Heribert Weber: Der Marathonmann

20. September 2023 in ADMIRAL Bundesliga

Niemand hat mehr Bundesliga-Spiele absolviert als Heribert Weber. 573-Mal stand der Steirer auf dem Platz. Ein Streifzug durch fünf Jahrzehnte Bundesliga.

 

45 Jahre im Fußballzirkus haben Heribert Weber an viele Orte gebracht: in die Grazer Gruabn, das Wiener Weststadion, nach Salzburg-Lehen, Argentinien, Spanien und ins Sky-Studio in Wien-Auhof. Heute ist er wieder dort angekommen, wo alles begonnen hat: am Doktor-Heschl- Weg am Grazer Stadtrand. Hier hat der junge Heribert Weber vor 50 Jahren seine Lehre als Buchdrucker absolviert. Direkt gegenüber seiner ehemaligen Lehrstelle steht das Hotel Kern Buam, das heute von seiner Ehefrau geführt wird. Hier empfängt Weber das Bundesliga-Journal zum Streifzug durch 50 Jahre, in denen er die Liga in unterschiedlichen Rollen begleitet und geprägt hat.

Talentierter Buchdrucker

In den frühen 70er-Jahren besucht der junge Buchdruckerlehrling Weber die Berufsschule in Graz und zerschießt an den Wochenenden – damals noch als Stürmer – das steirische Unterhaus für seinen Heimatverein Pöls ob Judenburg. Sein Klassenvorstand liest dies zufällig in der Zeitung und organisiert mit der eigens dafür gegründeten Buchdruckerauswahl ein Testspiel gegen die U20 von Sturm Graz. Die Partie endet zwar mit einer 3:5-Niederlage für die Buchdrucker, Weber schießt allerdings alle drei Tore und erregt so das Interesse von Sturm-Kampfmannschaftstrainer Karl Schlechta auf der Tribüne. „Der hat gesagt: den mit den langen, schwarzen Haaren müsst ihr mir holen“, erzählt Weber. Er wechselt zu Sturm und kommt im Februar 1974 erstmals in der damaligen Staatsliga zum Einsatz. Dass wenige Wochen später ganz Fußball-Österreich über die große Reform samt Bundesliga-Gründung diskutiert, spielt für Weber kaum eine Rolle: „Ich hatte damals die Möglichkeit, Stammspieler zu werden und habe mich hundertprozentig auf das Training und die Spiele konzentriert. Ob das dann eine Zehner-, Zwölfer- oder Sechzehnerliga werden sollte, war für mich völlig egal – wichtig war nur, dass Sturm dabei ist.“ Und Sturm ist dabei, nachdem sich die „Schwoazen“ in einer Fünfjahres-Wertung gegen den Stadtrivalen GAK mit 149:147 Punkten durchsetzen und sich so den „Steiermark-Platz“ in der neugegründeten Bundesliga sichern.

Dort avanciert Weber zum Stammspieler – und wird vom Stürmer zum Verteidiger. Diesen interpretiert er aber auf offensive Art und Weise. „Hinten absichern und warten, bis ein Ball kommt? Das war nicht ich!“, beschreibt Weber sein Rollenverständnis. „Wenn sich eine Chance ergeben hat, bin ich in den Raum hineingesprintet, habe den Ball nach vorne gebracht und wenn es gepasst hat, auch selbst abgeschlossen.“ Durchaus mit Erfolg: Weber sollte im Laufe seiner Karriere 57 Bundesliga- Tore erzielen. 1976 debütiert er im Nationalteam, zwei Jahre später wird er bei der WM in Argentinien in allen drei Vorrundenspielen eingewechselt. „Das hat mir persönlich sehr viel bedeutet, denn ich war zuvor noch kein Stammspieler im Team.“ Die Rückkehr nach dem 3:2-Sieg gegen Deutschland ist fest im Gedächtnis verankert: „Wie begeistert uns die Leute in Österreich empfangen haben… das vergisst man nie mehr.“

Leistungsträger bei Rapid

Nach der Weltmeisterschaft wechselt Weber von Sturm zu Rapid. Für ihn erfüllt sich damit ein Kindheitstraum. „Als Steirer darf man das eigentlich nicht sagen, aber Rapid war schon als Kind mein Lieblingsverein.“ Bei den Hütteldorfern wird Weber auf Anhieb zum Stammspieler, der Verein befindet sich anfangs aber noch im Umbruch. Nach zwei sportlich eher zähen Anfangsjahren beißen sich die Hütteldorfer Anfang der 80er dann langsam wieder oben fest. 1981 kehrt Hans Krankl vom FC Barcelona zurück und wird auch prompt wieder Kapitän der Grün-Weißen. Weber, der damals die Schleife trägt, wird zum Ehrenkapitän ernannt. Die Erwartungen an die neue Saison sind hoch, der Kader hat Qualität: Herbert Feurer, Kurt Garger, Heribert Weber, Antonin Panenka, Reinhard Kienast, Christian Keglevits und Hans Krankl stehen Trainer Walter Skocik zur Verfügung. Wo viele Qualitätsspieler sind, ist aber auch viel Ego auf engem Raum. Die Geschichte von den zwei Achsen innerhalb des Kaders rund um die Leithammel Weber und Krankl wurde bereits oft erzählt. „Es hat zwischen mir und dem Hans immer wieder Streitigkeiten gegeben“, bestätigt Weber, dass sich die Ansichten der beiden nicht immer gedeckt hätten: „Er wollte so viele Tore schießen wie möglich, ich als Verteidiger so viele Tore wie möglich verhindern. Da hat es die eine oder andere Diskussion gegeben.“ Qualitätsspieler haben allerdings eine weitere Eigenschaft: Sie ordnen alles dem Erfolg unter – sogar die eigenen Befindlichkeiten. „Wir waren gescheit genug, dass wir gewusst haben, dass wir in den entscheidenden Momenten als Mannschaft auftreten müssen“, so Weber.

