Wimmer und Klauß vor Derby-Showdown: „Hier gibt es nur Endspiele“

21. February 2024 in ADMIRAL Bundesliga

Sie sind derzeit die beiden einzigen Trainer-Legionäre in der ADMIRAL Bundesliga – und stehen vor ihrem heißesten Spiel des Jahres. Denn beim Wiener Derby am Sonntag (17 Uhr, live auf Sky) geht es zwischen Rapid und der Austria nicht nur um die Vorherrschaft in der Hauptstadt, sondern auch um ganz wichtige Punkte im Kampf um die Meisterrunde. Als sich Robert Klauß und Michael Wimmer im Restaurant Das LOFT hoch über den Dächern Wiens treffen, fällt die Begrüßung trotzdem herzlich aus. Man kennt einander seit 2017, als die beiden gemeinsam die Aufnahmeprüfung zur Trainerlizenz absolvierten. Zum Aufwärmen vor dem Doppel-Interview spielen sie eine Partie Tipp-Kick, bei der Klauß knapp die Nase vorn hat.

 

Herr Wimmer, wie würden Sie Ihrem deutschen Landsmann das Besondere am Wiener Derby beschreiben? Für Sie ist es am Sonntag ja bereits das fünfte.

Wimmer: Über Derbys generell muss ich ihm nichts erzählen, er hat ja mit dem 1. FC Nürnberg selbst viele solcher Spiele erlebt (Anm.: gegen Fürth). Aber hier ist es schon besonders: In der vergangenen Woche wurde schon mehr über das Derby gesprochen als über unser Spiel gegen Altach. Aber klar, jeder freut sich drauf: Ausverkaufte Hütte, gereizte Stimmung – dafür macht man den Job ja.

Klauß: Als ich ein Jahr ohne Job war, habe ich die österreichische Liga stark verfolgt. Da habe ich auch das letzte Derby gesehen, als ihr in doppelter Unterzahl noch einen Punkt geholt habt. Das war schon sehr interessant zu sehen.

Sie sind in vier Derbys noch ungeschlagen, holten zwei Siege und zwei Remis. Inwieweit hat das Ihren Job im vergangenen Jahr erleichtert, Herr Wimmer?

Wimmer: Jeder Sieg hilft, aber bei den Fans hilft es in diesen Spielen noch mehr. Das wichtigste Derby war für mich mein erstes, als wir 2:1 gewonnen haben. Das war ein kleines Endspiel um die Meisterrunde, es stand viel auf dem Spiel. Diesen Sieg werde ich auch deshalb nie vergessen, weil es eine schwierige Phase war, in der viele noch meinem Vorgänger (Anm.: Manfred Schmid) nachtrauerten. Die Fans waren zwar immer total fair zu mir, haben mich aber kritisch beäugt. Und nach dem Spiel gab es Sprechchöre, dass ich jetzt in der Austria-Familie aufgenommen bin. Das bleibt, ein Gänsehaut-Moment.

Herr Klauß, Ihre heißesten Derbys hatten Sie mit Nürnberg gegen Fürth, da ist Ihre Bilanz ausgeglichen.

Klauß: Eine Niederlage, ein Remis, ein Sieg, in dieser Reihenfolge, die Tendenz stimmt also. (lacht) Die ersten beiden Derbys fanden wegen Corona noch ohne Zuschauer statt, das dritte war brutal. Ausverkauftes Haus, wir haben 2:0 gewonnen, da habe ich zum ersten Mal hautnah mitbekommen, was das den Fans bedeutet. Der Moment, wie wir in der Kurve gefeiert haben, bleibt hängen.

Dementsprechend groß dürfte Ihre Vorfreude auf Sonntag sein…

Klauß: Die ist groß, aber ich glaube, ich muss es erst einmal wirklich erlebt haben, um es fassen zu können. Ich bin allerdings froh, dass das Spiel bei uns in Hütteldorf stattfindet. Ich habe mittlerweile mitbekommen, wieviel Energie die „West“ auslösen kann, wieviel Power dahinter steckt.

Sie sind mit solchen Ausdrücken ja vorsichtig, aber ist es ein Sechs-Punkte-Spiel?

Wimmer: Ich habe nach dem Hartberg-Spiel schon gesagt, dass ich furchtbar schlecht in Mathematik bin. Das Spiel ist wichtig, brisant, und würde man die Fans fragen, ist es mindestens ein Zehn-Punkte-Spiel. Vielleicht ist es sogar so, dass sie uns verzeihen würden, die Meisterrunde zu verpassen, wenn wir dafür das Derby gewinnen. Und trotzdem ist es für mich als Trainer wichtig, das Ganze zu kanalisieren. Zu viel Druck kann ja auch lähmen.

Klauß: Ein Derby spielt für die Tabelle normalerweise ja keine Rolle. Da geht es nur ums Gewinnen. Weil es aber jetzt auch tabellarisch so brisant ist, lädt diese Konstellation das Spiel zusätzlich auf.

