26. Juni 2025

Altachs Philipp Netzer setzt auf Entwicklung statt Umbau
Der neue Sportdirektor geht in Altach ungewohnte Wege. Statt auf den x-ten Totalumbau und Trainerwechsel, setzt er bei Kader und Spielidee auf Kontinuität und auf frische Akzente im Betreuerstab.
10 verschiedene Cheftrainer und 5 Sportdirektoren waren die letzten 9 Jahre in Altach am Werk. Nach einer Saison bei der Altach nur hauchdünn dem Abstieg entronnen ist und mit Philipp Netzer und Eric Orie eine neue sportliche Leitung installiert wurde, hätte wohl so mancher mit dem nächsten Totalumbau gerechnet. Doch der Verein geht einen ganz anderen Weg. Der Kader wurde nur punktuell verändert, der Cheftrainer bleibt mit Fabio Ingolitsch der gleiche. Nur im Betreuerteam wurden einige wichtige Positionen neu besetzt, von den Tormanntrainern über den Videoanalysten bis zum Athletiktrainer. Welcher Plan steckt dahinter? Wir haben bei Philipp Netzer nachgefragt, der 13 Jahre Erfahrung mit dem Verein als Spieler und dann als Funktionär in seine neue Rolle mitnimmt.
In Altach war die Fluktuation beim Trainer- und Sportdirektor Posten in den letzten Jahren hoch. Wie groß ist die Herausforderung für dich?

Natürlich ist es eine große. Letzte Saison haben bis zum Schluss vier Mannschaften gegen den Abstieg gekämpft. Dass bei dem spannenden Ligamodus großer Druck zu erwarten ist, dessen bin ich mir bewusst. Das hab ich in den letzten drei Jahren in anderer Position schon miterlebt. Aber den verspüren andere auch und ich weiß gut damit umzugehen. Für mich steht weniger die Angst im Vordergrund, als die Chance, Dinge anders zu machen und den Verein in eine erfolgreichere Zeit zu bringen.
Was sind deine Ziele und Pläne mit Altach

Kontinuität in verschiedene Positionen reinbringen und auch im Kader. Viele laufende Verträge und der Stamm bleibt zusammen. Wir werden uns nur punktuell verstärken. Denn Mannschaften, die im Kern über mehrere Saisonen zusammenspielen, können die Spielidee besser verwirklichen und festigen – daher machen wir auch mit Fabio Ingolitsch weiter. Als er im Oktober gekommen ist und wir hinten drinnen gestanden sind, war von Anfang an Druck im Kessel, da ist das mit der Entwicklung, die er sich gewünscht hat, nicht so einfach. Jetzt geht er in die Saison mit der ganzen Vorbereitung, ich sehe da noch viel Potenzial im bestehenden Kader. Wenn wir Spieler weiterentwickeln, profitiert am Ende auch der Verein – das Ganze an einem Tabellenplatz festzumachen, wäre nicht sinnvoll. Natürlich wollen wir besser abschneiden als letzte Saison. Das ist sicher das Ziel. Da mussten wir uns alle hinterfragen. Wenn die Entwicklung stimmt, kommen aber auch die Ergebnisse. Dann gibt es auch wieder erfolgreichere Monate in Altach.
Das Ziel ist wohl nicht wieder ständig im Abstiegskampf rumzugrundeln.
Wir wollen uns nicht kleiner machen als wir sind, aber auch nicht größer. Wir sind immer noch in einer 7000 Einwohner Gemeinde, haben extreme Fortschritte gemacht in der Infrastruktur. Wir sind seit Jahren in der Bundesliga. So viel haben wir auch nicht falsch gemacht. Trotzdem haben wir den Anspruch, nicht bis zur letzten Runde um den Klassenerhalt zu zittern. Zu sagen, wir wollen das obere Playoff angreifen, wäre nach der letzten Saison sicher vermessen. Trotzdem sind wir sehr guter Dinge, dass wir die Saison besser abschließen werden.
Bei der Infrastruktur hat sich Altach jahrelang konstant weiterentwickelt, warum hat man das sportlich nicht so geschafft.
Diese Aussage ist aus meiner Sicht zu kritisch. Wir sind jetzt über ein Jahrzehnt in der Bundesliga – das ist schon eine Konstante. Andere Vereine mit besseren Voraussetzungen als wir, mussten den Weg in die 2. Liga antreten. Wir stehen von der Infrastruktur und von den Finanzen auf sehr stabilen Beinen – da können uns einige andere Vereine darum beneiden. Aber natürlich sind wir sehr selbstkritisch und hätten uns in den letzten Jahren mehr sportlichen Erfolg gewünscht, das ist auch klar.
Man hatte aber auch einiges Glück, dass man nicht abgestiegen ist.
Ja, klar. Es zeigt aber auch, dass wir mit der Situation immer besser umgehen konnten als zumindest ein anderer Verein. Logischerweise wollen wir das aber nicht jedes Jahr herausfordern und wünschen uns, so früh wie möglich nichts mehr mit dem Abstieg zu tun zu haben. Auch wenn das bei dem Modus natürlich schwer ist.
Obwohl der Cheftrainer bleibt, habt ihr euch im Trainerteam an einigen Positionen neu aufgestellt.

Ja, bei den Tormanntrainern mit Sebastian Brandner, der schon viele Jahre Trainerfahrung mitbringt und Martin Kobras, der sehr lange und erfolgreich hier gespielt hat und sich nun als Trainer entwickeln kann und. Beide identifizieren sich sehr für den Verein. Mit Maxi Matten war mir wichtig, dass ein Videoanalyst dabei ist, der den Cheftrainer in und auswendig kennt. Damit sie sich von Tag 1 blind verstehen. Beim Athletiktrainer sind wir noch intensiv auf der Suche, weil Fabios Spielweise von viel Intensität geprägt ist und das daher ein sehr wichtiger Posten ist. Da war zuerst eine Zusammenarbeit mit Simon Sengele geplant, ein super Typ, fachlich top, aber da sind beide Seiten draufgekommen, dass sie nicht kompatibel sind.
Wie ist die Rollenverteilung mit Eric Orie, der dich in deinem Bereich unterstützt?
Natürlich bin ich der, der die Entscheidungen beschließt und seinen Kopf dafür hinhält, aber ich sehe uns bei der Arbeit auf Augenhöhe. Ich kenne ihn schon lange, er hat mich damals auch mit 17 aus dem BNZ zum FC Lustenau in die 2. Liga geholt. Ich sag immer, mit Augenzwinkern, er hat damals schon ein gutes Auge bewiesen (lacht). Aber im Ernst: Von seiner Ruhe und Erfahrung kann Altach nur profitieren.
Du warst die letzten Jahre ein Bindeglied zu den Juniors. Ist ein Ziel von dir, dass es jetzt wieder mehr Eigenbauspieler und junge Vorarlberger in die Mannschaft schaffen?
Absolut. Da hab ich die letzten drei Jahre einen guten Überblick bekommen. Die zweite Mannschaft besteht aktuell zu einem großen Teil aus ehemaligen Akademiespielern. Es wird realistisch gesehen nicht jeder in den Profikader schaffen, aber natürlich ist für alle die Tür offen. Wenn man zum Beispiel einen Erkan Yancin sieht, der auch schon Luft im Profikader geschnuppert hat, da erhoffe ich mir natürlich noch mehr. Auch von einem Filip Milojevic zum Beispiel. Wir wollen aber auch junge Vorarlberger entwickeln, die den Sprung von den Juniors woanders hin schaffen, wie Damian Maksimovic und Tamar Crncik, die jetzt Verträge bei Bregenz unterschrieben haben. So können wir unseren Teil beigetragen, dass junge Vorarlberger den Weg in den Profifußball schaffen – und wer weiß, vielleicht schlagen sie dann irgendwann wieder in Altach auf. Es muss es nicht jeder von den Juniors direkt in unsere Profimannschaft schaffen. Das wird sich sowieso nicht ausgehen.
Ein paar Transfers stehen bei euch noch am Wunschzettel.
Klar ist, dass wir auf der rechten Außenverteidiger-Position neben dem Sandro Ingolitsch noch einen gestandenen zweiten Spieler brauchen. Wir wollen noch drei Spieler holen, auch im offensiven Bereich noch was machen, ob es ein Stürmer sein wird, wird sich zeigen. Wichtig ist, dass wir nur dann jemand holen, wenn wir 100 Prozent davon überzeugt sind, dass er unsere Qualität steigert.
Redakteur: Christoph König
Fotos: GEPA pictures