Es macht sich bezahlt. Rapid wird 1982 Meister – erstmals nach 14 Jahren. Drei weitere Meistertitel in den 80ern folgen, dazu vier Cuptitel und der Einzug ins Finale im Cup der Cupsieger. Es ist die – nach Titeln – erfolgreichste Dekade in der Rapid-Vereinsgeschichte und Weber der Fixpunkt in der Hütteldorfer Defensive. Bei der WM 82 in Spanien kommt er dreimal in der Vorrunde zum Einsatz und erregt auch das Interesse von internationalen Topklubs. „Ich habe von den Anfragen aber immer erst erfahren, nachdem sie vom Klub abgelehnt worden sind.“ Ein Transfer nach Spanien hätte ihn schon gereizt, sagt Weber. Der bleibt ihm verwehrt, eine andere Geschichte hat dafür einige Jahre später eine schöne Wendung genommen: Hans Krankl und Heribert Weber sind gute Freunde geworden. „Dass uns das gelungen ist, freut mich besonders.“

Salzburger Höhenflug

Im Sommer 1989 bricht Heribert Weber nach elf Jahren seine Zelte in Wien ab und wechselt zur gerade aufgestiegenen Austria Salzburg. In Salzburg fühlt er sich vom ersten Tag an pudelwohl und wird von seinen Mitspielern auch gleich zum Kapitän gewählt. Der Verein etabliert sich in der höchsten Spielklasse und steigert sich von Jahr zu Jahr. 1991 kommt Otto Baric als Trainer, die Salzburger werden zweimal in Folge Vizemeister hinter der der Wiener Austria. Dann folgt die historische Saison 1993/94. Die Salzburger stürmen ins UEFA-Cup-Finale, mit dem Lied „Wir sind die Sieger“ die Charts und in der Meisterschaft zum Titel. Sie füllen das Ernst-Happel- Stadion und lösen in ganz Österreich eine Euphorie aus. Das Erfolgsgeheimnis dieser legendären Mannschaft mit Spielern wie Otto Konrad, Heimo Pfeifenberger oder Wolfgang Feiersinger? „Wir hatten sehr gute  Spieler, die aber auch bereit waren, nicht nur zu spielen, sondern in dieser Einheit auch mitzukämpfen. Wir haben Extra- Schichten geschoben und hatten immer zu 100 Prozent das Gefühl, dass wir im Training alles dafür getan haben, um bei den Spielen erfolgreich zu sein. Der Zusammenhalt und der Einsatz haben uns ausgemacht.“

Weber führt die Truppe als Kapitän in das – damals in Hin- und Rückspiel ausgetragene – UEFA-Cup-Finale gegen Inter Mailand. Die Salzburger verlieren zweimal mit 0:1, Weber ist einer von nur sechs österreichischen Spielern, die in zwei unterschiedlichen Jahren in einem Europacupfinale zum Einsatz gekommen sind. „Das ist schön, aber ich würde sofort auf eines verzichten, wenn ich das andere dafür gewonnen hätte.“ Am 8. Juni 1994 absolviert Heribert Weber gegen die Admira sein letztes von insgesamt 573 Bundesliga-Spielen, damit ist er bis heute Rekordhalter. Er darf noch einmal den Meisterteller in die Höhe strecken. Für ihn ist es der fünfte Titel, für die Salzburger der erste in der Klubgeschichte. „Das war noch einmal eine ganz außergewöhnliche Geschichte. Wie wir durch die Stadt gezogen sind und wie sich die Leute mit uns gefreut haben…“ Trainer Otto Baric will ihn noch einmal zum Weitermachen überreden, aber Weber geht ganz ohne Wehmut: „Ich habe mir gedacht: Mit dem ersten Meistertitel des Vereins und als UEFA Cup-Finalist aufzuhören…besser wird’s nicht. So behalten dich alle in Erinnerung.“ Zum Abschied bekommt er von Salzburg-Präsident Rudi Quehenberger noch den Titel Ehrenkapitän verliehen. „Dass ich als Steirer diesen Titel bei Rapid und bei Salzburg bekommen habe, macht mich wirklich stolz.“