Sie sprechen den Kampf um den ominösen Strich an, der für Sie beide ja Neuland war. Fiel es schwer, das Prozedere mit der Ligateilung für sich anzunehmen?

Klauß: Als ich bei Rapid übernommen habe, waren wir Achter. Die Verantwortlichen von Rapid haben mich gefragt: Denkst du, dass der Zeitpunkt günstig ist? Traust du dir das zu? Ich habe – wahrscheinlich aus Unwissenheit – gesagt: Ja, klar! Ich dachte: Ist doch super, wir haben noch acht Spiele und alles in der eigenen Hand. Wir müssen doch nur unsere Spiele gewinnen. Ich finde das System spannend und gut, für einige Teams wird es eng bis zur allerletzten Runde.

Wimmer: Ich hatte am Anfang auch noch nicht ganz verinnerlicht, was es wirklich bedeutet. Als ich kam, waren wir Siebenter mit drei Punkten Rückstand auf Klagenfurt, die gleich mein erster Gegner waren. Alle haben von einem Endspiel gesprochen. Ich dachte: Warum soll es Mitte Februar schon ein Endspiel geben?

Klauß: Als wir zum Frühjahrs-Auftakt beim WAC gespielt haben, meinten viele: Das wichtigste Spiel des Jahres! Da dachte ich: Wow, was soll denn dann noch kommen? Ich hoffe ja, mein wichtigstes Spiel steht noch bevor. Das Derby, Cup-Halbfinale, vielleicht das Finale… da gibt es schon noch einiges. Dass fast jedes Spiel hier mit einem Do-or-Die-Charakter versehen wird, ist schon speziell.

Wimmer: Ich hatte gegen Altach mein 46. Pflichtspiel als Austria-Trainer, davon waren gefühlt 40 Endspiele. Nicht für mich, aber von der Betrachtung von außen. Ich habe immer wieder gehört: Jetzt kommt ein Endspiel. Die Teilung erhöht den Druck immens, aber das ist mir manchmal schon zu viel der Endspiele.

Klauß: Ich bekomme vor fast jedem Spiel die Frage gestellt: Trainer, was ist, wenn wir verlieren? Was soll denn die Frage? Da kann ich auch fragen, was ist, wenn ich morgen vom Auto überfahren werde. Wäre ja auch scheiße! Mein Ansatz: Nach 22 Runden stehen die Teams in den Top 6, die es verdient haben. Punkt.

Wimmer: Genau, nach 22 Spielen lügt die Tabelle nicht. Nur bis dahin sollten wir die Kirche im Dorf lassen. Wir wollen oben rein, das ist der Anspruch der Austria. Aber wenn es nicht klappt, müssen wir trotzdem das Beste draus machen.

Herr Wimmer, was war Ihr erster Gedanke, als Sie hörten, dass mit Robert Klauß ein Ihnen gut bekannter deutscher Landsmann bei Rapid übernimmt?

Wimmer: Dass sich das Spiel von Rapid verändern wird. Und klar freut es einen, wenn ein Kollege, den man kennt, wieder im Job ist. (lacht) Ich habe allerdings bei der Austria echt viel zu bedenken, da hatte ich gar nicht so viel Zeit, mich damit zu befassen.

Haben Sie, Herr Klauß, mal überlegt, sich beim Kollegen über die Lage in Wien zu erkundigen?

Klauß: Dafür ging alles viel zu schnell. Innerhalb von zwei Tagen hatte ich so gute Gespräche, dass mir klar war, dass ich es machen möchte. Dann habe ich wirklich kurz überlegt, Michael anzurufen und zu fragen, ob ich beim Umzug auf irgendetwas achten soll. Aber ich hatte so viele Leute, die mir geholfen haben, da musste das gar nicht sein.

Wimmer: Ich hätte ihm zu Wien geraten, aber den Tipp hätte er wohl nicht gebraucht. Die Stadt ist Weltklasse, mit einer riesigen Lebensqualität.

Sie sind seit mittlerweile 14 Monaten Austria-Trainer. Was war im Nachhinein betrachtet anfangs die größte Umstellung?

Wimmer: Wie schon angesprochen, war mein Vorgänger hier Publikumsliebling, fachlich anerkannt, überall geschätzt. Das war für mich neu, mich da zurechtzufinden. Verein und Mannschaft haben es mir allerdings leicht gemacht. Aber es ist wie immer: Erfolge helfen dir, sonst wird es ungemütlich.

Klauß: Bei mir war es ähnlich, da Zoki (Anm.: Barisic) auch ein sehr geschätzter Trainer war. Auch mir wurde es leicht gemacht, ich glaube, weil man gemerkt hat, dass ich es ehrlich meinte und wirklich froh und stolz war, bei so einem Verein zu sein. Ich habe auch nicht gesagt, dass wir jetzt alles über den Haufen werfen. Mein Ansatz war: Ich schaue, was wir adaptieren müssen, um die Dinge, die wir gut machen, auch in Punkte umzusetzen.

