Rapids Marco Grüll: Ein Mann geht seinen Weg

20. August 2021 in ADMIRAL Bundesliga Dieser Typ ist kein 08/15-Profi: Marco Grüll war nie in einer Akademie, vertraut keiner großen Berater-Agentur und vollzieht nur Transfers, die ihm langfristig sinnvoll für seine Karriere erscheinen. Schnelles Geld hat für ihn genauso wenig Priorität wie ein großer Schritt nach vorne, denen drei nach hinten folgen könnten. Bei Rapid fasste er erstaunlich schnell Fuß, was nur für diejenigen überraschend kommt, die ihn nicht genau kennen. Jetzt geht es in der ADMIRAL Bundesliga gegen seinen Ex-Klub SV Guntamatic Ried.

Da steht er nun, das Trikot durchgeschwitzt, die Hände in die Hüften gestemmt. Das erfolgreiche und von einem Tor gekrönte Europa-League-Qualifikationsspiel gegen Luhansk (3:0) war bereits das zehnte Match in gut vier Wochen, das der 23-Jährige für seinen neuen Klub Rapid absolvierte. „Klar hatte ich vorher schon die eine oder andere englische Woche, aber dieses Programm ist schon ein anderes Kaliber“, sagt er. Und lässt dabei keinen Zweifel, mit der mentalen Frische überhaupt kein Problem zu haben, die Spiele im Drei-Tages-Takt in vollen Zügen zu genießen. Was man ihm und seinen Leistungen auf dem Platz ansieht: Vier Treffer gelangen ihm in den zehn Spielen, zwei im Europacup, eines im Cup und in der vergangenen Runde gegen Altach sein erstes in der Liga für die Hütteldorfer. Nicht nur für einen noch jungen Neuzugang eine bärenstarke Quote.

Lob von Gerald Baumgartner

„Ich bin kein Typ, der lange Zeit zum Eingewöhnen braucht“, sagt er. Und fügt lapidar hinzu: „Am Ende geht es darum, auf den Ball draufzuhauen. Das funktioniert überall gleich.“ In seinem Fall: gleich gut. Als er im Winter 2018/19 vom Regionalligisten St. Johann zum damaligen Zweitligisten Ried wechselte, wurde er auf Anhieb Stammspieler und erzielte in der Rückrunde sechs Treffer. „Mit seiner Unbekümmertheit, seiner Dynamik, seinen Dribblings war sofort eine Bereicherung für uns“, erinnert sich sein damaliger Trainer und Sportdirektor Gerald Baumgartner. „Es dauerte nicht lang, da wurde er bei uns zum Fan-Liebling.“

Schon damals war Rapid an Marco Grüll dran, wollte ihn für die Amateur-Mannschaft in der Regionalliga Ost verpflichten. Auch andere Vereine streckten ihre Fühler nach dem Offensivtalent aus, auch welche aus der Bundesliga. Doch Grüll wollte keinen zu großen Schritt machen, das Fahren auf der Überholspur war ihm nicht geheuer. Er wähnte sich im Innviertel genau richtig aufgehoben – und schoss den Klub in der darauffolgenden Saison mit 13 Toren und ebenso vielen Assists in die Bundesliga. Was erneut Begehrlichkeiten weckte, unter anderem bei Branchenprimus FC Red Bull Salzburg. Wo andere sich vielleicht den Kopf hätten verdrehen lassen, blieb Grüll cool: „Ich wusste, welches Standing ich in Ried hatte. Deshalb wollte ich mein erstes Jahr in der Bundesliga hier verbringen. Mit der relativen Sicherheit, viel zu spielen und mich an die Liga gewöhnen zu können.“

Union, Eintracht – viele waren an Grüll dran

Die Übung gelang, Grüll wurde schnell zu einem der auffälligsten Spieler der Liga. Was auch im Ausland registriert wurde. Eintracht Frankfurt, Union Berlin, es waren ambitionierte Mannschaften mit europäischen Zielen, die bei ihm anklopften. „Ja, mit diesen beiden Vereinen gab es Gespräche“, gibt er zu. Und gibt eine Erklärung ab, die man heutzutage nicht mehr oft hört: „Ganz ehrlich: Der Schritt von Ried nach Frankfurt wäre für mich zu groß gewesen. Und es hätte mir ja nichts gebracht, dort vielleicht nur auf der Bank zu sitzen. Rapid schien mir dagegen die logischere Wahl zu sein.“

Dazu kommt, dass Grüll keine große Berater-Agentur hinter sich hat, die womöglich aus Eigeninteresse einen größeren Wechsel forcieren wollte. Sein Manager ist ein ehemaliger Mitspieler in St. Johann, mit dem er keine Geschäftsbeziehung, sondern eine Freundschaft pflegt. „Wir reden offen und ehrlich über alles, da fühle ich mich einfach gut aufgehoben. Ich würde keinen Transfer machen, von dem ich im Vorfeld nicht zu 100 Prozent überzeugt bin.“

Bei Rapid war er es. Vor allem, weil Manager Zoki Barisic und Trainer Didi Kühbauer langen Atem bewiesen und ihm konstant versicherten, auf ihn zu bauen. Was nicht nur leere Worte waren, wie der Saisonstart bewies. Für Ex-Coach Baumgartner keine Überraschung: „Mir war klar, dass er mit seinem bodenständigen Charakter schnell in die Mannschaft findet. Ich bin überzeugt, dass er bei Rapid seinen Weg machen wird und Hütteldorf sicher nicht die Endstation seiner Karriere ist.“

Duell gegen alte Bekannte

Das aber ist Zukunftsmusik. In der Gegenwart geht es am Sonntag (17 Uhr) für Grüll, der nie eine Akademie von innen gesehen hat, nun gegen seinen Ex-Klub Ried. Ein Wiedersehen voller Vorfreude, denn er weiß genau, was er dem Verein zu verdanken hat. Und guten Kontakt zu alten Kollegen wie Marcel Ziegl oder „dem Reiner Consti“ pflegt er noch regelmäßig. Was nicht heißt, dass er bei einem etwaigen Treffer nicht jubeln würde. „Allerdings nicht exzessiv oder provokant. Und es ist ja auch ein Unterschied, ob es das 1:0 in der 5. Minute oder der Siegtreffer in der Nachspielzeit wäre.“ So reflektiert sieht es auch nicht jeder Profi. Aber Marco Grüll ist eben vieles, nur kein 08/15-Typ.

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