12. Aug. 2025

Schwarzer Pionier und Torjäger
Vor 50 Jahren war er der erste Torschützenkönig der Bundesliga, seit 2023 trägt der Vorplatz der Raiffeisen Arena seinen Namen. Und neuerdings zeichnet eine Graphic Novel das bewegte Leben des LASK-Jahrhundertspielers Helmut Köglberger nach. Vom Besatzungskind zur Fußballikone.
„Heeeeli, Heeeeli“, ein paar LASK-Fans haben den alten Schlachtruf aus de n 1970er-Jahren immer noch im Ohr. Er galt ihrem Publikumsliebling und Rekord-Torschützen, der heute dem Platz vor der Raiffeisen Arena seinen Namen leiht – Helmut Köglberger.
Schnell war er, trickreich, und wenn er mit seinem kurzen Haken den Gegner s o richtig schön einpackte und die Kugel gekonnt ins Netz schob, dann war es den Menschen auf den Tribünen ganz egal , dass er schwarz war. Weil er ein Schwarz-Weißer war.
Freilich hat man es auch damals schon gewusst. Dafür brauchte es keine Abhandlungen in den Zeitungen. Geboren im Jänner 1946. Besatzungskind. Den Vater, einen GI, nie kennengelernt. Von der Mutter zur Oma abgeschoben. Seit Forschungen in den 2000ern weiß man auch: Heli war eines von 350 bis 500 Besatzungskindern in Österreich, die einen schwarzen Vater gehabt haben. Leicht hatte er es damit nicht. „Es war ja nicht so, dass nach dem Krieg die vielen Nazis sofort ihre Einstellung geändert hätten“, erzählte er einmal in einem Standard-Interview.
Die schwere Kindheit, er hat sie auf dem Fußballplatz abgegeben. Unter den Kindern „war die Hautfarbe wurscht. “Wie die Farben der Semperit-Gummipatschen, mit denen sie den Ball traten. Heli besser als alle anderen. Als er für den SV Sierning und danach für Amateure Steyr kickt, lernt er, die Schmähungen von den Rängen zu überhören. „Rassismus von den Gegenspielern gab es auch. Aber das hat man sich richten können…“ Im Herbst 1962 scheint sein Name erstmals in der Kampfmannschaft auf. „Zu jung und körperlich zu schwach“, urteilt die regionale Presse. Heli klebt den Artikel trotzdem in das erste eines halben Dutzends Fotoalben, in die am Ende seine ganze Karriere passen wird. Sie sind auch die Grundlage für die im Bahoe-Verlag erschienene Graphic Novel, in der Eugenio Belgrado, Philip Bauer und Anatol Vitouch das Leben von Helmut Köglberger „Vom Besatzungskind zur Fußballikone“ nachzeichnen bzw. -texten.

