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10. Dez. 2025

Ismail Atalan - Trainer WAC

WAC-Trainer Ismail Atalan: „Mit Organisation und Fleiß kann man jeden Gegner schlagen"

Mit den Sportfreunden Lotte hat Ismail Atalan einst seine Idee, mit der richtigen Mentalität jeden Gegner schlagen zu können, in die Realität umgesetzt. Im Vorjahr hat er es mit dem Kapfenberger SV erneut bewiesen und wurde dafür als "Trainer der Saison" ausgezeichnet. Was er jetzt mit dem WAC vorhat, was es mit seiner Scouting-Datei auf sich hat  und wie er es von ganz unten nach oben geschafft hat, erzählt der 45-Jährige im Gespräch mit bundesliga.at.

Herr Atalan, Sie haben am Wochenende gegen die Wiener Austria Ihren ersten Sieg als WAC-Trainer gefeiert. Weil Sie das erste Mal auf Ihr bevorzugtes 4-3-3 gesetzt haben?

Der WAC war ja in den Monaten davor mit dem 3-4-1-2 erfolgreich, deshalb wollte ich zunächst einmal nicht zu viel verändern. Aber ich bevorzuge das 4-3-3, weil ich für extreme Intensität im Spiel stehe, für Dominanz und Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte und da habe ich mit dem 4-3-3 zumindest einen Mann mehr vorne. Das hat eine hohe Relevanz, weil ich ein offensiv denkender Trainer bin, der viele Spieler im letzten Drittel sehen will. Außerdem ist dieses System sehr flexibel. Aber ich habe in Kapfenberg auch erfolgreich mit einer Dreierkette gespielt.

Einige Ihrer Trainerkollegen haben zuletzt gemeint, dass die ADMIRAL Bundesliga eine Liga ist, in der Pressing und Gegenpressing dominieren, aber spielerische Elemente etwas zu kurz kommen, ist das auch Ihr Eindruck?

Ich glaube, da haben sie nicht unrecht. Von den zwölf Mannschaften spielen neun oder zehn mit Dreierkette. Aber es ist wichtig, dass wir uns auf uns selbst konzentrieren. Wir wollen Kontrolle über das Spiel, flach von hinten rausspielen. Solange der Ball in den eigenen Riehen ist, haben wir weniger Risiko. Beim Pressing und Gegenpressing ist der Fokus extrem gegen den Ball gerichtet, das Spiel heißt aber Fußball, also wollen wir den Ball am Fuß haben. Denn das kommt auch meiner Mannschaft entgegen.

Der WAC ist Ihre erste Bundesliga-Mannschaft. Hatten Sie schon so individuell gute Spieler wie Schöpf oder Zukic?

Schöpf und Avdijaj Jubel - WAC

Ich habe in der Bochumer Zeit unter anderen auch mit Kevin Stöger zusammengearbeitet, der ebenfalls Nationalspieler ist. Individuell gute Spieler findet man in jedem Team. Aber ich habe eine hohe Meinung von meiner Mannschaft. Schöpfi ist einer der besten Spieler der Liga, Zukic und Avdijaj sind richtig gute Fußballer, gerade im Ballbesitz. Deshalb wollen wir ja auch den Ball an ihren Füßen haben. Außerdem haben wir noch das Glück, mit Nik Polster einen ganz starken jungen Torhüter zu haben, der auf der Linie erstklassig ist, aber auch seine große Stärke mit dem Ball am Fuß hat. Das spricht dafür, dass wir so spielen, wie bis zum Ausschluss gegen die Wiener Austria. Im Grunde geht es für mich als Trainer darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem die Spieler ihr Potenzial als Mensch und Spieler ausschöpfen können.

Sie haben im Sommer nach dem 3. Platz mit Kapfenberg die Auszeichnung als "Trainer der Saison" erhalten. Wie wichtig war die Station Kapfenberg für Sie?

Es war schon das zweite Mal, dass ich so eine Auszeichnung bekommen habe. Beim ersten Mal, 2017, war ich noch Lotte-Trainer. Ich war schon immer überzeugt davon, dass ich einzelne Spieler und gesamte Mannschaften entwickeln kann. Bei den Klubs, bei denen ich länger beschäftigt war, ist das gelungen. Ich habe Österreich schon immer spannend gefunden, Kapfenberg war dann ein toller Einstieg für mich und wenn man schon in der zweiten Liga gearbeitet hat, ist es natürlich ein Ziel, in einer ersten Liga zu arbeiten.

Atalan und Ebenbauer mit Buli-Auszeichnung

Sie sind schon sehr jung im deutschen Unterhaus in den Trainerjob gewechselt. Was hat Sie von Ihren damaligen Trainerkollegen unterschieden, dass Sie es bis nach oben gebracht haben?

Ich glaube, ich habe von meiner Selbstreflexion profitiert, von der Erkenntnis, mir viel Wissen aneignen zu müssen. Dazu ist meine Überzeugung gekommen, dass es im Mannschaftssport keine Grenzen gibt. Als ich in der untersten Liga gearbeitet habe, haben natürlich 99,9 Prozent der Leute nicht geglaubt, dass ich es innerhalb von sieben Jahren von der 8. in die 2. Liga schaffen würde. Aber das hat mich nie interessiert. Durch gute Organisation und Fleiß kann man jeden Gegner schlagen, das ist das A und O des Fußballs. Das ist auch das Ziel mit dem WAC: Sachen zu schaffen, die der Klub noch nicht geschafft hat. Klar, wenn Real Madrid einen guten Tag hat, werden wir verlieren. Aber auch Real hat nicht nur gute Tage.

