Andreas Schicker: „Sturm macht wieder richtig Spaß!“

3. September 2021 in ADMIRAL Bundesliga Wer am sogenannten Deadline-Day, an dem die Transferzeit zu Ende geht, entspannt ein Interview geben kann, muss im Vorfeld vieles richtig gemacht haben. Andreas Schicker, seit einem Jahr Sportdirektor beim SK Puntigamer Sturm Graz, spricht mit bundesliga.at über sein Transfer-Motto, streikende Spieler, den starken Saisonstart und die Sehnsucht nach rauschenden Europacup-Nächten.

bundesliga.at: Schön, wenn man es am letzten Tag des Transferfensters gemütlich angehen kann…

Andreas Schicker: Wir haben gute Vorarbeit geleistet, hatten unseren Grundkader früh beisammen. Wir sind ausgewogen besetzt, haben gute Qualität und können mit mehreren Varianten agieren. Kein Grund, am letzten Tag Panik zu bekommen.

Gab es Last-Minute-Anfragen anderer Klubs?

Ich würde sagen loses Interesse, aber nie konkret. Durch die Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League haben wir Einnahmen, die es uns ermöglichen, die Mannschaft, die letzte Saison aufgezeigt hat, zusammenzuhalten. Wichtig war, dass wir mit einem Spieler wie Otar Kiteishvili schon im Juni verlängert haben, um Sicherheit zu haben.

Wurde wegen ihm angeklopft?

Bei ihm, aber auch bei dem einen oder anderen.

Die letzte Verpflichtung von Sturm war Alexandar Borkovic, der in Hoffenheim kaum gespielt hat. Warum sind Sie trotzdem überzeugt, dass er eine Verstärkung ist?

Er ist ein Spieler mit unheimlich großem Potenzial, das hat er in der österreichischen Liga schon gezeigt. Er bringt irrsinniges Tempo mit, ist noch dazu ein Linksfuß. Genau dieses Anforderungsprofil haben wir gesucht. Bei ihm gibt es nur ein Fragezeichen: Wie bekommen wir es hin, dass er über einen längeren Zeitraum fit ist? Mit ihm muss man präventiv viel arbeiten, dann haben wir einen hervorragenden Spieler, der uns noch mehr Varianten ermöglicht. Bei der Austria hat er 2019/20 unter unserem Trainerteam 21 Spiele gemacht. Wenn er das bei uns auch hinbekommt, ist das schon okay.

Ihre anderen Neuzugänge – Sarkaria, Affengruber, Prass – haben schon nachgewiesen, dass sie echte Verstärkungen sind.

Mit Sarkaria haben wir einen außergewöhnlich guten Fußballer bekommen, der schon jetzt eine Top-Statistik mit sieben Toren in neun Pflichtspielen hat, drei im Cup, vier in der Liga. Affengruber ist schon jetzt ein Leader, der David Nemeth um nichts nachsteht. Da waren die Rufe schon laut, wie schade es ist, dass wir David nach einem sehr guten Jahr wieder abgeben müssen. Prass hat es etwas schwieriger und mit Kuen und Kiteishvili sehr große Konkurrenz auf seiner Position. Wenn er gespielt hat, hat er sein Können aufblitzen lassen.

Diese Transferzeit hat einen Trend gezeigt, dass wechselwillige Spieler mit fragwürdigen Mitteln Druck ausüben, um einen Wechsel zu forcieren. Eine gefährliche Entwicklung?

Definitiv! Das gefällt mir gar nicht. Wenn ein Spieler einen Vertrag unterschreibt, muss er wissen, was drinsteht. Vor allem, was die Laufzeit angeht. Ich hoffe, dass sich die Vereine zusammenschließen und an einem Strang ziehen. Die andere Seite gibt es ja auch. Wenn ein Trainer nicht mehr mit einem Spieler plant, zahlt ihm der Verein trotzdem das volle Gehalt weiter. Ich glaube, dass den Spielern manchmal gar nicht bewusst ist, wie sehr sie sich mit solchen Aktionen selber schaden. Dem muss man klar entgegenwirken.

Der Saisonstart in der ADMIRAL Bundesliga war mit drei Siegen, zwei Remis und einer Niederlage erfolgreich. Zufrieden?

Sehr! Die letzten zwei Remis taten ein bisschen weh, da hätte uns ein Sieg gutgetan. Auch wenn es nicht verdient gewesen wäre. Betrachtet man das Gesamte inklusive Cup und Europacup, wo wir unsere Aufgaben souverän gelöst haben, sind es sogar sechs Siege in neun Spielen. Da muss man schon von einem sehr guten Start reden.

Mit elf Punkten liegt Sturm auf Rang zwei. Seht ihr euch als Bullenjäger Nummer eins?

