27. Apr. 2025

Legende Prilasnig: „Ich glaube an Sturm – wenn…“
Mit der Titelverteidigung ist es in Österreich ja so eine Sache. Klar, Serienmeister Red Bull Salzburg hatte eine gewisse Übung darin. Aber sonst? Gab es einzelne Überraschungen, aber seit dem „Dreierpack“ des FC Wacker Tirol (2000 bis 2002) keine andere Mannschaft, die zweimal nacheinander Meister wurde. Wer das Gefühl allerdings kennt, ist Gilbert Prilasnig. Der heutige Co-Trainer des Frauen-Nationalteams holte mit Sturm 1998 und 1999 den Meisterteller nach Graz. Und glaubt daran, dass die aktuellen Blackies dieses Husarenstück wiederholen können. Wir baten den 52-Jährigen zum Interview über die Mission Titelverteidigung.
Landläufig heißt es: Einen Titel zu verteidigen ist schwerer, als ihn erstmals zu gewinnen. Hat der Volksmund recht?
Natürlich stimmt das! Einen Titel kann man auch holen, wenn andere Teams mal schwächeln, man selbst die Gunst der Stunde nutzt und auf einmal vorne steht. Aber zweimal hintereinander Meister zu werden, zeugt von einer gewissen Dominanz. Die strahlt die aktuelle Sturm-Mannschaft definitiv aus. Sie hat sich über Jahre entwickelt, ist eingespielt. Deswegen hat sie eine gute Chance, den Titel zu verteidigen. Dass am Mittwoch bei der Austria, auch ein Titelanwärter, verloren wurde, ist keine Schande.
Die Sturm-Mannschaft Ende der 90er Jahre hatte zwischen den beiden Titeln keinen großen Aderlass. Beim aktuellen Team kamen dagegen schon ein paar gute Spieler abhanden.
Das stimmt zwar, aber die wichtigsten Spieler sind nach wie vor da! Kiteishvili, Stankovic, Wüthrich und Lavalee – das ist die entscheidende Achse, erfahrene Spieler, die das Ganze tragen. Natürlich waren jüngere Spieler wie Prass oder im Winter Gazibegovic und Biereth auch wichtig, aber das Herz des Teams ist noch da.

Ihr wurdet damals vom über jeden Zweifel erhabenen Ivica Osim trainiert. Bei Sturm gab es in dieser Saison den Wechsel von llzer auf Jürgen Säumel, der als Trainer ja noch ein Rookie ist. Welche Rolle spielt das?
Das kann eine große Rolle spielen, ganz klar. Aber wie es aussieht, hat Jürgen das Team gut in den Griff bekommen. Für einen Trainer gibt es ja nichts Schöneres, als eine Mannschaft zu übernehmen, die funktioniert. Da brauchst du ja gar nicht viel zu machen. Und mit der Zeit sieht man auch schon Jürgens Handschrift, man erkennt seine Arbeit. Ich finde, das sieht gut aus und traue ihm zu, dass er es mit dem Team schafft.
Wie groß war damals der Part von Ivica Osim?
Der Part des Trainers ist immer riesig, er gibt ja alles vor und muss ein großes Team führen: Stammspieler, Ersatzspieler, Betreuer, Umfeld. Die Leadership-Arbeit ist die größte Herausforderung. Da war Osim eine eigene Liga, ein Trainer von Weltformat! Auch Ilzer hat in Graz tolle Arbeit geleistet und eine Mannschaft entwickelt, die wieder den Titel holen konnte. Und er hat den Grundstein gelegt, dass der Titel verteidigt werden kann. Jetzt ist Jürgen Säumel gefragt, den Weg zu Ende zu gehen. Ich traue es ihm zu.
Viele Jahre führte der Titel über Red Bull Salzburg, das von seiner Dominanz eingebüßt hat, aber mit nur vier Punkten Rückstand trotzdem in Lauerstellung ist. Wieviel von Sturms Tabellenführung ist dem Salzburger Schwächeln zuzuschreiben und wieviel der eigenen guten Arbeit?
Dass die Salzburger im Vergleich zu den Vorjahren etwas schwächeln, ist klar. Sie sind aber immer noch sehr gut! Ich denke, die Arbeit der Salzburger war auch ein Motor für die anderen Klubs, die sich an ihnen orientiert haben und sich so weiterentwickeln konnten. So wie Sturm, wo man aber dennoch seinen ganz eigenen Weg gegangen ist. Der Unterschied: Sturm stellt nicht jedes Jahr eine komplett neue Mannschaft zusammen, sondern setzt auf Spieler, die viele Jahre zusammen agieren. Das ist ein großer Vorteil. Die Leadertypen sind schon einige Jahre da. Deswegen haben sie auch die Nase vorn in Sachen Erfahrung, das kann im Titelkampf schon den entscheidenden Unterschied ausmachen. Und auch wenn ich es Sturm zutraue: Vier Punkte sind nicht viel, das kann am Ende noch richtig spannend werden.
Aber du glaubst an die Mission Titelverteidigung…
Ich glaube daran, doch das „Rückspiel“ gegen die Austria am Sonntag kann ein richtiger Knackpunkt sein. Aber Sturm ist heimstark, und wenn ihnen die Revanche für das 1:2 in Favoriten gelingt, stehen die Karten sehr gut. Wenn nicht, wird es ein unfassbar knappes Rennen bis zum Schluss.
Sturm wurde 1998 erstmals in der Vereinsgeschichte Meister und verteidigte seinen Titel. War der zweite Titel dann sogar noch eine Spur wertvoller?
Ja, für mich war er das auf alle Fälle! Osim hat immer gesagt: „Einmal gewinnen ist leicht, das schafft man, wenn man einen guten Tag hat. Aber wir müssen so spielen, dass wir jede Woche gewinnen können, um an der Spitze zu bleiben.“ Er hat Teams, die das nicht schaffen, immer als „Sonntags-Mannschaft“ bezeichnet. Das hieß: Man muss gewisse Dinge immer wieder auf den Platz bringen und darf sich gewisse Fehler nur einmal leisten. Das ist uns gerade im zweiten Jahr toll gelungen, obwohl uns die Tiroler die ganze Zeit im Nacken saßen und wir die Doppelbelastung hatten. Und in dieser Saison haben wir ja sogar auch den Cup und den Supercup gewonnen.

Redakteur: Markus Geisler
Fotos: GEPA pictures