Christoph Schösswendter: „Die Art und Weise, wie Union Berlin gelebt wird, ist uns ein Vorbild“

6. July 2023 in ADMIRAL Bundesliga

Am Mittwoch feierte Blau-Weiß Linz die offizielle Eröffnung des neuen Stadions, ehe am 15. Juli das Eröffnungsspiel gegen PSV Eindhoven folgt. Wo der Aufsteiger sportlich hin will, wie er sich im Vergleich zum LASK positioniert und warum einer seiner Ex-Klubs als Vorbild dient, erfuhr bundesliga.at im Interview mit Neo-Sportdirektor Christoph Schösswendter,

 

Christoph, du bist bei Blau-Weiß Linz von einem Tag zum anderen aus dem Fußballer-Dress in den Anzug des Sportdirektors geschlüpft. Wie gut schwimmst du schon nach dem Sprung ins kalte Wasser?

Naja, es war kein kompletter Kaltstart, weil ich mich in den letzten zwei Monaten als Spieler schon einarbeiten konnte und vieles mit Tino Wawra durchgegangen bin, aber es sind auch dadurch, dass wir ja lange in Ungewissheit waren, in welcher Liga wir spielen werden, schon sehr viele Themen in sehr kurzer Zeit auf mich zugekommen. Aber so geht’s wahrscheinlich den anderen Sportdirektoren in der Transferzeit eh auch. Bei uns ist eben noch die Stadioneröffnung dazugekommen. Trotzdem fühle ich mich sehr wohl in meinem neuen Job.

Für das Eröffnungsspiel des Donauparkstadions ist alles auf Schiene?

Wir haben am Mittwoch die Eröffnung der Stadt Linz gehabt. Der Bürgermeister war da, die Mitglieder und Fans waren eingeladen, alle Nachwuchsmannschaften waren dabei und wir haben unsere Bundesliga-Mannschaft offiziell präsentiert. Das Eröffnungsspiel folgt dann am 15. Juli gegen PSV Eindhoven.

Weil die Ticketpreise zuletzt vermehrt Thema unter den Fans waren, wie sieht eure Ticketpreispolitik aus?

Die Ticketpreise waren natürlich ein wichtiges Thema bei der Mitgliederversammlung, mittlerweile sind sie öffentlich und wir können behaupten, dass es uns gelungen ist, den Leuten leistbaren Fußball zu bieten. Bei all den Teuerungen wollten wir nicht, dass die Leute am Samstag dastehen und überlegen müssen, ob sie sich das Match noch leisten können oder nicht. Natürlich haben auch wir unsere VIP-Logen, aber wir haben beispielsweise auch einen Familiensektor, wo Kinder bis zum Alter von 18 Jahren gratis sind und es auch günstige Tickets für die Begleitpersonen gibt.

Du hast in deiner Karriere bei größeren und kleineren Vereinen gespielt, wo würdest du BW Linz positionieren wollen?

Wir sind sehr bodenständig und familiär, das wollen wir auch bleiben. Wir haben keine große Geschäftsstelle wie Rapid, aber wir haben eine gute Kommunikation und kurze Wege. Und wir haben viele Helfer rundherum, die das großteils ehrenamtlich machen. Wir sind bestrebt, der sympathische Verein zu bleiben. Auf der sportlichen Seite waren wir in den letzten Jahren schon ein Verein, der Spielern, die es bei größeren Klubs vielleicht nicht gleich geschafft haben, eine zweite Chance gegeben hat. Ein Mayulu oder Seidl hatte überhaupt keiner auf dem Schirm, jetzt sind sie beide bei Rapid. Auch in den letzten Jahren gab es immer wieder Spieler, die sich für höhere Aufgaben empfohlen haben. Nach dem ersten Meistertitel vor drei Jahren sind gleich sechs, sieben Spieler in höhere Ligen gewechselt und haben ihren Weg gemacht.

Eine deiner Stationen war Union Berlin. Können die „Eisernen“ ein Stück weit als Vorbild dienen?

Von der Emotion her war Union sicher meine schönste Station. Eine Fanszene wie dort habe ich nirgendwo auch nur annähernd kennengelernt. Ich bin ja direkt von Rapid gekommen und Rapid hat auch unglaubliche Fans und Fanmassen. In einer durchwachsenen Saison habe ich dort aber auch den Gegenwind von den Rängen gespürt, der mit der Mannhaft schon auch etwas macht. Berlin ist dagegen so unglaublich positiv. Auch Spieler, die viel länger dort waren als ich, haben mir bestätigt, dass die eigene Mannschaft dort noch nie ausgepfiffen oder beschimpft wurde. Die Fans sind nahe bei der Mannschaft, aber sie kennen ihre Grenzen. Wenn du die Alte Försterei betrittst, spürst du sofort den Zusammenhalt, wie jeder den Klub lebt und mitträgt. Jetzt liegen natürlich Welten zwischen uns. Union ist Champions-League-Teilnehmer. Aber die Art und Weise, wie der Verein gelebt wird, ist schon klar ein Vorbild für uns.

