15. Okt. 2025

Nenad Cvetkovic: "Lieber hätte ich Arnautovic bei Rapid gesehen“
Nenad Cvetkovic ist ohne viele Fouls und ohne Mätzchen der beste Zweikämpfer der Liga. Mit bundesliga.at sprach der Rapidler über seine Zweikampfstärke, seine Rückennummer 55 und warum er als Roter-Stern-Fan Marko Arnautovic trotzdem lieber bei Rapid gesehen hätte.
Nenad, was hat es mit deiner Rückennummer 55 auf sich, dass sie sogar zweimal in deiner Telefonnummer steckt?
Bei der Telefonnummer ist es nur Zufall, aber in meiner ersten Saison in Israel war die Nummer 5, die ich früher getragen habe, schon weg, deshalb habe ich mich für die 55 entschieden. Mit der habe ich dann eine wirklich gute Saison gespielt. Um sicher zu gehen, dass es auch bei Rapid so gut wird, habe ich wieder die 55 gewählt. Mittlerweile ist sie meine Lieblingszahl und ich würde sie nicht mehr tauschen.
Du kommst aus Uzice…
Ja, das ist die Stadt, aus der auch Nemanja Vidic kommt!
Das wäre die nächste Frage gewesen. War der frühere Manchester-United-Star dein Idol?
Er ist jemand, zu dem ich immer aufgeschaut habe. Nicht nur fußballerisch, auch was seine Persönlichkeit, seinen Charakter betrifft. Es ist nicht einfach, ihm nachzueifern.
Zurück zu Uzice, als du drei Jahre alt warst, ist die Stadt im Jugoslawien-Krieg bombardiert worden. Hast du Erinnerungen daran?
Ja, das war im Jahr 1999, ich bin gerade in den Kindergarten gekommen und dort hat es mir überhaupt nicht gefallen. Als das Bombardement begonnen hat, konnte ich nicht mehr in den Kindergarten gehen, also habe ich zuerst gedacht, das ist eine gute Sache. Bis ich draufgekommen bin, dass ich auch nicht mehr zum Spielen rausgehen durfte. Das war eine schlimme Zeit. Ich hoffe, wir haben daraus gelernt, dass so etwas nie wieder passiert. Aber ich glaube, diese Zeit hat auch unsere Mentalität geprägt. Wir sind ein wenig ein eigensinniges Volk, das sich allen beweisen will.
Du stellst in jedem Spiel deine Zweikampfstärke unter Beweis. Mit deiner Zweikampfquote von über 70 Prozent bist du in einer eigenen Liga. Wie hast du dir diese Stärke angeeignet?
In erste Linie ist es wohl meine Physis, ich bin stark gebaut und schnell für einen Innenverteidiger. Das wichtigste ist aber die Bereitschaft. Du musst auf diesem Level einfach 90 Minuten lang fokussiert und bereit sein, weil schon ein Bruchteil einer Sekunde reicht, um den vielleicht entscheidenden Fehler in einem Spiel zu machen. Ich bin dafür jeden Tag im Fitnessraum, eine Stunde vor jedem Training, manchmal auch nach dem Training. Aber das ist auch absolut notwendig, wenn du alle drei Tage ein Spiel hast.
War der Zweikampf von Anfang an deine Domäne, auch in anderen Ligen?
Am Anfang meiner Profikarriere habe ich natürlich schon Zeit gebraucht, um mich an die Anforderungen zu gewöhnen, weil die anderen Spieler ja viel mehr Erfahrung hatten. Aber dann war es schon so, dass ich die meisten Zweikämpfe gewonnen habe. Mal mehr, mal weniger. In Israel war ich dann schon der Spieler, der die Zweikampfstatistiken dominiert hat.
Ist deshalb Rapid auf dich aufmerksam geworden?
Die Statistiken haben sicher eine Rolle gespielt, waren aber nicht allein entscheidend. Rapid hat mich die ganze Saison über in vielen Spielen beobachtet. In dem Spiel, zu dem Markus Katzer gekommen ist, habe ich ein Tor gemacht und auch sonst gut gespielt. Da hat er entschieden, dass sie mich verpflichten.
Wenn man sich einen serbische Verteidiger mit deiner Zweikampfquote vorstellt, denkt man an einen hartgesottenen Kerl, der auch mal unfaire Methoden auspackt. Hört man dich bei Interviews, scheinst du aber das Gegenteil davon zu sein?
Ich habe gelernt, die Dinge auf und abseits des Spielfeldes zu trennen. Ich will privat nicht wie ein aggressiver Kerl daherkommen, sondern gepflegt und kultiviert. Aber wenn ich in ein Spiel gehe, gelingt es mir, diesen Switch im Kopf zu machen. Mir sagen viele Leute, die mich privat kennen, dass ich auf dem Bildschirm ganz anders wirke.
