Michael Novak: „Ich habe nicht gerechnet, noch einmal Fußball spielen zu können“

2. August 2022 in ADMIRAL Bundesliga

Der WAC ist zurück im Europacup. Für Michael Novak ist das Spiel gegen Gzira United ein ganz besonderes. Es ist die Rückkehr auf eine Bühne, von der er nach seiner Erkrankung an einer Autoimmunkrankheit glaubte, sie nie wieder betreten zu können. Wie er zurückgekommen ist, warum er die Dinge lockerer nehmen darf und was es mit Andy Borg auf sich hat, erzählt er im Interview mit bundesliga.at.

 

Michael, am Mittwoch steht für den WAC wieder Europacup an. Eine besondere Rückkehr für dich nach allem, was du durchgemacht hast?

Ich habe nicht gerechnet, überhaupt noch einmal Fußball spielen zu können. Deshalb freue ich mich umso mehr, sogar wieder im Europacup dabei sein zu dürfen. Ich fühle mich fit und bereit.

Du bist vor etwas mehr als einem Jahr mit einer Autoimmunkrankheit diagnostiziert worden, Morbus Crohn, wenn die Berichte darüber gestimmt haben. Gab es Anzeichen dafür oder war es auf einmal da?

Ja, es ist Morbus Crohn. Los gegangen ist es schon drei, vier Wochen vor dem Saisonende 2020/21. Aber damals habe ich die Anzeichen noch nicht verstanden. Ich habe gedacht, das war eine harte, stressige Saison, im Urlaub würde sich das schon wieder beruhigen. Doch am ersten Urlaubstag hat es mich erst mit voller Wucht erwischt. Da konnte ich vor lauter Schmerzen gar nichts mehr tun. Ich konnte weder sitzen, noch gehen, hatte unglaubliche Unterleibschmerzen. Da habe ich gelernt: Der Darm ist das Zentrum des Körpers und wenn das nicht funktioniert, hast du ein Problem.

Wie geht es dir jetzt, bist du wieder ganz gesund?

Heilung gibt es nicht bei dieser Krankheit, man ist entweder gerade viel oder weniger betroffen. Ich werde mit einer Spritzenkur behandelt, bekomme alle zwei Wochen eine Injektion und die sorgt dafür, dass ich beim Sport null beeinträchtigt bin. Allerdings musste ich mein Leben umstellen, in puncto Stressbewältigung, in puncto Ernährung. Beim Essen muss ich gewisse Dinge vermeiden, vor allem Weizen und Milch. Auch sonst lebe ich viel bewusster. Ich musste lernen, meine Umwelt so zu gestalten, dass es nicht zu stressig ist.

Psychosozialer Stress soll die Krankheit begünstigen. Wie sehr hat die damals intensive Saison mit der kurzzeitigen Suspendierung bei dir eine Rolle gespielt?

Es ist zum einen eine stressbedingte Krankheit. Wenn man so gelebt hat, wie ich, der immer da und dort anpacken und helfen wollte, noch dies und das erreichen wollte, dann hat das sicherlich dazu beigetragen. Wenn ich heute in Balance bin, geht es mir gut. Wenn das System kippt, macht sich die Krankheit mehr bemerkbar. Es ist zum anderen aber auch eine genetische Geschichte. Ich habe ein gewisses Gen, das den Ausbruch der Krankheit erst ermöglicht hat. Ab da ist es eine Frage des Lebenswandels und wieviel Stress man ausgesetzt ist. Und da ist in dieser Saison eben viel zusammengekommen. Wir wollten in der Europa League weiterkommen, wir wollten unter die ersten Sechs, dann in die Top 3. Die Geschichte mit dem Trainer ist dazu gekommen. Ich bin zum zweiten Mal Vater geworden und bei meinem älteren Sohn wurde Taubheit diagnostiziert. Es hat nie nachgelassen.

Wird Stress im Profisport immer noch unterschätzt obwohl in den letzten Jahren immer mehr Fußballer, zuletzt Martin Hinteregger, die Gefahren öffentlich gemacht haben?

Ich ziehe den Hut vor „Hinti“ und bin so froh, dass es Spieler wie ihn gibt. Als Profi-Fußballer bist du einem riesigen Druck ausgesetzt, er als Nationalspieler bei einem deutschen Spitzenklub noch viel mehr als ich. Da ist es nicht leicht, jeden Tag etwas über dich in der Zeitung zu lesen, jeden Tag aufpassen zu müssen, was du tust und wie das aufgenommen wird. Es gibt sicher Spieler, denen das eher egal ist, andere verlangen sehr viel von sich selbst und bauen sich einen enormen Druck auf. Auch unter den Trainern gibt es einige Beispiele.

Du bist mehr als ein halbes Jahr ausgefallen, wie war es wieder zurückzukommen und musst du die Dinge, etwa einmal nicht aufgestellt zu werden, jetzt lockerer sehen?

