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01. Juli 2020

2020er: Der Europacup-Höhenflug geht weiter

Im Europacup „überwintern“ – das war für Österreichs Klubs jahrzehntelang ein Traum, der sich viel zu selten realisieren ließ. In den ersten 2020er-Jahren wurde er nicht nur für Red Bull Salzburg beinahe schon zur Normalität.

 

„Für den österreichischen Fußball ist das ein ganz großes Ausrufezeichen“, war Kapitän Andreas Ulmer die Tragweite des 1:0-Sieges über den FC Sevilla gleich bewusst. 21 Jahre nach Sturm Graz hatte Red Bull Salzburgs Goldtorschütze Noah Okafor wieder eine österreichische Mannschaft ins Achtelfinale der Champions League geschossen. Aber nicht nur in der Königsklasse wurden in der Saison 2021/22 die rot-weiß-roten Farben hochgehalten, in der Europa League schaffte Rapid mit einem 1:0-Auswärtserfolg in Genk den Umstieg in die neue Europa Conference League, wo der LASK als ungeschlagener Gruppensieger bereits für das Achtelfinale qualifiziert war. Damit überwinterten erstmals seit 38 Jahren, seit der Saison 1983/84, wieder drei österreichische Klubs im Europacup.

Platz 8 in Europa

Im Frühjahr schmolzen die Hoffnungen des Trios allerdings schnell. Als erster musste Rapid in der Zwischenrunde gegen Vitesse Arnheim die Segel streichen. „Da haben wir uns ja selber geschlagen“, trauert der damalige Rapid-Trainer Ferdinand Feldhofer noch heute der nach einer unnötigen gelb-roten Karte von Filip Stojkovic verspielten 2:0-Führung im Heimspiel nach. Aus dem unverhofften Anschlusstreffer schöpften die Holländer genug Hoffnung, um Rapid im Rückspiel aus dem Bewerb zu bugsieren. Der LASK lieferte der Prager Slavia nach einem 1:4 auswärts in Linz einen sehenswerten Kampf, für den Aufstieg reichte der 4:3-Prestigeerfolg jedoch nicht mehr. Die Salzburger schließlich gingen nach einem für die Bayern schmeichelhaften 1:1 im Hinspiel in München mit 1:7 unter. Die Fortsetzung eines Europacup-Höhenfluges, der in den 2010er-Jahren eingesetzt hat, ließ sich aber an den 10,400 Punkten ablesen, die Österreichs Klubs in dieser Saison für die UEFA-Fünfjahreswertung sammelten. Der Rekordwert reichte in der Saisonwertung für Platz 8 unter den 55 Teilnehmer-Verbänden und bestätigte den achten Rang in der Fünfjahreswertung gleich hinter den Top-Nationen England, Spanien, Italien, Deutschland, Portugal, Frankreich und Niederlande. Es war die beste Platzierung, die Österreichs Klubs, die zehn Jahre davor noch Mühe hatten, die Top 20 zu halten, in der Europacup-Geschichte je erreichte.

Im Schatten der „Bullen“

„Salzburg“, sagt Ferdinand Feldhofer wie aus der Pistole geschossen, wenn man ihn fragt, wie diese Entwicklung möglich war. „Das ist eindeutig. Die Salzburger haben so viele Punkte gemacht, dass alle anderen davon profitiert haben. Sie mussten weniger Quali-Runden spielen, sind leichter in die Gruppenphasen gekommen und so weiter. Und für Klubs wie Sturm, den LASK, Rapid, aber auch den WAC war Red Bull Salzburg Ansporn, nachzuziehen.“