Hast du jemals einen idealeren Abwehrpartner als Serge-Philippe Raux-Yao gehabt?

Ich habe mich mit allen meinen früheren Innenverteidiger-Kollegen gut verstanden, aber mit Serge ist es schon noch einmal etwas anderes. Er ist ein sehr intelligenter Spieler, ist gut am Ball und in den Zweikämpfen. Ich würde sagen, wir zwei sind gut synchronisiert. Ich genieße es, mit ihm zu spielen und bin froh, dass er noch dageblieben ist und hoffentlich noch einige Jahre bleibt.
Du scheinst dich bei Rapid sehr wohl zu fühlen. Was ist der Unterschied zu deinen früheren Vereinen?
Rapid ist ein großer Klub, er hat eine sehr gute Organisation mit guten Trainingsbedingungen und exzellentem Staff, vor allem aber sind es die Fans, die den Klub so speziell machen. Jedesmal vor 20 bis 25.000 Fans zu spielen, ist großartig. Sie pushen dich, die beste Version deiner selbst zu sein. Und sie kommen unabhängig von den Resultaten, das ist nicht selbstverständlich.
Du kommst aus dem Nachwuchs von Roter Stern Belgrad. Ist das immer noch dein Lieblingsverein?
Abgesehen von Rapid, ja. Das ist der Klub, bei dem ich aufgewachsen bin, der mich ausgebildet hat. Das ist mein Klub seit ich ein kleiner Bub war. Ich habe mit der Ersten trainiert und auch ein paar Freundschaftsspiele gemacht, aber leider nie die Chance bekommen, ein Pflichtspiel zu bestreiten. Das bedauere ich sehr. Meine Karriere wäre wohl anders verlaufen, wenn ich bei Roter Stern den Durchbruch geschafft hätte. Aber dann wäre ich vielleicht nicht bei Rapid. Und hier bin ich wirklich sehr glücklich.
Dann wärst du vielleicht auch serbischer Nationalspieler. Erfährt die ADMIRAL Bundesliga in Serbien nicht genug Anerkennung für eine Nominierung?
Man muss auf jeden Fall etwas vorweisen können, um einberufen zu werden. Aber Dejan Zukic vom WAC zeigt, dass es möglich ist. Ich war schon nahe dran, aber auf meiner Position gibt es Milenkovic von Nottingham Forest, Pavlovic vom AC Milan, die haben schon große Qualität. Aber ich hoffe, dass ich den nächsten Teamchef überzeugen kann.
Freust du dich, dass Marko Arnautovic bei Roter Stern spielt oder hättest du ihn lieber bei Rapid gesehen?
Es wäre mir natürlich lieber gewesen, er wäre zu uns gekommen, weil er ein großartiger Spieler ist. Aber er hat sich anders entschieden und wir haben auch ohne ihn sehr gute Stürmer. Claudy (Mbuyi), zum Beispiel, ist für mich einer der besten, wenn nicht der beste Stürmer der Liga. Ercan Kara hat uns schon viele wichtige Tore geschossen, also wir sind schon gut aufgestellt.
War euer Lauf in der Conference League der bisherige Höhepunkt deiner Karriere und ist er zu wiederholen?
Das war wirklich ein toller Lauf bis ins Viertelfinale und wir hätten es auch noch ins Semifinale schaffen können. Die Qualität dafür haben wir gehabt, aber wir waren im Heimspiel gegen Djurgardens nicht sorgsam genug. Ich glaube schon, dass wir diesen Lauf wiederholen können, auch wenn der Start nicht so gut war und wir viele richtig gute Gegner haben. Es wird schwieriger, aber ich bin überzeugt, dass wir es wieder in die K.o.-Phase schaffen. Und dann kommt es auf die Auslosung an.
Wie siehst du dem LASK-Spiel entgegen, nachdem in den letzten Spielen die Erfolgsserie gerissen ist?
Wir haben nach einem sehr guten Start einige nicht so gute Spiele gehabt. Aber zum Glück haben wir jetzt einige freie Tage gehabt, um wieder in einen Sieger-Rhythmus zu kommen. Gegen Salzburg hat die Performance schon gepasst, jetzt müssen auch die Resultate noch besser werden. Der LASK ist immer gefährlich, wird mit dem neuen Trainer noch besser werden, aber wir müssen gewinnen, um bald wieder an der Spitze zu stehen.
Text: Horst Hötsch; Fotos: GEPA pictures