Medial wurde anfangs die Hoffnung gehegt, dass es an der Spitze spannender werden könnte. Das hat sich aufgrund des starken Salzburger Starts aber schnell beruhigt. Salzburg steht nach wie vor über den Dingen, dahinter ist es sehr ausgeglichen. Rapid, LASK, WAC, das sind alles Mannschaften mit hoher Qualität. Auch die Austria hat sich eine Halbzeit lang gegen uns sehr gut verkauft, auch wenn sich das tabellarisch noch nicht widerspiegelt.

Geben Sie trotzdem jetzt das Ziel Vize-Meister aus?

Nein! Wir greifen die Top 6 an, das ist das Wichtigste. Dafür war der Saisonstart sehr gut. Wir wissen ja nicht, wie die Mannschaft reagiert, wenn sie im Herbst erst in Monaco und drei Tage später gegen einen vermeintlichen Underdog aus der Liga spielt. Da könnte es schwer werden, den Fokus zu bewahren und voll zu punkten.

Gab es in den ersten Spielen einen Trend, der Ihnen besonders gut gefallen hat?

Ich merke im gesamten Klub einen unheimlich positiven Trend, bei dem wir unglaublich viel Energie von außen bekommen. Sturm macht wieder richtig Spaß, auch für alle, die für den Klub arbeiten. Wir spielen mutigen Offensiv-Fußball, erzielen viele, teils sehr schöne Tore. Wenn dann noch Spieler wie Jakob Jantscher ins Nationalteam geholt werden, ist das eine tolle Sache. Genauso wie Kelvin Yeboah, der für die italienische U21 einberufen wurde, oder Jusuf Gazibegovic ins bosnische A-Team. Oder nehmen wir Jon Gorenc Stankovic: Der kam vor einem Jahr aus Huddersfield und hat es über die österreichische Liga geschafft, seinen Marktwert zu verdreifachen (Anm.: von 1,2 auf 3,5 Millionen Euro). Auch ein Zeichen für die Stärke der Liga. Wir machen uns da manchmal kleiner als wir sind.

Was hat Ihnen beim Einzug in die Gruppenphase der Europa League mehr Freude bereitet: der finanzielle oder der sportliche Aspekt?

Beides gleich, weil beides eng zusammenhängt. Mit den Einnahmen ist es einfacher, die Mannschaft zu halten, das tat dem Klub nach dem sehr schwierigen Corona-Jahr einfach gut. Ich habe in den letzten Wochen gespürt, wie riesig die Sehnsucht der Sturmfamilie ist, wieder international bei einer Gruppenphase dabei zu sein. Es freut mich irrsinnig, das nach zehn Jahren wieder geschafft zu haben.

Die Gruppe mit Monaco, PSV Eindhoven und Real Sociedad klingt fast schon nach Champions League.

Absolut! Durch die Reduzierung um 16 Mannschaften ist die Europa League für mich die neue Champions League. Da gibt es kaum noch schlechte Teams. Mir taugt, dass wir Top-Mannschaften aus den besten Ligen der Welt bekommen haben, die richtig attraktiv sind. Auch wenn ich weiß, dass wir sportlich vor einer Mammutaufgabe stehen.

Mit welcher Zielsetzung geht Sturm es an?

Ich traue der Mannschaft zu, in der Gruppe zu punkten und dank ihres Charakters und ihrer Mentalität über sich hinauszuwachsen. Jetzt davon zu sprechen, Platz zwei ins Visier zu nehmen, halte ich für unangebracht als Sturm Graz. Das Ziel ist, den Klub und den österreichischen Fußball so teuer wie möglich zu verkaufen.

Sie selbst haben Ihren Vertrag bis 2024 verlängert – rechnen Sie auch in Zukunft mit ruhigen Transferperioden?

(lacht) So gemütlich, wie es vielleicht von außen aussah, war es dann auch wieder nicht… Mir ist bewusst, dass wir sehr viel im Vorhinein arbeiten müssen. Durch den internationalen Bewerb werden Begehrlichkeiten geweckt, wir haben viele junge und interessante Spieler, die bei größeren Vereinen auf den Radarschirm kommen werden. Sturm war immer ein Verein, der verkauft hat, wenn der Preis stimmt. Da müssen wir gut vorbereitet sein, da kommt eine Menge Arbeit auf uns zu. Unser Motto lautet: Nach der Transferzeit ist vor der Transferzeit.

Und wie müsste der Klub 2024 positioniert sein, damit Sie zufrieden Bilanz ziehen würden?

Als ich vor einem Jahr angetreten bin, haben wir einen Dreijahresplan erstellt. An dessen Ende stand die Teilnahme an einer internationalen Gruppenphase. Insofern sind wir unserem Plan ein gutes Stück voraus. Jetzt muss das Ziel sein, dass wir uns auf diesem Level stabilisieren. Wir stehen für eine Art des Fußballs, die perfekt zu Sturm passt: hoch stehen, früh attackieren, Powerfußball bieten. Das wollen wir weiter etablieren.

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