Manuel Ortlechner: „24/7 für meine Austria“

23. July 2021 in ADMIRAL Bundesliga Dieser Mann brennt für seine Aufgabe: Manuel Ortlechner, 2013 Kapitän der letzten Meistermannschaft, will die zuletzt krisengeschüttelte Austria als Sportchef in eine strahlende Zukunft führen. Vor dem Saisonstart der ADMIRAL Bundesliga gegen die SV Guntamatic Ried gibt er im großen Interview mit bundesliga.at Einblicke, wie ihm seine Mission gelingen soll.

bundesliga.at: Herr Ortlechner, Sie haben als Spieler viele Vorbereitungen mitgemacht, aber so stressig wie jetzt als Sportdirektor ging es da wohl selten zu.

Manuel Ortlechner: Es prallt Termin auf Termin, aber ich habe mich mittlerweile an die Schlagzahl gewöhnt. Das passt schon. Sportchef sein heißt für mich, 24/7 für meine Austria da zu sein, 365 Tage im Jahr. Vor allem die ersten drei Wochen waren Hardcore, da mussten wir viele Entscheidungen in kurzer Zeit treffen, die sonst Monate in Anspruch nehmen. Nicht nur bei der Kampfmannschaft, zum Beispiel auch bei der Akademie, wo wir uns komplett neu aufstellen mussten. Das ist uns gut gelungen.

Sie sagen „wir“ und „uns“…

Ganz bewusst, ja. Das ist keine One-Man-Show, das macht nicht alles nur der Orti. Ja, ich stehe in der Verantwortung und treffe die Letztentscheidung, aber ich habe ein Team um mich herum, mit dem ich immer Rücksprache halte. Bereichsleiter, die auf ihrem Fachgebiet idealerweise besser sind als ich. Ich habe den Gesamtüberblick. Das ist der Idealzustand meiner Austria.

Die Crux ist ja, dass es viele Felder zu beackern gibt, von außen wahrgenommen wird aber oft nur die Kampfmannschaft.

Das stimmt. Und das stört mich auch. Natürlich ist die Kampfmannschaft ein wichtiges Stück im Austria-Kuchen. Ich finde alles andere aber auch total wichtig: Young Violets, Akademie, Allstars, Frauenteam. E-Sports, was immer wichtiger wird. Obendrein möchte ich unter dem Titel „Austria LAB“ ein digitales Kompetenzzentrum implementieren für alles, was mit Daten zu tun hat. Das alles kostet den Faktor Zeit, der ist derzeit allerdings rar. Im Herbst möchte ich mehr ins Konzeptionelle gehen, Standards und Ziele definieren.

Beim Bau des neuen Kaders der Kampfmannschaft – von welchen Grundsätzen lassen Sie sich leiten?

Der Anteil an Eigenbauspielern soll sehr hoch sein. Wenn du Spieler über einen längeren Zeitraum begleitest, kannst du sie besser für deine Ideen, deine Werte prägen und entwickeln. Du brauchst aber auch Diversität in der Truppe, mit einer reinen U23 wird man es schwer haben. Mir schwebt ein gesunder Mix vor, in der auch Routine und Internationalität eine Rolle spielt. Ein gutes Rückgrat macht schon Sinn. Und klar: Deutschsprachig zu sein ist ein riesiger Vorteil. Deswegen habe ich mich auch so stark dafür eingesetzt, Lukas Mühl für unsere Idee zu gewinnen.

Gutes Stichwort. Erklären Sie anhand dieses Transfers doch mal, wie so etwas abläuft. Wer hatte die Idee zuerst?

Wir haben ein Scouting-Department, in dem permanent Schatten-Mannschaften kreiert werden. Da gibt es für jede Position immer einen Plan B, C, D oder E.  Wenn dann ein Bedarf besteht, werden wir tätig. Entscheidend ist dabei immer das persönliche Gespräch. Face to face, nicht über Telefon oder Zoom. Man muss sich sehen, spüren, riechen, ein Gefühl füreinander bekommen. Speziell bei jemandem wie Luki, der vor Kurzem noch in der deutschen Bundesliga eine Rolle gespielt hat. Normalerweise ist es fast unmöglich, so jemanden für die Austria zu gewinnen. In dem Fall ist es gelungen, er ist Feuer und Flamme für das Projekt, obwohl er weiß, dass die Rahmenbedingungen schwierig sind.

Was steckt konkret hinter der „Idee Austria“?

Wir verweisen auf unsere Historie, auf die Austria-DNA, die es seit 110 Jahren gibt. Wir haben infrastrukturelle Rahmenbedingungen, die, wie Lukis Beispiel zeigt, auch für internationale Spieler interessant sind. Plus der Standort Wien, plus die Menschen, mit denen der Spieler tagtäglich zusammenarbeitet. Das in der Gesamtheit hat ihn überzeugt.