Abwechslungsreiche Trainerjahre

Nach ersten Trainerstationen beim Salzburger Kooperationsklub FC Puch und im ÖFB-Nachwuchs übernimmt Weber im Frühjahr 1996 Austria Salzburg. Es folgt ein großer Umbruch, denn nach dem Bosman- Urteil verlassen im Sommer unter anderem Wolfgang Feiersinger, Heimo Pfeifenberger, Peter Artner und Hermann Stadler den Klub, im Winter geht auch Otto Konrad. „Die Leute haben gesagt, dass es mit sieben, acht Neuen nicht so schnell klappen wird“, erinnert sich Weber an geringe Erwartungen am Saisonstart. Aber die Neuzugänge wie Walter Kogler, Edi Glieder, Walter Hörmann und Rückkehrer Martin Amerhauser schlagen voll ein, Salzburg wird in Webers erstem Jahr als Bundesliga-Trainer auf Anhieb Meister. Die darauffolgende Saison verläuft nicht nach Wunsch, die Violetten scheitern in der Champions-League-Qualifikation an Sparta Prag und laufen auch in der Meisterschaft ihren Ansprüchen hinterher. Im Frühjahr 1998 legt Heribert Weber sein Amt als Trainer nieder. Kurz vor Saisonende ereilt ihn – wie schon als Spieler – der Ruf von Rapid. Bei den Hütteldorfern bleibt er bis zum Sommer 2000, bis heute hat er den besten Punkteschnitt aller Rapid-Trainer in den letzten 25 Jahren. Zu einem Titel reicht es jedoch nicht. Rapid wird unter Weber zweimal Vizemeister und einmal Dritter. „In den entscheidenden Momenten hat innerhalb des Klubs die Verbundenheit gefehlt. Da ist vieles kritisiert worden, oft ist es auch an die Medien gegangen.“ Weber vermisst die Wertschätzung: „Ich hatte nicht das Gefühl, dass alle an diese Mannschaft und an mich als Trainer geglaubt haben.“

Geschätzter Analytiker

Nach seinem Rapid-Engagement ist Weber als Trainer noch beim 1. FC Saarbrücken und dem SC Untersiebenbrunn tätig. Dann findet er eine neue Berufung. 2004 wird Weber als Analytiker für den privaten Fernsehanbieter Premiere tätig, der später zu Sky wird. „Ich habe mich dort sofort extrem wohl gefühlt.“ Allmählich wird Weber klar, dass er nicht mehr auf die Trainerbank zurückkehren wird. „Ich habe immer wieder Angebote bekommen, aber mir hat die Aufgabe bei Sky so viel Spaß gemacht, dass ich nicht mehr als Trainer zurückgehen wollte. Da verdient man zwar mehr, aber das Leben ist ganz anders.“ 14 Jahre lang – mit einer kurzen Unterbrechung als Admira-Sportdirektor von 2008 bis 2010 – arbeitet er für Sky. Eine genaue Vorbereitung ist ihm – wie schon als Spieler und Trainer – sehr wichtig. „Ich habe nichts dem Zufall überlassen. Wenn ich gewusst habe, dass ein Thema in der Sendung kommen kann, dann habe ich mir vorher überlegt, was ich dazu sagen möchte.“ Weber scheut sich auch in der neuen Rolle nicht, Klartext zu reden. Wenn er mit den Akteuren inhaltlich diskutiert – wie mit dem damaligen Altach-Trainer Damir Canadi – dann gehört das für ihn zum Job. „Als wir uns das nächste Mal getroffen haben, haben wir uns die Hand gegeben und es war, wie wenn nichts gewesen wäre.“ Eines ist Weber in seiner Analyse stets wichtig: „Ich habe nie jemanden kritisiert, wenn ich nicht sicher war, dass es stimmt, was ich sage. Darum glaube ich, dass das gut angekommen ist und ich mit meiner Kritik sehr akzeptiert war.“

Neue Erfahrungen

Im Sommer 2018 beendet Weber nach 45 Jahren als Spieler, Trainer, Sportdirektor und Analytiker seine Tätigkeit im österreichischen Profifußball, er geht in Pension. „Seine“ Bundesliga verfolgt der Rekordspieler aber nach wie vor genau. „Ich schau mir die Spiele sehr gern an, teilweise bin ich wirklich begeistert. Was die Stadien betrifft, hat sich auch vieles getan, das ist sehr wichtig für unseren Fußball.“ Warum er die Spiele immer alleine schaut? „Das hat den Grund, dass ich laut analysiere und kritisiere. Das braucht niemand hören.“ So ganz kann Weber dann eben doch nicht aus seiner Haut. Außer bei seinen drei Enkerln. Dann ist er nicht Heribert Weber, der Rekord-Spieler, der Trainer, der Analytiker – sondern einfach der Opa, der mit den Kleinen im Garten Fußball spielt. „Gaudi-mäßig. Ohne Druck und mit viel Spaß.“ Ja, manche Erfahrungen sind sogar für den routiniertesten Spieler der Bundesliga-Geschichte noch relativ neu. 

 

Fotos:  Votava / brandstaetter images / picturedesk.com, Gepa pictures

Redakteur: Mathias Slezak
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