LASK-Erfolgscoach Thomas Darazs: „Muss kein Peitschenknaller sein!“

8. May 2024 in ADMIRAL Bundesliga

Thomas Darazs im Interview: Warum Respekt nicht durch Drohungen entsteht und es nicht Trainer sind, die Spieler entwickeln. Was das Problem des LASK war und er von Marin Ljubicic anstelle von Toren fordert. Und wann es ihn als jungen Spieler zu Stronachs Zeiten vor Staunen fast auf den Hosenboden gesetzt hat.

 

Vier der letzten fünf Runden gewonnen (darunter das 5:0 gegen Rapid), Platz 3 abgesichert und jetzt das Zünglein an der Waage im Titelkampf, wenn es in den letzten zwei Runden gegen Sturm und Red Bull Salzburg geht. Thomas Darazs hat bei seinem ersten Cheftrainer-Posten in der ADMIRAL Bundesliga bereits eine Visitenkarte abgegeben. Fragen zu seiner Zukunft will er aktuell zwar nicht beantworten. Dafür hat er uns viele interessante Einblicke in sein Erfolgskonzept gegeben.

Der LASK hat Platz 3 sicher. Lässt es sich so jetzt lockerer aufspielen?

Der Druck ist weg. Ich glaube trotzdem, es ist ein schmaler Grat zwischen locker aufspielen und die notwendige Aufmerksamkeit haben. Wir hoffen und erwarten uns, ein volles Haus gegen Sturm. Das sollte uns wie gegen Rapid helfen.

In der letzten Runde gibt es das Duell mit Salzburg. Schielt man noch auf Platz 2? Wie lässig wäre es, wenn es in der letzten Runde nochmal im direkten Duell darum ginge?

Es ist absolut angenehm, dass wir jetzt plötzlich von Platz 2 reden, wo wir vorher noch hoffen mussten, dass sich das mit einem europäischen Startplatz noch ausgeht. Aber glauben Sie mir, es schielt kein Einziger auf Salzburg jetzt. Wir wollen jetzt einmal das bestmögliche Spiel gegen Sturm abliefern. Mein persönlicher Wunsch ist, dass sich die Spieler mit einer super Leistung vom Heimpublikum verabschieden.

Wie aufregend ist es, jetzt im Titelkampf das Zünglein an der Waage zu sein?

Das macht es vielleicht für die anderen aufregend. Für uns ist relativ unerheblich, gegen wen wir die letzten zwei Runden spielen. Das können wir eh nicht beeinflussen. Klar wissen wir, dass wir mit Sturm und Salzburg die zwei besten Mannschaften heuer vor uns haben. Dementsprechend werden wir bescheiden bleiben und die Spiele als Herausforderung sehen.

Die Mannschaft spielt jetzt befreit auf. Wie lässt sich dieser Lauf erklären?

Wäre es so easy zu erklären, wäre es sehr einfach, Fußballtrainer zu sein. Ich glaube, dass Fußball der komplexeste Sport der ganzen Welt ist, dementsprechend gibt es keine einfache Antworten auf die aktuelle Performance. Es haben viele Dinge im richtigen Moment zusammengepasst. Die Spieler haben Zuversicht, dass sie gute Spieler sind, dass wir es schaffen können. Taktisch haben wir vorgegeben, dass nicht der schnellste Weg zum Tor immer der beste ist, sondern der bestmögliche Weg zum Tor. Das ist ein großer Unterschied. Der eine oder andere Spieler hat eine etwas andere Positionierung zum Ball und Gegner.

Wo haben Sie die Hebel angesetzt?

Vor dem Spiel gegen Hartberg hab ich den Spielern erklärt, dass der LASK seit 1965 nicht mehr Meister geworden ist und seit 7 Jahren erst wieder in der Bundesliga spielt. Jetzt ist man auf einem Weg, einem Prozess, dass man irgendwann vielleicht wieder diesen großen Erfolg wiederholt. Aber man kann von der Mannschaft nicht verlangen, dass das heuer der Fall ist. Sie waren einem Erwartungsdruck ausgesetzt, den sie so nicht erfüllen konnten. Es geht auch darum, einen Beitrag zum zukünftigen Erfolg des LASK zu leisten. Wir müssen einfach beharrlich daran arbeiten. Mein Zugang ist, man muss sich auf die Leistung fokussieren, wenn man sich zu sehr auf das Ergebnis fokussiert, geht es oft in die Hose. Vielleicht hat das den Spielern ein bisschen geholfen.

