell, dann ist der vielzitierte leistungsorientierte Spitzenfußball in Österreich wahrscheinlich in Frage zu stellen.“

Eine Arbeitsgruppe beschäftigte sich im Frühjahr 1984 mit den Problemen und der Zukunft der Liga und entwickelte das Play-off-Modell

„Dieses Modell“ ist eine neue Lösung, die die erste und zweite Spielklasse gewissermaßen verschmelzen lassen. Zwei Zwölferligen sollen eingeführt werden. Nach dem Grunddurchgang wird in drei Achtergruppen geteilt. Das obere Play-off spielt sich den Meistertitel und die Europacupplätze aus, das mittlere – bestehend aus den letzten vier des Bundesliga-Grunddurchgangs und den ersten vier der 2. Division – kämpft um die Bundesliga-Zugehörigkeit für die kommende Saison und im unteren geht es gegen den Abstieg in die Regionalliga.

Das vorgeschlagene Modell garantiere einen bisher noch nie dagewesenen Konnex zwischen 1. und 2. Division, argumentiert GAK-Präsident Anton Kürschner. Das neue Format soll zudem erst ab der Saison 1985/86 zum Einsatz kommen, die Fehler der ersten beiden Reformen, die im Eiltempo durchgezogen wurden, nicht wiederholt werden. Bei der Bundeshauptversammlung des ÖFB am 30. Juni 1984 gibt es schließlich mit 164:72 die benötigte Zweidrittel-Mehrheit für die neue Lösung – auch weil der designierte ÖFB-Präsident Beppo Mauhart seine Wahl vom Zustandekommen der Reform abhängig macht. Nach zwei Jahren wird die Halbierung der Punkte aus dem Grunddurchgang beschlossen, sie soll die Liga noch einmal spannender machen. Mit dem neuen Modus steigen die Zuschauerzahlen langsam wieder an, der Zuschauerschnitt knackt 1989/90 erstmals wieder die 5.000er-Marke und nähert sich damit an die Zahlen aus Zehnerliga-Zeiten an. Im Sommer 1993 wird man schließlich nach elf Versuchsjahren zum ursprünglichen Modell der Bundesliga mit zehn Klubs zurückkehren.

 

Die Entwicklung des Zuschauerschnitts in den 80er-Jahren in den unterschiedlichen Liga-Modellen

Dieser Artikel ist in der 80er-Jahre-Spezialausgabe des Bundesliga-Journals erschienen – erhältlich ab sofort im Zeitschriftenhandel und im Abo unter bundesliga.at/journal-abo