Wie gehen Sie als Trainer-Legionäre damit um, dass die Amtszeiten auf der Bank immer kürzer werden und mittlerweile nurmehr knapp über einem Jahr liegen?

Wimmer: Zum Teil ist es schon Wahnsinn! Als ich kam, war Miro Klose, mit dem ich den Trainerschein gemacht habe, bei Altach noch im Amt. Und vor dem ersten Duell war er schon wieder weg. Wenn ich das letzte Derby nehme: Wenn wir verlieren, sitzt heute vielleicht ein anderer Trainer Robert gegenüber und genießt die Aussicht. So aber haben wir irrsinnig viel Energie aus diesem Spiel gezogen, wir wurden nach dem 0:0 gefeiert, als ob wir Meister geworden wären.

Klauß: Das wurde mir erst bewusst, als ich selbst als Profitrainer tätig war – vorher hab ich mir über die Tatsache, dass es ein Hire-and-Fire-Geschäft ist, nie Gedanken gemacht. Ich habe aber auch nie gesagt: Ich will Profi-Trainer werden. Ich hatte als Co-Trainer in Leipzig nur das Gefühl, dass die Geschichte auserzählt ist. Unter Ralf Rangnick und Julian Nagelsmann gearbeitet, Champions League gespielt, im Pokal-Finale gestanden… Als dann die Anfrage aus Nürnberg kam, wollte ich diese Chance unbedingt ergreifen. Ich war zweieinhalb Jahre in Nürnberg, das ist die längste Amtszeit der letzten zehn Jahre. Und ich weiß jetzt auch, wie es sich anfühlt, wenn man entlassen wird.

Wie fühlt es sich an?

Klauß: Am gleichen Tag: beschissen! Danach wird es besser. Ich habe drei Nachrichten von älteren Kollegen bekommen, die schrieben: Schade, Robert, aber jetzt bist du ein richtiger Trainer! Und sie haben mir geraten, erstmal gar nichts zu machen und die Zeit für mich zu nutzen. Das war auch eine schöne Phase, mit laufendem Vertrag, also ohne finanzielle Nöte, Zeit für sich und die Familie zu haben. Man muss ehrlich sein: Das einzige, das dich als Trainer schützt, ist dein laufender Vertrag. Ich hatte vorher elf Jahre ohne Pause gearbeitet – warum das Geschenk nicht mal für sich annehmen?

Wimmer: (grinst) Dann bin ich wohl noch kein richtiger Trainer. Bei mir gab es auch ein, zwei Spiele, in denen mein Job auf Messers Schneide stand, wie zum Beispiel in besagtem Derby. Dann beschäftigt es dich schon. Wer sich aber für diesen Beruf entscheidet, weiß, dass der Aspekt auch dazugehört.

Zum Schluss würde ich Ihnen beiden gerne drei Fragen stellen mit der Bitte um kurze Antwort. Ihr Lieblingsplatz in Wien außerhalb des eigenen Stadions?

Wimmer: Der Naschmarkt. Dort herrscht coole Atmosphäre, man trifft oft nette Leute.

Klauß: Die Hauptallee im Prater. Dort fahre ich täglich mit dem Fahrrad entlang. Die Läufer, Spaziergänger, die Stimmung, das taugt mir sehr.

Wer kommt bei der EURO im Turnier weiter: Österreich oder Deutschland?

Klauß: Ich sage Deutschland! Österreich kommt in seiner Gruppe als Dritter weiter, hat dann aber den schwereren Pfad als Deutschland, das ja die einfachere Gruppe hat. Mein Tipp für Österreich: Niederlage gegen Frankreich, Sieg gegen Polen (Anm.: müssen sich noch über das Play-off qualifizieren), Remis gegen die Niederlande.

Wimmer: Dem schließe ich mich an und bleibe diplomatisch. Aber wenn ich ganz ehrlich sein darf: Sollte es zum direkten Duell kommen, würde ich es Deutschland gönnen.

Womit entspannen Sie sich vom Fußball, um auf andere Gedanken zu kommen?

Klauß: Ich lese ein Buch, das überhaupt nichts mit Fußball zu tun hat. Aktuell zum Beispiel einen Spionage-Thriller, der im Nachkriegs-Deutschland spielt. Hauptsache weit weg von dem, was ich den ganzen Tag mache.

Wimmer: Sauna und Sport. Und da ich es ja nicht so weit in meine bayerische Heimat habe, fahre ich auch manchmal nach Hause und genieße die Zeit mit der Familie. Meinem Sohn ist es komplett egal, ob ich gewonnen oder verloren habe, dort bin ich einfach nur der Papa.

 

Fotos: GEPA pictures

Redakteur: Markus Geisler
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