Mit dem WAC ist es dem 43-jährigen Steirer, der die Höhen und Tiefen des Europacups schon als Sturm- und Rapid-Spieler am eigenen Leib erfahren hat („Von der Champions League bis zum Ausscheiden in der ersten Runde war alles dabei“), bereits 2020/21 ein Ausrufezeichen zu setzen. Die Pandemie hatte nicht nur den Fußball noch fest im Griff, als sich die Wolfsberger Außenseiter in der Europa League gegen ZSKA Moskau, Feyenoord und Dinamo Zagreb durchsetzen. Unvergessen blieb den Fans vor allem der 4:1-Sieg in Rotterdam, bei dem die Lavanttaler nicht weniger als drei Elfmeter verwerteten und Michael Liendl vier Tage nach seinem 35. Geburtstag einen Hattrick (zwei Elfer inklusive) erzielte. In noch höherem Alter hatten das in der Europa League bis dahin nur Superstar Zlatan Ibrahimovic und der spanische Ex-Internationale Aritz Aduriz hinbekommen. „Nachdem ich keine 20 mehr bin, wird mir das auch nicht mehr so oft passieren“, wusste Liendl, der seine Karriere mittlerweile beendet hat, schon damals.  

Zagreb im Fieber

Höher als diesen Sieg „nach kuriosem Spielverlauf“ bewertet Feldhofer aber den 1:0-Auswärtssieg bei ZSKA Moskau und den 1:0-Heimsieg gegen Feyenoord. „Diese Siege machen mich am meisten stolz, weil wir da kaum etwas zugelassen und einfach verdient gewonnen haben. Mit unserer Mittelfeld-Raute haben wir diesen Top-Teams wirklich etwas aufzulösen gegeben.“ Fast noch besser als die beiden Siege sind Ferdinand Feldhofer aber die Umstände rund um die Auswärtsniederlage gegen Dinamo Zagreb im Gedächtnis geblieben. „Da hatte uns ein Corona-Cluster voll erwischt. Wir sind damals von Rotterdam direkt zur Admira gereist, waren insgesamt fünf Tage zusammen. Nach dem Spiel in der Südstadt ist es losgegangen. Kurz darauf hatte es bis auf mich und zwei Spieler alle erwischt. Noch am Tag des Zagreb-Spieles haben wir nicht gewusst, wen wir aufstellen können. Ich sehe mich noch im Frühstücksraum in Zagreb sitzen, wir wir mit der Fiebermess-Pistole in der Hand einen nach dem anderen gecheckt haben. Der ja, der nicht…“ Mit Ach und Krach haben die Kärntner letztlich eine Mannschaft zusammengebracht. „Aber ich weiß noch gut, dass wir für unseren dritten Tormann, David Skubl, der auch ein ganz guter Fußballer ist, ein Feldspieler-Dress beflockt haben. Liendl, Leitgeb, die haben ja alle gefehlt!“

Mourinho einmal anders

Trotz zweier Niederlagen gegen die Kroaten schaffte der WAC den Aufstieg und jubelte über ein Traumlos im Sechzehntelfinale – Tottenham Hotspur. „Wegen Corona mussten wir leider in Budapest antreten, hatten also zwei Auswärtsspiele. Trotzdem haben wir echt geglaubt, dass uns da etwas gelingen kann“, erinnert sich Feldhofer. „Wir haben in der Winterpause genug Zeit gehabt und 15 Spiele von Tottenham analysiert, haben uns genau auf das Mourinho-System eingestellt. Aber dann war es ein komplett anderes Spiel als erwartet. Unser Pech war, dass Mourinho gerade angezählt war. Deshalb hat er uns von der ersten Sekunde an ernst genommen und ist nicht wie sonst in Hinspielen abwartend und defensiv in das Match gegangen, sondern hat von Anfang an komplett angepresst.“ Nach einem 1:4 in Budapest war die Sache gegessen, das 0:4 in London nur noch Pflichtbesuch im modernsten Stadion der Welt.

Aber die Punkte, die der WAC damals gesammelt hat, helfen immer noch mit, dass Österreich als nunmehr Zehnter der UEFA-Fünfjahreswertung nach wie vor mit fünf Klubs in die Europacup-Saison starten kann.

 

Fotos: GEPA pictures