Marin Ljubicic hat 7 Tore in den letzten 5 Partien gemacht - ist durch den Triplepack gegen Salzburg der Knoten geplatzt. Diese Saison lief es nicht immer rund bei ihm - hat ein Gespräch oder dergleichen geholfen?

Es geht um die erwähnte Zuversicht. Weil dann schickt der Marin Ljubicic sich selbst wieder aufs Spielfeld und nicht seinen Zwillingsbruder und schon fängt er an zu treffen. Ich hab von ihm nie Tore gefordert, sondern, dass er an seiner Körpersprache etwas ändert. Dass er nicht nach einer vergebenen Chance schaut, als wäre das Leben vorbei. Das setzt er gut um. Ich habe einfach ein riesengroßes Vertrauen in ihm und mag ihn, vielleicht spürt er das. Ich brauch ihm nicht sagen, dass er ein guter Spieler ist, das weiß er selbst. Ich bin selbst Vater von zwei Kindern in seinem Alter – ich denke, die Burschen brauchen einfach das Vertrauen, dass da wer ist, der sie nach dem Bemühen bewertet und nicht, ob er jedes Mal drei Tore schießt.

Was zeichnet ihn aus? Ist er aktuell die größte Aktie beim LASK?

Er ist eine der größten, aber wir haben viele Spieler, die ihr volles Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft haben. Speziell bei Marin ist: Er hat schon einen richtig guten physischen Abdruck und gute Ausdrucksweise für sein Alter – er ist immerhin noch U21 Spieler. Dazu kommt als Plus seine Technik und Leidenschaft für den Fußball. Bei der mentalen Stärke sehe ich noch Entwicklungspotenzial.

Sie haben auch schon Teams in 2., 3, und 4. Ligen trainiert - was waren die wichtigsten Erfahrungen, die Sie dort mitgenommen haben?

Dass man kein Peitschenknaller sein muss, um eine Gruppe junger Männer anzuführen. Vertrauen und Respekt entwickeln sich nicht durch Drohungen und Angstmacherei. Es hat überall geklappt, wenn man das Verständnis am Spiel in den Vordergrund stellt. Wenn man als Spieler Situationen besser interpretieren kann, fühlt man sich wohler und wird eine bessere Lösung finden als wenn du jedes Mal Stress hast. Außerdem ist mein Zugang: Ich glaube nicht, dass man einen Spieler entwickeln kann. Viele Nachwuchstrainer, die sich das auf die Fahne heften, überschätzen sich ein bisschen. Wir Trainer können nur ein Umfeld bieten, in dem sich jeder selbst entwickelt. Wenn du am Grashalm ziehst, wird er nicht schneller wachsen, da reißt du ihn maximal aus. Aber wenn du schaust, dass er genug Licht, Dünger und Wasser kriegt, wirst du einen super Rasen haben.

Lassen Sie die Zügel eher lockerer oder ziehen Sie die Zügel an?

Eine Mannschaft besteht aus vielen unterschiedlichen Kulturen. Da kannst du nicht nur nett sein, manche brauchen strengere Regeln, anderen lässt man mehr Freiheiten. In unserer außergewöhnlichen Situation haben wir aber schon strengere Regeln eingeführt. Zum Beispiel ein gemeinsames Frühstück zu einer festen Zeit, wo wirklich alle gemeinsam an einem Tisch sitzen und sich nicht in Grüppchen aufteilen. Auch beim Mittagessen. Deshalb gewinnen oder verlieren wir nicht 5:0 gegen Rapid. Aber wir dachten, das sind wichtige Interventionen. Es waren jedenfalls keine Alibi-Aktionen.

Sie haben als junger Spieler die irre Stronach Zeit bei der Austria erlebt - welches verrücktes Erlebnis blieb Ihnen am stärksten im Gedächtnis?

Es war sehr turbulent. Ausländischen Spielern durfte ich ihren Lohnzettel erklären. Da hat es mich ein paar Mal schon fast auf den Hintern gesetzt, als ich gesehen hab, was die verdient haben. Nicht alle Anekdoten sind für Frank Stronach schmeichelhaft – aber man vergisst, seine Ideen mit den jungen Akademien usw., da waren gute Sachen dabei. Er hat sicher von reinen Herzen das Beste für den Fußball machen wollen, aber so mancher Berater hat mehr auf das eigene Wohl als auf den Klub geschaut. Ich habe auf jeden Fall gelernt, dass nicht nur Geld das größte Kapital im Fußball ist, sondern auch Wissen.


Fotos: GEPA pictures

Redakteur: Christoph König
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