Passiert ist es Ende Mai 2021, richtig mit dem Training begonnen habe ich am 8. Jänner 2022. Ich müsste lügen, wenn ich sage, dass ich in dieser Zeit nie ans Aufhören gedacht hätte. Aber wenn ich zu den Spielen gegangen bin, hat es so weh getan, den Jungs zuzuschauen, dass ich alles dafür tun wollte, wieder zurückzukommen. Mit dem bewussten Umgang mit der Krankheit schaffe ich das Profileben gut, obwohl es auch Phasen gibt, in denen es nicht leicht ist, die Balance zu halten. Fußball selbst ist jetzt für mich mehr Genuss, vorher war es auch viel Kampf und Krampf. Ich muss die Dinge nicht lockerer nehmen, ich darf sie lockerer nehmen. Ich erlaube mir mehr Spielraum. Ich habe akzeptiert, dass es Dinge gibt, die ich nicht oder nur schlecht beeinflussen kann.

Du hast im Frühjahr 13 von 14 Spielen gemacht, warst du zufrieden mit deinen Leistungen und Einsatzzeiten?

Absolut. Das hätte ich mir nicht einmal erträumt. Das Ziel war, vielleicht ein paar Mal eingewechselt zu werden. Dass ich dann schon im ersten Spiel durchgespielt habe und zu so vielen Einsätzen gekommen bin, hat mich richtig happy gemacht. Auch weil die Leistung meistens gepasst hat. Zwischendurch ist mir schon einmal der Sprit ausgegangen, aber das ist normal. Schließlich musste ich den Umgang mit der Krankheit auch erst lernen.

Es scheint, als hättest du von Robin Dutt viel Unterstützung bekommen?

Er hat mich immer wieder an allem teilhaben lassen, hat mir ärztliche Hilfe angeboten aus seinem Netzwerk, mich immer in den laufenden Betrieb eingebunden und mir so immer das Gefühl gegeben, Teil der Mannschaft zu sein. Das war irrsinnig wichtig für mich. Aber nicht nur der Trainer war vorbildlich, der ganze Verein. Es gab keinen Druck, dass ich jetzt fit werden muss, ich bin behandelt worden wie ein normaler Spieler. Es hätte ja auch heißen können, der Novak bringt’s nicht mehr, wir brauchen einen Neuen. Dass das nicht der Fall war, ist ein riesen Zeichen der Wertschätzung und das möchte ich gerne in irgendeiner Form zurückzahlen.

Du hast dazu auch im Europacup wieder Gelegenheit. Wie ist die Erinnerung an deinen letzten internationalen Auftritt gegen Tottenham?

Es war schon ein bisschen unwirklich, plötzlich gegen einen Weltmeister zu spielen. Gegen Lloris, aber auch gegen Bale oder Dele Alli. Wir haben in die obersten Kategorie hineingeschnuppert. Und obwohl wegen der Pandemie keine Zuschauer zugelassen waren, haben wir gesehen, das ist noch einmal eine andere Welt. Trotzdem haben wir uns nachher sogar geärgert über die Höhe der Niederlagen. Die Lücke war größer als sie in Wirklichkeit ist. Wir hätten uns besser präsentieren können, aber wir hatten nicht die beste Phase als Mannschaft. Aber so ein Spiel macht noch gieriger, so etwas regelmäßig erleben zu dürfen. Das war auch der Grund, warum wir nach dem ersten Jahr wieder die Europacup-Qualifikation geschafft haben und auch jetzt in der Qualifikation der Europa Conference League stehen.

Der nächste Gegner ist mit Gzira United nicht so prominent. Mit Gziras Mittelfeldspieler Andy Borg wirst du nicht viel anfangen können, mit dem gleichnamigen Schlagerstar eher?

Eigentlich bin ich schon ein Schlager-Fan, von daher würde das schon passen. Auch wenn Andy Borg jetzt nicht ganz oben auf meiner Playlist steht. Wobei die Schlagerfans bei uns in der Kabine jetzt überhaupt in Unterzahl sind.

Weil mit Kofler, Liendl und Wernitznig drei Oldies weg sind?

Von der Mannschaft, die unter Christian Ilzer die Reise begonnen haben, sind jetzt nur noch „Leiti“ (Leitgeb) und ich da. Nach dem „Leiti“ bin ich schon der Zweitälteste, damit musste ich auch erst einmal klar kommen.

Aber du möchtest deine Bundesliga-Karriere schon noch einige Jahre fortsetzen?

Ich habe gemerkt, was das für ein Privileg ist, in der Bundesliga zu spielen. Das möchte ich auskosten so lange es geht. Ich fühle, dass ich noch etwas draufsetzen kann, mit den Jungen noch mithalten kann. Solange die Krankheit es zulässt, möchte ich unbedingt in der Bundesliga bleiben.

Artikel teilen: