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24. Juli 2025

Sturm Meisterjubel

Der Titelkampf - Verrückt wie nie!?

So schwer wie diesmal war die Meisterschaft lange nicht zu prognostizieren. Schlägt Salzburg zurück? Behält Sturm die Vormachtstellung? Toppen der WAC und die Austria ihre grandiosen Spielzeiten? Oder können Rapid und der LASK mit ihren Trainer-Stars für eine Sensation sorgen? Willkommen im Zirkus der Unberechenbarkeiten!

Man kann Sturm Graz für viele Dinge loben, die der Verein in den vergangenen Jahren richtig gemacht hat. Vor allem aber haben die Blackies eins vollbracht: Sie haben die Phantasie angeregt! Denn viele fragen sich: Wenn die Grazer es schaffen, die Salzburger Vormachtstellung zu brechen und zweimal nacheinander den Titel zu holen – warum sollte uns das nicht auch gelingen? Die Austria und der WAC standen vergangene Saison schon ganz kurz vor der Sensation und mussten erst mit Abpfiff der letzten Partien ihre Titelträume begraben. Rapid und der LASK haben Witterung aufgenommen, wollen die Enttäuschungen der vergangenen Saison vergessen machen – und haben dafür auf den Trainerbänken erfolgversprechende Ansätze gefunden. Und dann sind da ja noch die Platzhirsche des FC Red Bull Salzburg, die mit aller Macht wieder zurück in die Erfolgsspur kommen wollen. Kurzum: Die halbe Liga schielt zumindest mit einem Auge Richtung Titelkampf. Und Beobachter fragen sich fast schon euphorisch: Gibt es heuer den Hattrick an Titel Entscheidungen in letzter Minute?

Die Rolle des Gejagten

Will man Sturms Sportchef Michael Parensen ein müdes Lächeln ins Gesicht zaubern, fragt man ihn am besten nach der Favoritenrolle für die kommende Saison. Die müsse nach zwei Titeln in Folge doch wohl bei den Grazern liegen. Oder etwa nicht? „Wir wissen, dass die letzten beiden Jahre für Sturm außergewöhnlich erfolgreich waren“, sagt der 39-Jährige dann routiniert. „Und wir wissen auch, was den Verein erfolgreich gemacht hat. Entscheidend ist, dass wir unseren Weg mit der Entwicklung von jungen Spielern weitergehen und unsere Spielidee mit hoher körperlicher Intensität und sehr viel Tiefgang beibehalten. Der Erfolg kommt automatisch, wenn man seine Arbeit gut macht. Aber wir messen ihn nicht ausschließlich an Titeln.“ 

Wenn er aber doch in Form des dritten Meistertellers daherkäme, wäre es der Titel-Hattrick für Sturm. Was – vom lange Zeit erfolgsverwöhnten FC Red Bull Salzburg abgesehen – zuletzt dem FC Tirol um die Jahrtausendwende gelungen ist. Abwehr-Legende Michael Baur war damals einer der Protagonisten. Und weiß daher genau, was solche Erfolgserlebnisse mit einer Mannschaft machen. „Man gewinnt dadurch an Souveränität und Überzeugung, geht mit einer großen Portion Selbstsicherheit in eine Saison“, sagt der 56-Jährige. Und warnt dabei vor einer Gefahr: „Du musst aufpassen, dass daraus keine Überheblichkeit wird, das wäre das Schlimmste, was passieren kann. Aber dafür sehe ich bei Sturm keine Anzeichen. Die haben mit ihren Fans eine so gute Chemie, das passt einfach zueinander.“ Seine Conclusio: „Ich traue Sturm den Titel-Hattrick auf jeden Fall zu!“ 

Parensen ist sich der Gefahren, die in einer solchen Phase lauern, durchaus bewusst. Zum Beispiel bei der von ihm selbst aufgeworfenen Frage: „Wieviel Veränderung braucht es und wieviel Kontinuität ist notwendig, um Erfolg zu haben? Das is t genau die Kunst, die man schaffen muss. “ Mit Abwehrchef Gregory Wüthrich hat ein Grundbaustein des Erfolgs den Klub verlassen, Neuzugänge wie Tim Oermann (aus Leverkusen geliehen), Axel Kayombo oder Filip Rozga sollen für frisches Blut im Kader sorgen. „Ich habe die Mannschaft in der Vorbereitung extrem hungrig erlebt“, erklärt Parensen. Und verleiht damit seiner Überzeugung Ausdruck, gut gerüstet in die neue Spielzeit zu gehen.

Klub-WM: Fluch oder Segen?

Salzburg Klub-WM

Ein Gefühl, das er mit seinem deutschen Berufskollegen Rouven Schröder teilt. Wobei der Salzburger Sportchef beim Thema Favoritenrolle klarstellt: „Dass die nach zwei Titeln in Folge bei Sturm liegt , ist klar.“ Er fügt aber an: „Wir verschwenden bewusst sehr wenige Gedanken in Richtung Konkurrenz, sondern denken viel mehr daran, was wir dafür machen können und müssen, um den Meistertitel zu holen.“ Denn klar ist ebenso, dass ein drittes meisterloses Jahr in Folge so gar nicht den Ansprüchen in der Mozartstadt genügt. 

Um diese Gefahr abzuwenden, wurde richtig in die Hände gespuckt. Mit Stefan Lainer kommt ein Routinier und Leadertyp zurück (siehe Story S. 54). Mit dem Bosnier Kerim Alajbegovic wurde ein hoch talentiertes Verteidigertalent aus Leverkusen losgeeist. Mit Jacob Rasmussen wird die Verteidigung mit internationaler Routine verstärkt. Und mit Frans Krätzig kommt ein Außenbahnspielertalent aus der Bayern-Schmiede, das die Liga seit seinem Leih-Engagement bei Austria Wien im Frühjahr 2024 schon gut kennt. „Mit ihm konnten wir einen Neuzugang mit einer ausgezeichneten fußballerischen Grundausbildung und großer Spielintelligenz verpflichten“, sagt Schröder. Schon bei der Klub-WM wussten Lainer, Rasmussen und Krätzig mit je drei Einsätzen über die volle Distanz zu überzeugen. Aber genau die Klub-WM ist es, die die Vorbereitung für den entthronten Serienmeister verkompliziert hat. Rückkehr aus den USA erst Ende Juni, Mini-Urlaub für die Profis, eine Vorbereitung, die deutlich kürzer ausfiel als die der Konkurrenz. 

Doch Berufsoptimist Schröder ist weit davon entfernt, darin eine vorauseilende Ausrede zu suchen. Im Gegenteil: „Uns ist natürlich bewusst, dass diese Art der Vorbereitung nicht wie jede andere ist. Aber wir sehen all das, was wir rund um die Klub-WM in den USA erleben durften, absolut positiv. Wir konnten ein Turnier auf höchstem Niveau bestreiten und hatten da bereits etliche neue Spieler mit dabei, wodurch wir als Mannschaft schon sehr früh zusammenwachsen konnten.“ 

Dass die nationale Konkurrenz stark ist und immer größer wird, sieht er dagegen positiv. Und setzt sich dafür die Brille der Anhänger auf: „Wir rechnen auch heuer wieder mit den besten Gegnern und freuen uns darüber, dass attraktive Mannschaften, Spieler und Trainer in der österreichischen Bundesliga mit dabei sind und sie bereichern. Das ist in weiterer Folge auch für jeden Fan etwas Besonderes.“ Doch damit genug der gestreuten Rosen, denn: „Klar ist natürlich, dass wir das Maximale anstreben. Dazu gehört, dass wir alles dafür tun werden, um die Meisterschaft wieder nach Salzburg zu holen.“

In Lauerstellung

WAC - Cuptitel

Wäre das in der vergangenen Saison Austria Wien oder dem WAC gelungen – es wäre eine der größten Sensationen der Bundesliga-Geschichte gewesen. Doch gerade die Kärntner sind seit vielen Jahren dabei, sich ein Fundament aufzubauen, auf dem ein richtig stabiles Gebäude stehen kann. Dank millionenschwerer Verkäufe von Spielern wie Augustine Boakye (drei Millionen, St. Etienne), Mohamed Bamba (fünf Millionen, AC Lorient) oder Shon Weissman (vier Millionen, Real Valladolid) ist nicht nur die Klubkasse gut gefüllt, sondern auch der Ruf gefestigt, ein sehr gutes Sprungbrett für ambitionierte Spieler zu sein. Und von denen stehen gerade eine ganze Menge unter Vertrag: Chibuike Nwaiwu (21), Thierno Ballo (23) oder Dejan Zukic (24) stehen allesamt noch am Beginn ihrer Karrieren, haben einen längerfristigen Vertrag bei den Wolfsbergern und teils atemberaubende Marktwertsteigerungen hinter sich, seit sie das WAC Trikot überstreifen. 

„Ich werde mich aber jetzt bestimmt nicht hinstellen und von der Meisterschaft reden oder erzählen, wo wir nächstes Jahr landen werden“, hält Erfolgscoach und Cupsieger-Trainer Didi Kühbauer an seiner bewährten Strategie fest. Dabei gehört er mittlerweile selbst zu den heißesten Faktoren, warum viele den WAC als ernsthaften Titel-Anwärter auf dem Zettel haben. „Didi hat eine sensationelle Saison hinter sich und kann mit einem richtig guten Kader arbeiten“, sagt beispielsweise Michael Baur. Besagter Kader wurde mit ligaerprobten Haudegen wie Donis Avdijaj oder Rene Renner noch einmal punktgenau verstärkt. Und in Wahrheit auch mit einem Top-Profi wie Alessandro Schöpf, der nach seinem Transfer vergangenen Winter nur acht Spiele absolvieren konnte, ehe er verletzt ausfiel. Ihm streut Kühbauer Rosen: „Dass den keiner am Zettel hatte, hat mich schwerst überrascht. Er zeigt Spielern, wie man besser wird, ist ein unglaublicher Profi. Mit ihm wären wir letztes Jahr noch besser gewesen.“ 

Noch besser? Nur ein lausiges Törchen hat dem WAC am Ende zum Titel gefehlt. Genauso wie der Austria am Ende nur ein Treffer oder 60 Sekunden fehlten, um Platz zwei und die damit verbundene Qualifikationsphase für die Champions League zu erreichen. Ein Last-Second Rückschlag am Ende einer erfolgreichen Saison, die den Veilchen niemand zugetraut hätte. Und die sie jetzt noch einmal toppen können? Sport-Vorstand Jürgen Werner lässt keinen Zweifel daran, dass der Nackenschlag gegen Blau-Weiß Linz Spuren hinterlassen hat. „Das Abrutschen auf Rang 3 trifft uns wirtschaftlich hart und macht es uns auch auf dem Transfermarkt nicht leichter“, sagte er im klubeigenen Viola TV. 

Doch damit ist auch schon genug Trübsal geblasen. Denn der Großteil des Stammpersonals scheint den Violetten erhalten zu bleiben, lediglich Nic Prelec und Mateo Perez Vinlöf kamen fix abhanden, bei Dominik Fitz steht man im Wort, dass er bei einem interessanten Angebot gehen kann. „Wir haben letzte Saison Meister Sturm dreimal besiegt (Anm.: inkl. ÖFB Cup) und 16 Punkte mehr geholt als unser Lokalrivale, wenn man die Halbierung herausrechnet. Wir können durchaus optimistisch in die neue Saison gehen.“ Vor allem in der Offensive stehen die Zeichen auf Sturm: Bei Maurice Malone (zwölf Tore) wurde die Kaufoption gezogen, Kelvin Boateng kommt mit der Empfehlung von elf Toren in 18 Einsätzen für die Vienna. Und mit Manprit Sarkaria gelang die emotionale Rückkehr des verlorenen Sohnes. Werner: „Er ist ein Kind der Austria und ein Garant für Tore – auf ihn freue ich mich besonders. “