Von der "schwarzen Perle"...
Bald ist das Ausnahmetalent auch von kritischen Berichterstattern nicht mehr zu übersehen. Immer öfter ist von der „schwarzen“ oder auch „braunen Perle“ zu lesen. Und oft ist es sogar lieb gemeint. Die 40.000 Schilling Handgeld, die ihm der LASK 1964 zahlt, ist Heli allemal wert. Fünf Tore schießt der 18-Jährige in seinen ersten acht Spielen für die Linzer. Obwohl die alteingesessenen Spieler schon (auch mal mit Ohrfeigen) dafür sorgen, dass er am Ende nicht noch übermütig wird. Mit sechs Punkten Rückstand auf den Tabellenführer überwintert der LASK, als “Sir“ Karl Schlechta seinen Trainerposten Frantisek Bufka überlassen muss. Gemütlicher wird es für Heli dadurch nicht. Nach einem Wintertrainingslager in Obertraun, das es in sich hat, findet er sich im Frühjahr in der Reserve wieder. Seine 13 Tore kann auch Bufka nicht ignorieren. Im Cup-Halbfinale gegen die Admira bekommt Heli seine Chance und schießt eines der Tore zum 2:1-Sieg. Damit ist er auch für die zwei Finalspiele gegen Wiener Neustadt gesetzt, in denen die Linzer mit dem Gesamtscore von 2:1 den Cupsieg davontragen. Eine Woche später muss er beim finalen 2:0-Sieg gegen die Vienna, der den ersten Meistertitel eines Klubs außerhalb von Wien bedeutet, trotzdem zuschauen. „Ein Mulatte im Nationalteam?“, fragen zwei Monate danach die Medien stammtischgerecht, als Helmut Köglberger am 5. September 1965 (beim 0:3 gegen Ungarn) als erster Schwarzer im Nationalteam steht. Immerhin, als er zum Heer einrückte, hieß es noch „Ein Neger für das Bundesheer“. Rückblickend drängte Teamtrainer Edi Frühwirth mit Köglbergers Einberufung den ÖFB sogar in eine Vorreiterrolle. Zwar war der aus dem Senegal stammende Raoul Diagne bereits 1931 für Frankreich aufgelaufen, schwarze Nationalspieler waren in Europa aber auch in den 1960ern selten wie die Blaue Mauritius. Köglbergers deutsches Pendant, Erwin Kostedde, kam erst 1974 zu DFB-Teamehren, in England dauerte es bis 1978, ehe mit Viv Anderson der erste schwarze Fußballer die “Three Lions“ auf der Brust trug. Auch in Österreich vergingen mehr als 40 Jahre, bis Okotie (2008) und Alaba (2009) in Köglbergers Fußstapfen traten.
... zum Teamkapitän

1968 sind die Gerüchte, dass Helmut Köglberger zur Austria wechseln wolle, nicht mehr einzudämmen, als die Violetten auf der Gugl gastieren. 52 Minuten lang lässt Köglberger sich die Anfeindungen der Heimfans gefallen. Dann verlässt er wortlos den Platz. Ein Skandal! Aber mit Kalkül. Wie er später zugab, hat er das Linzer Publikum gegen sich aufgebracht, damit ihn der Verein ziehen lässt. „Im Nachhinein habe ich mich geschämt“, aber nach dem Eklat verzichtet der LASK auf seine weiteren Dienste – und er kann in Ruhe bei der Austria unterschreiben. Große Freude hat er in Wien über das scharfe Training des eisernen Ernst Ocwirk nicht. Aber am Ende der Saison stehen 31 Tore und die Torjägerkrone – die ihm „France Football“ noch mit dem „Bronzenen Schuh“ aufwertet. 1975 wird er mit 22 Toren noch einmal Torschützenkönig – der erste der neugeschaffenen Bundesliga. Nach neun Toren in der Herbstsaison war er nach Streitigkeiten mit Joschi Walter, der ihm mehrere Auslandsangebote nach Deutschland und Belgien verwehrte, zum LASK zurückgekehrt, den er in der Frühjahrssaison mit 13 Toren vom letzten noch auf den sechsten Platz schießt. Am 7. Juni 1975 überlässt ihm Teamchef Leopold Stastny gegen die CSSR in seinem 23. von 28 Länderspielen (sechs Tore) erstmals die Kapitänsschleife. Ein weiterer Meilenstein. Zumal bis dahin der in Argentinien geborene Italiener Miguel Montuori der einzige Schwarze war, der (bereits 1959) eine europäische Nationalelf aufs Spielfeld geführt hatte.
1981 muss Heli seine Karriere 35-jährig nach 427 Erstliga-Spielen (212 Tore) beenden. Soziale Gerechtigkeit nimmt einen großen Stellenwert in seinem weiteren Leben ein. Mit seinem Sohn Stefan gründet der Jahrhundertfußballer des LASK das Projekt Acakoro, das Straßenkindern in Nairobi ein sicheres Zuhause und tägliches Fußballtraining bietet. Am 23. September 2018 stirbt Helmut Köglberger mit 72 Jahren. Seine Geschichte ist unvergessen.
Text: Horst Hötsch, Fotos: Votava / brandstaetter images / picturedesk.com; Comic: Bahoe Books
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