Austria Wien: Michael Wimmer im Gespräch

24. February 2023 in ADMIRAL Bundesliga

Es war DIE Personalie dieses Winters. Austria Wien trennte sich von Fan-Liebling Manfred Schmid und installierte Michael Wimmer, zuvor sieben Spiele Interims-Trainer beim VfB Stuttgart, als neuen Chefcoach. Ohne etwas dafür zu können, stand der Deutsche in einem Sturm, durch den er sich erst einmal kämpfen musste. Mittlerweile sind zwei Spiele absolviert, ein Sieg und eine Niederlage stehen zu Buche. Wie der 42-Jährige tickt und wofür er als Trainer stehen will, verrät er im großen Interview mit bundesliga.at.

 

Martin Hinteregger, der Sie aus Augsburg kennt, meinte, Sie seien „kein typischer Deutscher“, Sportchef Manuel Ortlechner nannte Sie gar einen „halben Österreicher“. Können Sie mit angeblich deutschen Tugenden wie Ehrgeiz, Disziplin und Härte am Ende gar nichts anfangen?

Doch, kann ich, die genannten Dinge sind mir schon wichtig. Es geht mir aber genauso um menschliche Werte wie Vertrauen, Respekt und Wertschätzung. Vielleicht meint Hinti ja, dass ich eine gewisse Lockerheit mitbringe – wie ein Sprichwort in Deutschland sagt: fünf auch mal gerade sein lassen kann. Da würde ich ihm schon Recht geben.

Um die verschiedenen Ansätze im Fußball zu verdeutlichen, bemühte Ortlechner einen Vergleich aus dem Skisport. Ist der Wimmer-Fußball eher ein technisch feiner Slalom oder eine wilde Abfahrt?

Ich finde es schwierig, von Wimmer-Fußball zu sprechen. Man erfindet den Fußball ja nicht mehr neu, es ist immer von allem alles drin. Wenn ich meine Idee beschreiben müsste, würde ich sagen: So zielstrebig wie möglich, so kontrolliert wie nötig. Am Ende des Tages brauchst du alles, um erfolgreich zu sein.

Über allem steht die Frage: Wie zweckmäßig darf Fußball sein?

Leider ist es so, dass am Ende immer die Ergebnisse zählen. Nehmen wir das letzte Spiel in Lustenau (Anm.: 0:1-Niederlage): Wir haben in vielen Phasen guten Fußball gezeigt, Chancen herausgespielt, gut verteidigt. Es war also ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn es von außen aber heißt, der gewinnt nicht mal gegen einen Aufsteiger, darf man sich auch nicht beschweren. Es zählt also das Ergebnis, auch wenn für mich die Leistung auf dem Platz im Vordergrund steht.

Wie ist vor diesem Hintergrund Ihre Gefühlslage in der Woche nach so einem Match?

Ich habe den Jungs in der Nachbesprechung gesagt: Ich bin enttäuscht, weil es ein Spiel war, das wir hätten gewinnen müssen. Ich bin aber auch positiv gestimmt, weil wir viele Dinge richtig gut gemacht haben. Und trotzdem war auch Platz für Frust, weil wir viele Aktionen nicht gut zu Ende gebracht haben, weil wir uns nicht an Dinge gehalten haben, die vorher abgesprochen waren

Was meinen Sie?

Zum Beispiel die Strafraumbesetzung. Es gab drei, vier Aktionen, bei denen wir uns über außen richtig gut durchgesetzt haben, in der Box aber aufgrund mangelnder Positions-Disziplin nicht die richtigen Räume besetzt haben. Unter anderem deswegen haben wir das Tor, das wir uns verdient hätten, nicht erzielt. (schmunzelt) Vielleicht bin ich in dem Punkt doch typisch deutsch.

Vier Spiele sind es noch bis zur Liga- und Punkte-Teilung, die Tabelle hat zu diesem Zeitpunkt einen viel höheren Stellenwert als beispielsweise in Deutschland. Haben Sie den für Sie neuen Modus schon verinnerlicht?

Noch nicht ganz, wenn ich ehrlich bin. Während des Lustenau-Spiels kam Tormann Christian Früchtl zu mir und wollte wissen, ob er am Ende mit nach vorne gehen soll, weil der direkte Vergleich ja bei Punktgleichheit zählt. Das hatte ich bis dahin gar nicht auf dem Schirm. Es war in diesem Fall unerheblich, weil das erste Duell unentschieden ausgegangen ist, wäre aber relevant gewesen, hätten wir das Heimspiel im Herbst mit einem Tor Unterschied gewonnen gehabt. Natürlich bringt dieser Modus einen brutalen Reiz und viel Spannung in diese Phase. Auf uns warten jetzt vier Endspiele, was natürlich seine Tücken hat.

Und zwar?

Wir sind derzeit in einem Entwicklungsprozess. Und der verläuft nicht linear, sondern mit Höhen und Tiefen. Nur: Tiefen sind doof, wenn man vier Endspiele im Kampf um die Meisterrunde hat. Für Beobachter spannend, für die Vereine nervenaufreibend.

Wenn man wie Sie in eine neue Liga geht – wie arbeitet man sich da ein?

Ich habe die österreichische Liga immer verfolgt, weil ich sie interessant fand. Seien wir ehrlich: Was ist möglich für einen Trainer wie mich, der nicht viel Erfahrung in der ersten Reihe hat, um den Einstieg in die Cheftrainer-Rolle zu schaffen? Zweite Liga in Deutschland? Schweiz? Österreich? Ich bin nicht so naiv zu sagen: Jetzt stehen die deutschen Bundesligisten Schlange, weil der Wimmer sieben Spiele mit Stuttgart gemacht hat. Ich weiß, dass ich mich erstmal beweisen und Erfahrungen auf diesem Niveau sammeln muss.