Sehnsucht nach Titel

Peter Stöger - Rapid

Auch bei Rapid stand, was den Kader angeht, der Sturm im Fokus. Tor-, Schweiß und Tränengarant Guido Burgstaller wurde als „Rapidler des Jahres“ in die Pension verabschiedet, für ihn sollte Marko Arnautovic als Sensations-Coup Hütteldorf zum Beben bringen. Auch wenn aus dem Transfer trotz aller Bemühungen letzten Endes nichts wurde – mit der fixen Rückholaktion von Leib- und Magen-Rapidler Ercan Kara und den Verpflichtungen von Zweitliga-Goalgetter Claudy Mbuyi sowie des Franzosen Janis Antiste sind die Grün-Weißen im Sturm spannend aufgestellt. Zudem scharrt mit Nikolaus Wurmbrand ein riesiges Talent „made in Hütteldorf“ mit den Hufen. 

Der größte Hoffnungsträger sitzt aber auf der Trainerbank. Peter Stöger, zuletzt Sportdirektor bei der Admira, feiert sein Coach-Comeback und sprang bei seinen ersten Statements gleich einmal auf den eingangs erwähnten „Phantasie-Express“ auf. „Wenn es Sturm schafft, wenn es die Austria schafft, wenn es der WAC schafft, dann muss das auch für Rapid möglich sein“, sagt Stöger zum Thema Meisterschaft. Eine Ansage, die ganz nach dem Geschmack der Anhänger ist, die seit 17 Jahren auf den Teller warten – so lange wie noch nie in der ruhmreichen Geschichte des Vereins. 

Noch länger wartet man freilich in Linz auf einen Titel. Und es käme rund um die Raiffeisen Arena wohl auch niemand auf den Gedanken, diesen für die kommende Saison ernsthaft als Ziel auszurufen. Doch das Stöger’sche Motto gilt genauso für die Athletiker, die mit dem Stadion, dem Umfeld und der emotionalen Fanbase zumindest theoretisch das Potenzial hätten, den großen Wurf zu schaffen. Seit der Liga-Reform wurde der LASK einmal Vizemeister und zweimal Dritter und sorgte auch im Europacup für Glanzlichter. „Wir wollen wieder mehr unsere LASK-DNA zeigen, mehr Intensität auf den Platz bringen und für aggressiven, attraktiven Fußball stehen“, sagt Sportdirektor Dino Buric mit Blick auf die kommende Saison. 

Und hat dafür ebenfalls einen echten Trainer-Coup vollbracht. Denn mit João Sacramento weht ein Hauch von großer weiter Fußballwelt auf der Gugl. Und wer mit Christophe Galtier und vor allem José Mourinho auf den großen Fußball-Bühnen Europas stand, ist wohl eher nicht für kleines Denken geschaffen. „Ich habe nur ein Ziel: das nächste Spiel zu gewinnen! Das wird unsere Mentalität sein“, kündigt er an. Gelingt ihm das auch nur annähernd, werden sie viel Freude mit dem ersten portugiesischen Trainer in der Geschichte der ADMIRAL Bundesliga haben. Und womöglich sogar als Überraschungsgast beim Kampf um den Titel eine Rolle spielen.

Dramen vorprogrammiert

Fakt ist: So schwer wie in diesem Jahr war es wohl noch nie, eine seriöse Prognose über den kommenden Meister abzugeben. Sehr viele Köche machen den Titel-Brei diesmal zu einer echten Delikatesse, an der Fans und Beobachter ihre Freude haben werden und bei der die Buchmacher an ihren Quoten ordentlich kiefeln müssen. Und bei der Dramen vorprogrammiert sind. Gerne wieder bis zur allerletzten Sekunde der Meisterschaft. 

Text: Markus Geisler, Fotos: GEPA PICTURES