Am Freitag trifft das österreichische Nationalteam in der EURO-Quali auf Belgien. Für Regi van Acker (68) noch immer ein besonderes Match. 20 Jahre, nachdem der Belgier als Trainer Schwarz-Weiß Bregenz in einem dramatischen Endspurt vor dem fast sicheren Abstieg rettete, spricht er über die Ticks des damaligen Präsidenten Hans Grill, Top-Stürmer Axel Lawaree, ein Angebot aus Salzburg und den Glauben, dass Österreich eine starke EURO in Deutschland spielen kann.
Herr van Acker, am Abend des 29. Mai 2003 standen Sie in den Katakomben des damaligen Horr-Stadion und rauchten eine Zigarette. Die Erleichterung, Schwarz-Weiß Bregenz in letzter Sekunde vor dem Abstieg gerettet zu haben, stand Ihnen ins Gesicht geschrieben.
Ich kann mich noch sehr gut erinnern. Es war ein Donnerstag, und wir wussten, dass die Austria unter Christoph Daum als Meister feststand, drei Tage später aber noch das Cup-Finale (Anm.: gegen Kärnten) zu absolvieren hatte. Auf diesen kleinen Vorteil haben wir spekuliert. Vor dem Spiel habe ich mich von meinem Torhüter überreden lassen, mit einer Fünferkette zu spielen. Das hat aber nicht funktioniert. Also habe ich bald auf Viererkette umgestellt. Kurz vor der Halbzeit gingen wir mit unserem zweiten Konter in Führung. Ich sehe noch vor mir, wie die Schweizerin Nicole Petignat als Schiedsrichterin die Mannschaften zur zweiten Halbzeit aufs Feld führte. Mit dem 2:0 durch Laszlo Klausz war die Partie entschieden.
Ried verlor die Parallel-Partie gegen die Admira mit 0:3, dadurch ist Bregenz dringeblieben. Dabei hattet ihr nach 34 Runden fünf Punkte Rückstand, dann aber das direkte Duell gegen Ried gewonnen.
Ja, eigentlich waren wir schon tot. Die ganze Saison war für uns ein Tanz am Abgrund. Wir haben aber nie den Glauben an uns verloren, die Mannschaft hatte eine richtig gute Mentalität. Wir hatten schon auch gute Einzelspieler, die meisten waren aber bereits über ihrem Zenit. Björn Otto Bragstad, Jan Ove Pedersen, das waren norwegische Nationalspieler, aber schon weit über 30 Jahre alt. Aber wir haben es geschafft, mit dem kleinsten Budget in der Liga, ein unglaublicher Erfolg.
Sie haben vorher und nachher immer in Belgien gearbeitet. Wie kamen Sie eigentlich nach Österreich?
Ich war vorher in Lierse, wo mein Vertrag auslief. Dann bekam ich einen Anruf von Didier Frenay, einem Agenten, der auch Axel Lawaree unter Vertrag hatte (Anm.: stürmte damals für Bregenz). Er meinte, dass Bregenz einen Nachfolger für Rainer Hörgl sucht. Ich sagte ihm, dass ich weder die Liga kenne noch deutsch spreche. Aber er blieb hartnäckig und es wurde vereinbart, dass ich zu einem Spiel kommen soll. Dort lernte ich dann Hans Grill kennen.
Den damaligen Präsidenten, der durchaus als speziell galt.
(lacht) Das kann man wohl sagen… Als ich ihm meine Vorstellungen sagte, meinte er sofort: Auf keinen Fall, zu teuer. Darauf ich: Okay, war ein schönes Wochenende, ich fahre dann wieder heim. Und plötzlich sagte er: Nein, schlagen Sie ein, Sie können am Montag anfangen. Mein erstes Spiel war dann auch in Wien, allerdings bei Rapid, das damals im großen National-Stadion spielte. Wir haben dort in letzter Sekunde 1:2 verloren.
Was verbinden Sie noch mit Hans Grill?
Ein unglaublicher Typ! Aber ich mochte ihn, ganz ehrlich, er hat viel für den Fußball in Bregenz getan. Das Problem war, dass er wie in alten Zeiten spielen lassen wollte, mit Libero und zwei Manndeckern davor. Ich musste ihn erst von der Viererkette überzeugen.
Sie sprachen Axel Lawaree bereits an. Er wurde in besagter Saison mit 21 Treffern Torschützenkönig der Liga, obwohl Bregenz fast abgestiegen wäre.
