11 Fragen an Klagenfurts Till Schumacher: „Keine kleinen Brötchen backen!“

19. January 2024 in ADMIRAL Bundesliga

Dieser Mann ist kein 08/15-Profi. Über zwei Stationen in Tschechien (Jihlava, Bohemians Prag) kam Ruhrpott-Kicker Till Schumacher nach Klagenfurt, wo er seit Sommer 2021 auf einer Welle des Erfolgs surft. In Unserer Rubrik „11 Fragen“ spricht der 26-Jährige über Ziele und Träume, die weit über den Fußball hinausgehen.

 

1. Du kamst im Sommer 2021 an den Wörthersee – mit welchen Erwartungen und Hoffnungen?

Als mein Vertrag in Prag ausgelaufen war, habe ich mich bewusst entschieden weiterzuziehen. Es klingt so salopp, weil es jeder sagt: Aber ich wollte eine neue Herausforderung, eine neue Stadt, ein neues Umfeld kennenlernen. Es war nicht so, dass ich unbedingt nach Österreich wollte, das hat sich so ergeben, weil sich Matthias Imhof (Anm.: damals Sportdirektor) um mich bemüht hat. Und ehrlich: Das ist ja ein Traum von einer Region hier! Als dann die Perspektive klar war, dass ich hier eine wichtige Rolle einnehmen kann, ist die Entscheidung schnell gefallen.

2. Seit du da bist, hat der SK Austria als Underdog immer die Meistergruppe erreicht.

Als ich kam, war der Verein gerade in die Bundesliga aufgestiegen. Daher konnte die Erwartungshaltung gar nicht sein, dass wir immer Erfolg haben würden. Es freut mich sehr, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe, dass es anders kam. Meiner Meinung nach liegt es daran, dass bei der Zusammenstellung des Kaders Wert darauf gelegt wurde, dass wir eine charakterlich einwandfreie Truppe sind. Ein verschworener Haufen, der nicht über besondere Einzelspieler, sondern übers Kollektiv kommt. Wir können stolz auf unsere Leistung sein, ich bin es auch.

3. Du hast dich gleich als Stammspieler etabliert und in der vergangenen Herbstrunde nicht eine einzige Sekunde verpasst. Die beste Phase deiner Karriere?

Sicher eine super Phase. Keine Sekunde zu verpassen ist für eine laufintensive Position wie meine (Anm.: linke Außenbahn) schon eine Besonderheit. Auch wenn es noch Themen gibt, an denen ich arbeiten muss, wie meine Effektivität. Ich will mich aber nicht beklagen.

4. Auch heuer seid ihr wieder oben dabei, der Vorsprung auf Rang sieben beträgt drei Punkte, fünf Runden sind im Grunddurchgang noch zu absolvieren. Schafft ihr den Meisterrunden-Hattrick?

Auf jeden Fall! Das Ziel wurde mittlerweile auch ausgesprochen. Gut so, man muss hier ja nicht unnötig kleine Brötchen backen. Wir sind in der Situation, dass wir die Gejagten sind, andere Teams hinter uns unseren Platz haben wollen. Und wir werden den mit allem, was wir haben, verteidigen. Wir wollen in die Meistergruppe, nur dort nicht wieder am Ende Sechster werden.

5. So wie in den letzten beiden Saisonen.

Genau. Das ist zwar auch eine starke Leistung, ich will das nicht schmälern. Aber wenn man schon die Möglichkeit hat, wäre es toll, auch mal einen internationalen Platz zu ergattern. Das würde ich schon als Ziel ausgeben, auch wenn es ein ganz hartes Stück Arbeit ist. Auch wenn man in Klagenfurt mit Bescheidenheit immer gut gefahren ist und lieber die anderen Teams große Töne spucken lässt.

6. Du hast in der Jugend von Borussia Dortmund gespielt und wurdest von Jürgen Klopp schon mal zum Training „hochgezogen“. Jetzt hast du mit Peter Pacult ebenfalls einen Trainer, der oft mit dem Wort Kult verbunden wird. Zwei Typen, die von außen betrachtet höchst unterschiedlich wirken. Haben sie auch eine Gemeinsamkeit?