Das hat gereicht, um mit dem damaligen Viertligisten Sportfreunde Lotte Werder Bremen und Leverkusen zu schlagen und ins Pokal-Viertelfinale einzuziehen?

Mit mentaler Überzeugung ist vieles möglich, auch die Gegner sind nur Menschen. Wichtig ist das Unterbewusstsein. Damit lassen sich die letzten fünf Prozent aus den Spielern herausholen. Wenn sie immer nur hören, dass es normal ist, gegen die Bayern zu verlieren, werden sie auch verlieren.

In der ADMIRAL Bundesliga geht es sehr eng zu, den Tabellenführer trennen vom Tabellen-Zehnten nur wenig Punkte. Wo wollen Sie mit dem WAC noch hin?

In letzter Linie geht es doch praktisch für alle Vereine, die ja nicht mit Fernsehgeldern wie in England oder Deutschland gesegnet sind, darum, Spieler zu entwickeln, damit sie wirtschaftlich Erfolg haben. Wenn das gelingt, ist das für alle gut – für den Klub, für die Spieler und für den Trainer. Das Größte wäre für mich aber, wenn wir im Sommer mit mindestens zwei WM-Fahrern dastehen, wenn viele Spieler den nächsten Schritt gemacht haben und wenn wir als Mannschaft Erfolg hatten. Als Trainer will ich alle Spieler besser machen und dafür sorgen, dass die Leute ins Stadion kommen. Das größte Kompliment für mich als Trainer ist, wenn meine Mannschaft nicht an ihren Trikots erkannt wird, sondern an ihrer Spielweise, an unserem Fußball. Das ist in Kapfenberg gelungen. Der erste Punkt ist aber der Mensch hinter den Spielern. Noch vor jeder taktischen Einheit geht es mir darum, die Menschen zu erreichen, damit sie mir glauben, dass ich das Beste für sie will. 

Es heißt, Sie würden Ihre eigene Scouting-Datei führen, mit Spielern, die Ihnen bei Ihren Matchbesuchen auffallen. Wie sieht die aus?

Aktuell interessiere ich mich für alles, was für den WAC infrage kommt. Deshalb ist Real gegen Barcelona jetzt für mich nicht interessant, sondern Sturm U18 gegen WAC U18 viel interessanter. Dort sehe ich die Spieler, die in Zukunft für uns infrage kommen. Ich bin einer, der noch selbst scoutet. Ich habe mir meine Wochenenden meistens so eingeteilt, dass ich mir ein U16- oder U18-Spiel angeschaut habe, ein U21-Spiel und dann noch eines der Senioren. Dann notiere ich mir die Namen der Spieler, die mir aufgefallen sind und mache meine Einschätzungen dazu – ihr Potenzial und die Position, auf der ich sie einsetzen würde. Nach ein paar Jahren schaue ich mir dann die Quote an, bei wie vielen Spielern ich richtig gelegen bin. Deniz Undav ist so ein Beispiel. Den habe ich vor Jahren in der 4. oder 5. Liga gesehen, als er noch beim TSV Havelse gespielt hat. Ich konnte natürlich nicht sagen, dass er einmal Nationalspieler wird, aber mir war klar, dass er überall seine Tore schießen würde. Ich habe mir auch junge Spieler aus Österreich notiert, die früh ins Ausland gegangen sind und schaue jedes Wochenende, ob sie gespielt haben.

Was haben Sie in den Monaten zwischen Ihrem Abgang in Kapfenberg und Ihrem Dienstantritt in Wolfsberg gemacht?

Genau das. Ich gehe ins Stadion, um Spiele zu sehen und fahre zu Trainern, um zu hospitieren. Man kann von jedem etwas lernen. Schon bei Ralf Rangnick habe ich in Leipzig viel über Pressing und Gegenpressing gelernt, auch bei Roger Schmidt. Wenn’s um Ballbesitz geht, schaue ich natürlich auf Pep Guardiola, obwohl er eine Qualität hat, die man nicht kopieren kann. Aber mir geht es vor allem um unterschiedliche Spielphasen. Ich würde jetzt nicht viermal zu einem Ballbesitz-Trainer gehen. Was mich noch reizen würde, ist Benfica. Dort haben sie in den letzten fünf Jahren eine Millarde Euro an Ablösen erzielt. Das wäre hochspannend, zu sehen, wie dort gearbeitet wird. 

Wo darf es für Sie als Trainer noch hingehen?

Wie gesagt, für mich steht das Entwickeln von Spielern im Vordergrund. Es muss nicht immer gleich ein Vangelis Pavlidis sein, den ich in Bochum aus der U19 geholt haben und der jetzt bei Benfica um 60 Millionen gehandelt wird. Ich würde gerne so viele Spieler wie möglich zur WM bringen. Und mit meinen Mannschaften auch einmal Pokale in der Hand halten. Egal welche.

Text: Horst Hötsch; Fotos: GEPA pictures