Manche Klubs werden Sie besser, andere weniger gut gekannt haben.

Klar. Ich habe mit Miro Klose zusammen die Trainer-Lizenz gemacht, deswegen seinen Weg mit Altach genau verfolgt. Außerdem hatten wir mit Alexis Tibidi einen VfB-Spieler nach Altach verliehen. Lukas Mühl, Georg Teigl… alles Spieler, mit denen ich schon gearbeitet habe. Mannschaften wie Austria Klagenfurt musste ich dagegen erstmal kennenlernen. Deswegen war ich auch bei vielen Spielen im Stadion, um so viele Live-Eindrücke mitzunehmen wie möglich.

Hat die österreichische Liga Ihrer Ansicht nach etwas Spezielles?

Was sich für mich bestätigt hat: Der Fußball in Österreich hat sich extrem entwickelt. Ein Aufsteiger wie Lustenau will Fußball spielen, wir treffen jetzt mit Hartberg auf ein Team, bei dem Markus Schopp versucht, spielerische Lösungen zu finden. Das gilt auch für Altach unter Miro Klose. Mit Salzburg und Sturm gibt es zwei Teams, die auch in Deutschland mithalten und meiner Meinung nach nicht gegen den Abstieg spielen würden. Da steckt schon richtig viel Power drin!

Wenn man sich Ihre persönliche Saison-Bilanz mit Stuttgart und Austria anschaut fällt auf: 9 Spiele, 5 Siege, 4 Niederlagen, kein Remis…

(lacht) Sven Mislintat (Anm.: bis Ende November Sportchef in Stuttgart) hat mich vor Kurzem angetextet: „Jetzt könntest du auswärts auch mal einen Punkt holen.“ Mit dem VfB haben wir zuhause alles gewonnen, in der Fremde alles verloren.

Sagt das etwas über den Trainer Wimmer aus? Ist Ihnen ein „erwurschteltes“ 0:0 zuwider?

Ich bin schon ein Trainer, der gerne mutig ist. Steht es 0:0, sage ich: Kommt, lasst uns versuchen, das Ding zu gewinnen! Bei drei Spielen verliere ich lieber zwei und gewinne eines, als dass ich dreimal unentschieden spiele. Das ist meine Art. Kann aber auch nach hinten losgehen.

Sie hatten beim VfB einen Punkteschnitt inklusive DFB-Pokal von 1,71. Ihr Vorgänger Pellegrino Matarazzo hatte 0,56, Bruno Labbadia aktuell 1,14. Mal bei dem Gedanken ertappt: Da hätten sie mich auch behalten können?

Bei dem Gedanken ertappt man sich schon manchmal… Aber: Ich bin froh, dass mir die Verantwortlichen in Stuttgart die Chance gegeben haben, mich zu beweisen. Ich denke, ich habe das Beste draus gemacht. Man hat sich dort für einen erfahrenen Trainer entschieden, der noch nie abgestiegen ist. Das ist legitim, mit mir wurde auch immer offen und ehrlich kommuniziert. Und nur durch die Chance in Stuttgart ging die Tür zur Austria auf. Wenn ich sehe, welche Koryphäen schon durch diese Tür gegangen sind… Das ist schon großartig.

An welche Trainer denken Sie da zuerst?

Herbert Prohaska. Peter Stöger. Christoph Daum. Jogi Löw. Das sind schon Kaliber mit großen Namen.

Sie haben sich relativ schnell nach Ihrem Aus in Stuttgart für einen neuen Job entschieden, noch dazu im Ausland. Warum wollten Sie nicht länger warten?

Tatsächlich habe ich zu meiner Frau gesagt, dass ich es ruhig angehen lasse und erstmal Zeit mit der Familie verbringen möchte. Nach zwei Wochen habe ich aber gemerkt: Nur daheim sitzen ist auch fad. Ich war ja nach sieben Spielen keineswegs ausgebrannt. Dann kam die Anfrage von der Austria und ich war schnell Feuer und Flamme und wollte diese Chance ergreifen.

Sie haben die gleiche Berater-Agentur wie Pep Guardiola. Ich nehme an, da haben Sie gleich einmal durchgeklingelt…

(lacht) Das mit der Agentur stimmt. Einen direkten Draht zu Pep habe ich aber leider nicht.

Wer den hat, ist Hartberg-Trainer Markus Schopp, der mit Guardiola in Brescia zusammengespielt hat. Ihr Gegner am Samstag.

Ich kenne Markus, seit wir vor ein paar Jahren gemeinsam einen Analyse-Kurs absolviert haben. Sehr sympathischer Typ, wir hatten immer mal sporadisch Kontakt. Ich freue mich schon auf das Wiedersehen. Ich halte ihn für einen sehr guten Trainer, der eine klare Idee hat, wie er spielen lassen will. Trotzdem wollen wir die Punkte in diesem ersten von vier Endspielen hierbehalten und dem Spiel, das uns vorschwebt, wieder einen Schritt näherkommen. Wir hatten bis dato noch gar nicht die Zeit, alle Inhalte aufzuarbeiten. Von dem, was die Mannschaft verinnerlicht hat, stehen wir vielleicht bei 50 Prozent.

Redakteur: Markus Geisler
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