Axel war einer der körperlich fittesten Spieler der Liga. Das war damals schon ein kleiner Unterschied zwischen Österreich und Belgien. Heute ist das anders, aber der Fußball in Belgien war zu der Zeit schneller und dynamischer. Und Axel war ein Top-Profi, der hart an sich gearbeitet hat, immer bereit war. Er war so etwas wie unsere Lebensversicherung.
In der folgenden Saison wurdet ihr Fünfter.
Wir haben dann sogar im UI-Cup gespielt (Anm.: an Inter Baku gescheitert). Als ich nach Bregenz kam, hatten wir einen Kader von 32 Spielern und es hieß, alle müssen bleiben. Ich habe aber darauf bestanden, dass wir um zehn Spieler reduzieren, um vernünftig arbeiten zu können. Wir haben eine richtig gute Saison gespielt, in der alle fragten: Wie macht ihr das, nachdem ihr fast abgestiegen wärt? Aber dann ging Axel zu Rapid, wir konnten das Niveau nicht halten, dazu gab es Probleme im Verein auf mehreren Ebenen. Also bin ich im Winter 2005 zu Hans Grill gegangen.
Und wollten Bregenz verlassen.
Ich meinte, das wars für mich, aber Grill hat sich vehement gewehrt. Dazu kam, dass ich ein Angebot von Royal Antwerpen hatte, das wollte ich unbedingt machen. Letztlich haben wir uns auf eine Auflösung meines Vertrages geeinigt. Und wissen Sie, was passiert ist, als ich gerade im Auto nach Belgien saß?
Was?
Ein Manager von Salzburg rief an. Die waren damals Vorletzter, Bregenz Letzter, und wollten mich verpflichten. Er meinte ganz beiläufig, dass im Sommer mit Red Bull ein neuer Partner einsteigen würde (lacht). Ich stand aber Antwerpen im Wort und wollte mich daran halten. Schade eigentlich, das hätte schon spannend werden können…
Am Freitag tritt die belgische Nationalmannschaft im Happel-Stadion an. Für Sie ein besonderes Match?
Tatsächlich ist es das, ja. Einmal im Jahr fahren meine Frau und ich nach Bregenz, wir treffen dort alte Freunde und plaudern über die alten Zeiten. Ich habe noch gute Verbindungen, auch wenn ich die Liga nicht mehr so intensiv verfolge. Aber Bregenz macht als Aufsteiger in der 2. Liga eine sehr gute Figur.
Das Hinspiel in Belgien endete 1:1. Wer ist für Sie am Freitag Favorit?
Belgien macht unter dem neuen Trainer Domenico Tedesco gerade einen Umbruch durch. Sein Vorgänger Roberto Martinez setzte viel auf Ballbesitz und Passspiel, jetzt gibt es einen komplett anderen Stil, aggressiver, mit jüngeren Spielern und mehr Zug zum Tor. Dazu fehlen mit Kevin De Bruyne und Tormann Thibaut Courtois zwei ganz wichtige Stützen. Ich denke, dass es für Belgien ein sehr kompliziertes Spiel werden wird.
De Bruyne gehört zu den unbestritten besten Spielern der Welt. Hart, ihn zu ersetzen, oder?
Eigentlich unmöglich! Wer so viele Jahre unter Pep Guardiola bei Manchester City eine so exponierte Stellung hat, ist nicht zu ersetzen. Er ist ein Spieler, der sich in allen Systemen zurechtfindet.
Wie schätzen Sie das österreichische Nationalteam ein? Seit Ihrem Weggang 2005 hat sich ja viel verändert.
Das kann man wohl sagen. Als ich vor über 20 Jahren nach Österreich ging, meinten die Leute: Warum machst du das? Österreich ist doch keine große Fußball-Nation! Das hat sich geändert. Es herrscht ein anderer Wind, vor allem jetzt unter Ralf Rangnick, ich traue dem Team auch bei der EURO einiges zu. Vielleicht nicht unbedingt das Finale, aber doch ein sehr gutes Turnier. Österreich spielt mit Speed und Dynamik, und sie wirken auf mich, als würden sie als ein Team auftreten, das zusammenhält. Das ist heute eine der wichtigsten Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein.
Sie sind aktuell Trainer bei Eendracht Aalst in der 4. belgischen Liga. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Vor ein paar Wochen wurde ich gefragt, ob ich den Job übernehme. Ich kenne den Klub, war schon mal hier (Anm.: 2014/15). Außerdem sind die Klubfarben schwarz und weiß, wie in Bregenz… (lacht) Es gibt eine Investorengruppe, die unbedingt den Aufstieg schaffen will. Aus meinen ersten beiden Spielen haben wir sechs Punkte geholt, das war schon mal ein guter Start.
Fotos: GEPA pictures