Die Gemeinsamkeit ist, dass die Spieler für Beide durch Feuer gehen. Wie und warum, das ist nicht zu erklären, diese Eigenschaft kannst du als Trainer nicht lernen. Peter Pacult ist eine Legende in Österreich, er schafft es immer, uns mental so auf die Spiele vorzubereiten, dass wir auch Partien gewinnen, in denen die Qualität der Einzelspieler auf dem Papier geringer ist als beim Gegner. Weil wir einfach immer Vollgas geben. Das verbindet die beiden Trainer.

7. Dein Vertrag läuft mit Saisonende aus. Nachdem du bisher einen eher ungewöhnlichen Karriereweg hattest – ist damit zu rechnen, dass du auch im Sommer eine ungewöhnliche Entscheidung triffst?

(lacht) Guter Versuch… Stimmt, mein Vertrag läuft aus, ich wäge aktuell meine Optionen ab. Ich bin auch mit Günther Gorenzel (Anm.: aktueller Sportdirektor) in Gesprächen über eine Verlängerung, das ist auf keinen Fall ausgeschlossen. Aber ja, mein Karriereweg war bis jetzt ungewöhnlich und wird auch in Zukunft ein paar ungewöhnliche Wendungen nehmen, weil ich daran interessiert bin, andere Länder und Kulturen kennenzulernen. Das kann auch gerne ganz weit weg sein. Ob das jetzt im Sommer ist, weiß ich noch nicht, schließlich verlief die Saison sehr gut.

8. Was steht bei den potentiellen Zielen ganz oben bei dir?

Ich würde gerne Amerika oder Australien mitnehmen. Zwei Länder und Ligen, an denen ich sehr interessiert bin. Das sportliche Niveau ist dort mittlerweile auch sehr gut, es gibt keine Sprachbarriere. Das würde mich sehr reizen.

9. Du hast in Tschechien begonnen, Psychologie zu studieren. Machst du das noch?

Ich habe mittlerweile meinen Bachelor erworben, das Studium ist angeschlossen. Jetzt gerade bin ich dran, meinen Master zu machen, allerdings in einem anderen Fach, Sport-Business-Management. Mir ist wichtig, dass die Bildung neben der Profi-Karriere nicht auf der Strecke bleibt. Als Profi hat man die Zeit, so etwas zu machen. Für mich ist es eine logische Geschichte, um auch nach der aktiven Karriere einen guten Job zu haben, mit Mitte 30 den Sprung ins Berufsleben zu schaffen. Ich will möglichst viel lernen, viele Abschlüsse machen, um nachher meine Chancen zu erhöhen.

10. Helfen Kenntnisse eines Psychologie-Studiums im Alltag eines Fußballprofis?

Definitiv! Man lernt viel über Menschen und deren Verhalten, da ist der Fußball ja auch ein spezielles Biotop. Was mir viel geholfen hat, ist die Selbstreflexion. Das sieht man meinem Spiel auch an, denke ich. Ich raste selten auf dem Platz wegen einer Kleinigkeit aus. Es ist aber auch Segen und Fluch, weil dir auf der anderen Seite ein bisschen die Eigenschaften des Instinkt-Fußballers verloren gehen.

11. In Tschechien warst du eine Zeit lang der einzige Deutschland-Legionär, hier gehörst du der mit Abstand größten Gruppe von Gastarbeitern an. Was ist angenehmer?

Einer von vielen ist schön, weil die Verständigung leichter ist. Andererseits: Der Einzige in Tschechien zu sein, hat mich schon sehr ins Rampenlicht gebracht. Da hast du schon gespürt, dass du der Einzige und dadurch etwas besonderes bist. Das gilt für die mediale Aufmerksamkeit, aber auch für die Position im Team. Als Deutscher hast du im Fußball ja prinzipiell keinen schlechten Ruf. (lacht) Ich kann mit beidem sehr gut leben.

 

Fotos: Gepa Pictures

Redakteur: Markus Geisler
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