Andreas Schicker: „Wir wollen die Talente-Kategorie A“

7. April 2023 in ADMIRAL Bundesliga

Andreas Schicker ist das Mastermind hinter dem sportlichen Höhenflug des SK Puntigamer Sturm Graz. Im Interview erklärt der sportliche Geschäftsführer, wie man es mit einem nachhaltigen Konzept schafft, Leistungsträger zu verlängern und Transferrisiken zu minimieren.

 

Bundesliga-Journal: Als Sie 2020 die Nachfolge von Günter Kreissl angetreten haben, war im Sommer die Rede von einem Dreijahresplan. Ziel war es, sich diese Saison 2022/23 erstmals wieder für den Europacup zu qualifizieren. Warum ging alles so viel schneller?

Andreas Schicker: Wir wollten einen Neubeginn, weil wir Misserfolg hatten. In so einer Situation ist es immer einfacher, etwas zu verändern. Wichtig war es, die Erwartungshaltung nach unten zu schrauben. Wir haben in vielen Klausuren einen nachhaltigen Plan entworfen – wir wollten weg vom kurzfristigen Erfolg. Die klaren Vorgaben, die Verpflichtung von Christian Ilzer als Cheftrainer und von Spielern wie Gregory Wüthrich und Jon Gorenc- Stankovic waren erste Bausteine. Dann haben wir versucht, uns mit jeder Transferphase anhand eines klaren Anforderungsprofils zu verbessern. Dass alles so schnell passiert ist – etwa mit Europacup bereits im ersten Jahr – hat in der Folge gewisse Dinge einfacher gemacht. Wir sind auf einem guten Weg, aber wichtig ist, das Level zu halten.

Sturm ist im Bereich der Transfererlöse und Transferausgaben in neue Sphären vorgestoßen. Den Stein ins Rollen brachte der Transfer von Kelvin Yeboah von der WSG Tirol im Frühjahr 2021. Wie viel finanzielles Risiko nahm man dafür?

Das war der erste wichtige Transfer, ja – dieser war allerdings auch nur möglich, weil der Verein in der Vergangenheit auch schon gut gewirtschaftet hat. Wir wollten im ersten Winter Geld in die Hand nehmen, weil wir Geschwindigkeit in der vordersten Spitze benötigt haben. Wir wussten, der Junge kann sich weiterentwickeln. Dass es so schnell ging, lag am Trainerteam, das bei der Entwicklung von Spielern hervorragende Arbeit leistet. Ein Jahr später haben wir dank der Yeboah-Transfererlöse Rasmus Höjlund verpflichten können. Der Rest ist eh bekannt – man bekommt auf einmal andere Möglichkeiten, wenn man solche Summen einnimmt.

Sowohl die Yeboah-Millionen als auch die Höjlund-Millionen wurden reinvestiert. Wie schwer war es, das Sturm-Umfeld von diesem Investitionsweg zu überzeugen? Gerade im Fall von Rasmus Höjlund, der als 18- Jähriger ohne viel Erfahrung für einen Millionenbetrag verpflichtet wurde. Der Präsident des Vereins etwa ist noch immer jener, der Teil der Gruppe war, die Sturm vor 15 Jahren vor dem Konkurs retten musste.

Der Plan war und ist es, Spieler der Talente- Kategorie A nach Graz zu holen. Es war schon so, dass in diesem Fall von Rasmus Überzeugungsarbeit notwendig war. Aber er war eben 18 Jahre alt, wenn so ein Spieler einschlägt, eröffnet das ganz andere Möglichkeiten. Man darf auch nicht vergessen, dass wir damals Zweiter waren, punktegleich mit dem WAC, und bei dieser extrem engen Tabellenkonstellation nicht wussten, ob wir mit einem so jungen Spieler den Europacup erreichen werden. Am Ende habe ich die Überzeugung von allen Seiten gespürt und es ist glücklicherweise aufgegangen.

Wie viel Anteil haben die Europacuperfolge anderer Teams wie Salzburg, LASK und WAC in der jüngeren Vergangenheit daran, dass sich europäische Toptalente dafür entscheiden, über Sturm Graz den nächsten Schritt machen zu wollen?

Ein junger ausländischer Spieler verbindet Österreich schon sehr bald mit Salzburg. Das ist etwas, für das man Salzburg auch dankbar sein muss, weil sie der Hauptgrund sind, dass wir so viele Punkte und Startplätze haben. Für eine gute Spielerentwicklung ist eine europäische Gruppenphase immer wichtig. Daher ist es entscheidend, dass wir nicht nur auf junge Spieler setzen, sondern mit routinierten Spielern, die lange beim Verein sind, auch gute Achsen bilden können. Wie schafft es Sturm, gerade routinierte Spieler wie Jon Gorenc Stankovic oder Gregory Wüthrich, aber auch aufstrebende Spieler wie Alexander Prass oder Yusuf Gazibegovic immer wieder zu verlängern? Das eine ist, Führungsspieler verlängern zu können, um Kontinuität im Verein zu gewährleisten. Dazu muss man einerseits eine passende sportliche Perspektive bieten, andererseits muss man als Verein natürlich auch hier Geld in die Hand nehmen. Diese Spieler weiter an den Verein zu binden, ist wichtig und nur möglich, wenn sie sehen, dass der Verein sich nach wie vor in die richtige Richtung entwickelt. Bei jungen Spielern ist es so, dass man ihnen bei Angeboten, die für alle Seiten passen, einen Wechsel möglich machen muss. Transfers in einer Größenordnung von Höjlund sind jedenfalls nicht alltäglich, und diese Summen dürfen auch bei künftigen Transfers nicht als selbstverständlich angesehen werden.

Wie schwer ist es, einen wachsenden Kader zu moderieren? Mit Bryan Teixeira hat Sturm diesen Winter den Bundesliga-Topscorer vom Herbst verpflichtet.

Viele Spiele werden von der Bank aus entschieden. Das ist auch etwas, was uns im Herbst ausgezeichnet hat. Natürlich will jeder von Beginn spielen, aber das Trainerteam macht eine tolle Arbeit und moderiert das sehr gut. Dass ein Spieler nicht glücklich ist, wenn er nicht spielt, ist grundsätzlich eine gute Eigenschaft eines ehrgeizigen Fußballers.

Andreas Schicker wirkt immer cool und entspannt. Bringt Sie nichts aus der Ruhe?

Mich bringt selten was aus der Ruhe. Auch mein Unfall hat mich noch geduldiger gemacht. Aber ich bin auch überzeugt von unserem Weg, das beruhigt ebenfalls. Wie kann man die Erfolgswahrscheinlichkeit hochhalten? Fußball darf nie gemütlich werden, weil dann Stillstand einkehrt. Das wird meine Aufgabe sein, dafür zu sorgen.

Ist das sportliche Konzept von Sturm schon ähnlich gefestigt und etabliert wie bei Salzburg? Anders gefragt: Ist man unabhängig von Einzelpersonen wie Christian Ilzer oder Ihnen?

Ich glaube, am Ende ist es schon so, dass die Zusammenarbeit bei uns aktuell hervorragend ist. Wir haben gemeinsam geschafft, einen nachhaltigen Weg zu finden. Es ist ein gutes Fundament da für den Fall, dass einer von uns beiden den Verein verlässt. Chris und mir macht es richtig Spaß, wir haben auch beide erst vor kurzem unsere Verträge verlängert. Ich hoffe, dass wir noch sehr lange zusammenarbeiten. 

 

Fotos: GEPA pictures

Redakteur: Peter K. Wagner
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