Ein Kader ist ja nie perfekt, nie abgeschlossen, immer auch work in progress. Was ist die große Stärke dieses Austria-Kaders?

Dass wir jetzt schon bedenkenlos in die Saison mit allen drei Bewerben gehen könnten. Mir gefällt der Mix aus neuen Spielern, Etablierten, Eigenbauspielern. Das sieht auch der Trainer so. Klar hätte er auch nichts gegen Verstärkungen, aber wenn alles so bleibt, ist es auch okay. Man sieht eine Struktur, mit der man unsere Vorstellungen umsetzen kann: Ballbesitz, Positionsspiel, Ordnung.

Der internationale Transfermarkt ist insgesamt noch sehr ruhig, Experten rechnen damit, dass er bald Fahrt aufnehmen könnte. Werden auch Sie dann auf das Karussell aufspringen?

Das hängt davon ab, wie lange wir auf drei Hochzeiten tanzen, ob es Sperren oder Verletzungen gibt. Wir screenen den Markt aber ohnehin permanent, haben immer ein Auge darauf, wie er sich entwickelt. Ausgeschlossen ist nichts.

Zwei Matches (Anm.: souveräner Aufstieg im ÖFB Cup, 1:1 im Hinspiel der Conference-League-Quali gegen Breidablik) sind schon absolviert. Wie geht es Ihnen während der Spiele, wenn Sie ein Gefühl dafür entwickeln, ob der Kader funktioniert oder nicht?

Bis jetzt war ich relativ entspannt. Ich schaue mir die Spiele von möglichst weit oben an, will dem Schmidi (Anm.: Trainer Manfred Schmid) nicht auf der Bank im Nacken sitzen. Außerdem gefällt mir die Perspektive dort viel besser. Dass ich, im Gegensatz zu meiner Zeit als Profi, nur Passagier bin, ist Neuland, aber ich gewöhne mich daran.

Sie haben zuletzt oft Geduld eingemahnt, die Austria war zwei Jahre lang nicht in der Meisterrunde vertreten. Ist das klare Ziel: Angriff auf die Top 6?

Vor zwei Saisonen waren wir Siebenter, letzte Saison Achter. Wenn ich jetzt sage, wir wollen das wiederholen, wäre das wenig glaubwürdig. Ich bin aber auch kein Hellseher, kann unmöglich voraussagen, wie sich die kommenden 40 Pflichtspiele in den verschiedenen Bewerben entwickeln. Mein Ansatz ist: Wir wollen so gut arbeiten, dass wir gar nicht drumherum kommen, uns gut zu platzieren. Fakt ist auch, dass wir eine brutal junge Mannschaft haben, die eine gewisse Zeit zur Entwicklung benötigen wird.

Manfred Schmid sprach auf seiner ersten PK von „ein, zwei Scheißjahren“…

… Der Sager ist jetzt schon legendär! (lacht)

Haben Sie den mittlerweile verflucht? Oder gar ganz bewusst platziert?

Nein, abgesprochen war er nicht. Aber er war anscheinend das Einzige, was hängen blieb. Für die Erwartungshaltung war es vielleicht gar nicht schlecht, dass ihm das rausgerutscht ist. Es trifft die Sache ja auch auf den Punkt. Unser Bestreben ist trotzdem, eine Entwicklung in Gang zu setzen, unsere Ziele schneller zu erreichen, Vertrauen in unser Tun zu schaffen. 

Die Austria startet am Sonntag bei der SV Guntamatic Ried (Ankick: 17 Uhr), der Verein, bei dem Sie Ihre Profikarriere gestartet haben.

Dort liegt meine sportliche Heimat, ich bin in Ried geboren, daher ist es für mich speziell. Die Fluktuation war aber so, dass kaum noch jemand dort ist, mit dem ich noch zu tun hatte. Außer natürlich Rudi Zauner, gute Seele und Klubikone, der hat mich damals zur U18 geholt. Auf ihn freue ich mich riesig.

Thomas Reifeltshammer ist dort in einer ähnlichen Position wie Sie. Haben Sie einen Draht zueinander?

Ja, immer wieder, wir tauschen uns auch ab und zu aus. Ein toller Typ, eine Identifikationsfigur, die optimal zum Verein passt, die Werte nach außen vertritt. Er hat als Kapitän schon das große Ganze gesehen, kennt den Verein und die Menschen dort in- und auswendig. Ein cleverer Schachzug der Rieder, ihn im Klub einzubinden.

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