14. Aug. 2025
Nichts geht über Wien
In Wien hat er sich gleich schockverliebt, mit Peter Stöger teilt er fast fußballromantische Erinnerungen, aufs Abenteuer Rapid brennt er – es könnte ein veritables „Match“ werden zwischen Jannes Horn und dem SK Rapid.
Federnden Schrittes schlängelt er sich durch die stylishen Sitzgruppen in der adretten Hotelbar. Der erstmalige Händedruck wird von einem smarten Lächeln garniert, das annehmen lässt, ein altgedienter Kumpel klatscht hier ab. Jannes Horn wird in den folgenden 15 Minuten im Mannschaftshotel im Trainingslager druckreif, überlegt, souverän parlieren – Eigenschaften, die im erfahrungsgemäß durchaus turbulenten Rapid-Alltag auch auf dem Platz nur allzu guttäten.
Viel hat Horn, 28, unter anderem Ex-Kölner und -Hannoveraner, vor in Wien. In der Stadt, von der er – erst recht zum Zeitpunkt des Interviews mit dem Bundesliga-Journal – noch nicht wahnsinnig viel gesehen hat, über deren Charme er aber auch in kürzester Zeit ein irreversibles Attest erstellt: „Ich habe in vielen guten Städten gewohnt, auch in Deutschland – aber über Wien geht nichts drüber.“ Stephansdom oder Kölner Dom? „Schwierig zu sagen“, schmunzelt er und liefert per Körpersprache subtil schon eine klare Favorisierung Richtung erstem Wiener Gemeindebezirk
Keine schlaflosen Nächte
Noch bis Anfang August haust er im Hotel. Dann geht es mit der zum zweiten Mal schwangeren Frau und dem zweieinhalbjährigen Sohn ab ins bereits erworbene Haus. „Ich kann mich nicht beklagen über meine momentane Situation, uns gefällt es hier, wir fühlen uns wohl.“ Bald durch Baby Nummer zwei wiederkehrende schlaflose Nächte? „Glaube ich nicht. Beim ersten Kind hat es auch gut funktioniert. Das wird keine Ausrede für meine Leistungen bei Rapid sein.“
Horn ist bereit für Hütteldorf. Notfalls wäre er es auch für die Innenverteidigung, aber sein Herz schlägt – fußballerisch – links. Defensive stabilisieren, Spiel aufbauen, andribbeln – Horn, einst riesige Zukunftshoffnung für den deutschen Fußball, vereint alle Anfordernisse an den modernen Links- und zur Not auch Mitte-Links-Verteidiger. „Vor 30, 40 Jahren warst du als Außenverteidiger dazu da, die Linie zuzumachen. Heute sollst und musst du dich sehr wohl auch offensiv einschalten, gute Räume finden, das Spiel eröffnen“, skizziert er seine Auffassung von seiner Position.
Highlight gegen Arsenal
Für die sich Trainer Peter Stöger von ihm wohl viel erwartet. Horn und Stöger arbeiteten schon einmal zusammen. Brutto werkelten sie beim 1. FC Köln zwar nur ein paar Monate zusammen, dafür fällt ein bemerkenswertes Spiel in ihre gemeinsame Zeit, vielleicht eines der emotionalsten Matches in der jeweiligen Karriere. Zwar lässt Horn – angesprochen auf den 23. November 2017 – sekundenlang seinen Blick grübelnd durch die Hotellobby schweifen, dann dämmert es ihm aber doch: „Da könnten wir mit Köln gegen Arsenal gespielt und 1:0 gewonnen haben.“ Haben sie. Tatsächlich. „Das war definitiv das Highlight-Spiel meiner Karriere“, erinnert er sich: „Gegen Arsenal spielt man in seiner Karriere womöglich nicht so oft. Dann auch noch vor ausverkauftem Haus zu gewinnen, ist etwas ganz Besonderes.“
Und jetzt kreuzen sich die Wege Stögers und Horns also wieder. „Ich hatte mit dem Verein schon Gespräche, bevor ich wusste, dass Stöger Trainer wird. Als sich das dann herauskristallisierte, war es für mich noch ein Grund mehr, dass ich es unbedingt machen möchte.“
Auf einen weiteren „alten“ Bekannten trifft Horn in Hütteldorf: Mit Louis Schaub schnürte er einst – ebenfalls für den 1. FC Köln – gemeinsam die Packler. „Louis war ein super Mannschaftskollege und super Spieler. Wir waren nach unserer gemeinsamen Zeit immer wieder in Kontakt. Er hat sich auch bei mir gemeldet, als sich mein Wechsel zu Rapid abzeichnete. Als Neuer hilft es einem natürlich sehr, wenn man in der Mannschaft schon jemanden kennt.“
Traumhaft in St. Louis
Horn hat einiges gesehen von der Fußballwelt. Nach Wolfsburg, Köln, Hannover, Bochum und Nürnberg zog es ihn zuletzt nach Übersee. 18 Spiele absolvierte er in und für St. Louis City. Bei geradezu traumhaften Möglichkeiten. „Wahnsinn, welche Bedingungen wir dort vorgefunden haben. Ich glaube, da können auch die allermeisten Klubs aus der deutschen Bundesliga nicht mithalten.“
In praktisch keinem medial kolportierten Porträt über Horn fehlt die Zuschreibung „einst riesiges Talent und große Hoffnung für den deutschen Fußball“. Doch wie fällt die Eigenanalyse seines bisherigen Karriereverlaufs aus? Wäre noch mehr drin gewesen? „Ich war in den USA, bin jetzt beim größten Klub in Österreich, bin gesund, fühle mich fit, werde bald zum zweiten Mal Vater – es könnte schlimmer sein.“ Und dazu darf er bis auf Weiteres in der Stadt leben, über die nichts drüber geht. Es gibt nun wirklich tragischere Schicksale als dieses.
Text: Michael Fally, Fotos: GEPA pictures
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