Wieviel VÖEST steckt eigentlich noch in BW Linz?

Es ist schon so, dass wir nicht einfach ein Verein sind, der 1997 gegründet wurde. Die alte VÖEST ist immer noch im Verein verankert. Durch Leute im Vorstand, durch viele Mitglieder aus der VÖEST-Zeit. Im Herzen sind wir VÖESTler. Von der Fanseite sogar ganz extrem. Da ist es uns in den letzten eineinhalb Jahren seit ich da bin auch gelungen, viele Ex-VÖESTler wieder zu begeistern und ins Stadion zu bringen.

Gibt es auch die große Rivalität mit dem LASK wieder?

Unter den Fans gibt es diese große Rivalität, das ist auch ganz normal für eine Stadt, die jetzt zwei Vereine in der Bundesliga hat. Aber wir wissen, wo wir hingehören, kennen die Größe des LASK in allen Belangen. Zum heutigen Zeitpunkt können wir uns sicher nicht mit dem LASK messen. Aber wir wollen schon durch gute Arbeit eine Anlaufstelle für die Unentschlossenen sein, von denen wir mehr und mehr auf unsere Seite ziehen wollen.

Du hast neben der Fußballkarriere die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gemacht, hast Business und Sportmanagement studiert, das UEFA-B-Diplom gemacht. Sieht so aus als hättest du sehr früh die Weichen in deine neue Karriere gestellt?

Ich habe mir früh Gedanken gemacht, auch aufgrund von Erfahrungen, die Kollegen gemacht haben. Im Fußball kann es mit jedem Jahr vorbei sein, deshalb wollte ich für den Umstieg vorbereitet sein und so viele offene Türen wie möglich haben. Da ich mir eine Zukunft ohne Fußball nicht vorstellen wollte, habe ich die Ausbildung im Management und zum Trainer gemacht, wohlwissend, dass es im Profifußball in Österreich nur sehr wenige Plätze und sehr viel Nachfrage gibt. Dass ich jetzt Sportdirektor in der Bundesliga bin, hätte ich nie erwartet.

Hatte die frühe Orientierung auch mit der nicht immer linear verlaufenen Fußballer-Karriere zu tun?

Wie in jeder Fußballerkarriere gab es auch bei mir schöne und weniger schöne Zeiten, aber in den fast 16 Jahren hatte ich doch mehr schöne Zeiten. Trotzdem glaube ich, dass alles im Leben einen Sinn hat. Alle Erfahrungen, die ich gemacht habe, kommen mir jetzt zugute. Wenn mich Felix Magath bei der Admira nicht abgesägt hätte, wäre ich nie zur Austria gekommen, dann wäre ich sicher nicht bei Blau-Weiß gelandet und wäre jetzt nicht Sportdirektor. Oder Union Berlin: Sportlich war das meine schwerste Zeit, weil ich so wenig gespielt habe, wie bei keinem meiner anderen Klubs. Aber ich habe in Berlin meine Frau kennengelernt, wir haben mittlerweile einen Sohn und erwarten unser zweites Kind.

Als Sportdirektor hast du auch die Gelegenheit bekommen, deinen eigenen Nachfolger auszusuchen. Ist er überhaupt schon gefunden und was darf er besser können als du?

Den Nachfolger hätten wir mit Lukas Tursch eigentlich schon in den eigenen Reihen gehabt, aber der fällt mit einem Kreuzbandriss leider noch länger aus. Mit Stefan Haudum haben wir jemand geholt, der den Verein bereits kennt und die Lücke schließen kann. Er ist sicher eine Spur schneller als ich (lacht). Ich muss zugeben, dass ich zuletzt schon viel mit dem Auge gelöst habe. Stefan hat Bundesliga-Erfahrung und weiß, was wir von ihm erwarten. Er soll die Mannschaft führen, die Abwehr einteilen, auch abseits des Spielfeldes aktiv sein. Das war sicher der größte Anteil, den ich ins Team eingebracht habe.

 

Fotos: GEPA pictures

Redakteur: Horst Hötsch
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